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thoreauvian ::: durch die Vielfalt der Gegenstände ein wenig verwirrt // re: Kiesgrube
»Dies ist mein Jahr der Beobachtung, und ich stelle mir vor dass meine Freunde sich auch mehr der Beobachtung im Freien widmen als je zuvor, gleichsam epidemisch.« Überquert einen Bach, Kühle oder Kühe auf Wiesen, Geist belebt, Erlen, Farne, will zu jedem Spaziergang eine Schlüsselflechte mit Fruchtkörpern finden. »… in dieser Jahreszeit dünkt mich, betrachten wir nicht, wie im Frühling, die größeren Züge der Landschaft, sondern werden von Einzelheiten in Anspruch genommen.« Mir scheint es diese Tage genau andersrum, es ist nun langsam zu heiß als sich nicht nur allein von dem Blick den die Weite bietet, beseelen und glücken zu lassen. »Als vorher die Wiesen überflutet waren, schaute ich weit über sie hinweg zum fernen Wald und den Umrissen der Hügel, die noch ferner waren. Nunmehr sollte ich nicht mehr so viel von ausgedehntem Wasser oder Landschaften zu sagen haben. Man ist durch die Vielfalt der Gegenstände ein wenig verwirrt. Für weite Blicke bedarf es einer gewissen Kargheit und Kahlheit von Details.«
(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)
Wie der Kiesgrubentag. Da da der Bewuchs wiederholend war, war es mehr ein einfach nur gehen und schauen und sein?
Wild karge Schönheit an der Kiesgrube, von oben doch wärmer als in der kühlen Wohnung gedacht, doch mit Hut, und relativ schattigem Weg annehmbar, und der Wind richtet es noch mehr. Der Hinweg mit kleiner Richtungsherausgefordertheit, und der Weg durch den sehr schmalen monihohen Grastrampelpfad wurde auch noch zunehmend dickicht, doch die Schneise ist irgendwann passiert, und es hat mir einen braunen Waldvogel geschenkt. Sonst wieder nur tausend Schachbrettfalter, Ochsenaugen, wenige Weißlinge dazu, und hie und da Dickkopffalter. Es gibt einen Zweispuren-Karrenfeldweg der nach links und rechts führt. Nach Norden Grauammer und diese meiner Seele so wohltuenden wogenden Grasweiten, einmal in ocker und einmal in grausilbergrün. Steppenursprung? Nach Süden wird lange von einem Neuwäldchen der Blick auf die Grube nicht gegönnt, dann, endlich liegt sie da, niedriger Wuchs, Wind volle Wucht von vorne, befestige meinen Hut, und sehe Milanen, Möwen, Staren und Krähen beim Luftgleiten zu. Sehr gelb voll Klee und Kamillenduft, Feinstrahl getestet. Und am Ende Lavendel. Über dem Grubenmeer Sandwolken vom Kiesabbau in der Ferne, und in diesem irgendwie verklärtem Blick kreisen die Lachmöwen. Nach Norden gekundschaftet doch an den interessant werdenden Sandabbruchklippen, nachdem ich schon frei stehende Puschelschafe mutig nah passiert habe, versperrt mir schließlich eine Hundertschaft von Graugänsen den Weg, wer würde sie verscheuchen und stören wollen? So halte ich mich fern, zockele zurück, sehe erst später auf den Fotos die Nilgänse auf der Insel, lasse mich weiter durchpusten und bin sehr froh dass der Weg weiter nach Süden schließlich über eine niedrige Wiese sehr einfach zurück in die Siedlung führt.
schneetreiben ::: Winterjournal mash up
… schneeweiß, Sturm der liegende Schneekristalle aufwirbelt, Verwehungen auf den Dächern, Tiefschnee. Tauche meine eine Hand in Schnee um das Gefühl wiederzukennen. Was macht man mit einem so magisch weißen Tag? … | … Zurück aus dem Wald voll Sonne, Farbe und Schnee. Überfroren und dadurch ein unverschlammtes Schreiten über alle Pfade. Endlich endlich einen Zapfenpilz gefunden, in einer unvermuteten Ecke da nicht vermuteten Nadelbaum, und alles voller Meisen und Kleiber und Krähen, ein Mäusebussard, zum Ende ein Rotmilan, und auf der letzten Gerade aus dem Augenwinkel das Gefühl etwas Winzfroschgroßes, oder Grashüpfergroßes dass neben einer Totholzansammlung in eine Ecke außer Sicht hüpft. … ob es eine Winterhafte war? Wenn dem so ist, so bin ich wenigstens froh sie ohnehin auch nach eingehendem Starren in die Ecke nicht gesehen zu haben, so dass es keinen Unterschied machte dass ich ohne Akku war. … | … Mehr Schnee. Der sich darüber spannende Tag noch duster. … | … Wald tief im Schnee, abends, unter sechs, und Schnee Schnee Schnee, Tiefschnee, im Wald bevor es dunkel wird, gar nicht nasser Schnee, feinster Pulverspaß, Langläufer, Gassihunde, teils niedriger als die Schneeverwehungen und drei jauchzende Schwarzspechte. Schnee schnee schnee. … | … Nach Jahren haben wir nun über zwei durchwirbelte graue Tage auch einen wunderbaren Abend mit Tiefschnee im Wald gehabt, und nach längeren Arbeitstagen in den letzten beiden Wochen konnte ich den Stift a.k.a. die Tastatur um halbvier weglegen und mich
in dieses Pulverglück hineinstürzen. Dabei habe ich mich an ein Bild erinnert dass Du mir vor zwei oder drei Jahren von einem verschneiten Waldspaziergang gesendet hast, und wie du noch ganz beseelt von der Atmosphäre dort warst, und dachte, nun endlich endlich, kann ich Dir eines aus magisch weiß veränderten Welt zurücksenden. … auf dem Rückweg sind mir noch drei sich kabbelnde Schwarzspechte begegnet. … und natürlich Jogger, Schlittenkinder, Gassihunde (manche deutlich flacher als die Schneeböen), und Langläufer … | … die noch morgengedämpfte Welt reflektiert heller, monochromes Licht … | … mittags zum Einkauf durch Schnee, zwei Schritte aus der Haustür und man wird von Langläufern umgefahren*, weiteres Ansammeln von Schneeerfahrungen, durch den Wald wie anno dazumals, fühle mich wie neu wie selbst, Enten in Pfeilflug über mir, und Blick aus Fenster vielleicht ein Kormoran längs die Straße entlangfliegend … | … noch anhaltend voll des Jubels weil auch unsere Tieflandsbucht mal wieder tief mit Schnee angefüllt ist … | … heute immerzu die Andeutung aus beinahe Sonnenschein, aber es bleibt ein zaubernder matter Lichtschein … | … der Morgen grauweiß … nun schon so viele Tage, man ertappt sich beinahe dabei, dass nun das Abtauen das neue Aufregende sein wird, weil die Welt dann wieder anders aussieht, wie wir es gestern auch festgestellt haben, der alles bedeckender Schnee, schon allein deshalb toll weil endlich alles mal wieder anders aussieht … | …
Rotkehlchenbegegnung . mittags sehr lange am sonnenflutenden im Schnee liegenden Fluss, sehr nahe und rührende Bekanntschaft mit einem Rotkehlchen. Es hüpft erst sehr nah an meine Kamera, und umtanzt mich minutenlang als ich eine Erle ablichten wollte, Gefühl das kleine Kerlchen hofft ich habe was zum futtern dabei; als ich dann von der Flussbucht hochkam oben auf dem Weg hüpft es nur zehn Zentimeter vor meinem Schuh, ist dann zu einer nahen Hasel geflogen, und zeigt mir einen mit Festgebackenem gefüllten Meisenknödel, von dem es aber nichts herauslösen kann, so sehr es sich auch flatternd festhält. Ich hab ihm was davon rausgekrümelt, es saß unten wartend auf dem Boden und hat zum Mampfen angefangen. So lange Schnee liegt traue ich mich nicht mehr ohne Vogelfutter aus dem Haus … das Gefühl einem hungenden Vogel der sich an mich ranwirft nichts geben zu können ertrage ich nicht nochmal … nie wieder ohne Vogelfutter in den Schnee! … auch wenn es dank des Futterknödels noch halbwegs emotional beruhigt ausging … | … Offenes Wohnzimmerfenster, Wolken hängen hinter und über dem gegenüberliegenden Dach. Das Wort Bewölkung nimmt dadurch noch ein ganz anderes Empfinden an, hängend, Behängung, Bewölkung … | … abends nochmal mit Vogelfutter zum Rotkehlchenplatz. Erst lange Sorge, nirgends ist es zu sehen, – oben sprechen eine Mutter und ihr Sohn auch über ein Rotkehlchen, es scheint also wirklich jeden der mit ein bisschen Muße da rumsteht zu belagern –, doch irgendwann kommt es dann angeflogen, beäugt mein Futter, nimmt vielleicht ein, zwei Körner, scheint aber nicht überzeugt, scheint also nicht am verhungern zu sein, hüpft weiter um mich rum, und haut schließlich ab. Oben begegne ich ihm nochmal, zweiter Fütterungsversuch in eine extra ausgetretene Mulde ruft gelinde mehr Ekstase und begeisterte kleine Tschilps aus, die von einem entfernteren Strauch beantwortet werden, fliegt schließlich zum Futterkugelbaum der zwischenzeitlich mit verschiedenen Futterangeboten überladen ist (wieviele Menschen hat das Rotkehlchen in den letzten Tagen wohl mit traurigen Kulleraugen angestiftet?), vermischelt sich mit Blau- und Kohlmeisen, und scheint an hingeworfenen Haferflocken mehr Interesse zu haben, kommt mir aber dann wieder an einem Ast sehr nahe. Ich biete ihm meine Hand an, 10 cm von ihm entfernt, es fliegt nicht weg, landen will es aber auch nicht. Neue These: ihm ist einfach auch langweilig, und daher beschaut es sich diese zweibeinigen Affen mehr. … | …