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thoreauvian ::: neigung umherzuwandern nachgeben

»wie viele Dinge tragen dazu bei, einen Menschen zu Hause zu halten, zu verhindern, dass er seiner Neigung, umherzuwandern nachgibt! … es einiger Entschlossenheit wie auch Tatkraft und Voraussicht bedarf, um die einfachste Reise zu unternehmen. … wenn ich mir überlege wie viele Dinge ich bequem tragen kann, dann halte ich es für gewöhnlich für das Bequemste zu Hause zu bleiben. …«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch III)

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rabenschwarz ::: quorren krächzen ratschen

»… was uns als unschönes Quorren, Krächzen oder Ratschen ins Ohr geht hat für die Krähen, Elstern und Häher einen ähnlich präzisen Klang wie die Stimme des Menschen mit dem wir vertraut sind.«

(Josef H. Reichholf, Rabenschwarze Intelligenz)

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thoreauvian ::: orakelhaft

»… sollte ich zu meinen Freunden sprechen? Denn wie selten bin ich ich, und sind sie sie? Wir werden uns dann treffen, weit entfernt. Die Samen des Sommers trocknen und fallen von tausend nickenden Köpfen. … ah selbst die Bäche scheinen mehr angefüllt mit Spiegelungen als sie es wirklich waren! Ah was sind das für herausfordernde orakelhafte Sätze! Der seichteste ist zugleich der unergründlichste. Wie kann die Tiefe dort ausgelotet werden, wo ein Mensch sich selbst gespiegelt sieht?«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch III)

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feld ::: schnee welt

»… die Liebe. Der Krieg. Der Gott. Der Vater. Die Mutter. Das Kind. Die Hecke und die Heimlichkeit. Die Blumen und die weiße Angst. Das Scharfe. Das Helle. Der Schnee. Das Wetterleuchten und der Suppentopf. Noch dreimal Lachen, dann ist es vorbei. Die Sonne. Der Vogel. Das Boot. Der Tod. … Würde … im Blick der anderen … erinnere mich an einen Satz. Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich ihn selbst gedacht. Es ist ein Satz, wenn schon nicht für die Ewigkeit, so doch für den Augenblick. Mehr kann man eigentlich nicht verlangen. Erst war ich Mensch, jetzt bin ich Welt.«

(Robert Seethaler, Das Feld)

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thoreauvian ::: zwischen Haus und Gartentor irgendwie vorankommen

»ein Mensch muss sich im Allgemeinen einige hundert oder tausend Meilen von zu Hause entfernen, bevor von ihm gesagt werden kann, er beginne sein Reisen. Warum nicht seine Reisen zuhause beginnen? Würde man weit gehen oder sehr genau schauen müssen um Neues zu entdecken? Der Reisende, der, in diesem Sinn seinen Reisen zu Hause nachgeht, hat jedenfalls den Vorteil eines langen Aufenthalts auf dem Land, um seine Beobachtungen genau und ertragreich anzustellen. … wenn er nun mit allem Wissen eines Einheimischen anfinge und das Wissen eines Reisenden hinzufügte … es bedarf eines Menschen von Geist, in seinem eigenen Land, in seinem Heimatort zu reisen; zwischen seiner Haustür und seinem Gartentor irgendwie voranzukommen.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch III)

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osang ::: winterschimmer

»… eine Zeit der Inventur, da man überprüft, was eigentlich noch im Regal des Lebens steht. Oft steht, ganz hinten, etwas Bemerkenswertes … und beobachtete wie das matte, graue Tageslicht wegsickerte … sah … hinauf zur Wohnung, der Schnee fiel ihm direkt in die Augen, aus allen Richtungen schwebte er auf ihn zu, kleine weiße Planeten, ein Meteoritenhagel, und er mittendrin. Er trieb durchs All … die Worte flossen aus ihm heraus, es war, als höre er sich selbst zu … es gab weitere Thesen, Punkte, Folien für den Weltuntergang. Ganz obendrüber stand: alles hängt mit allem zusammen. … er bewegte sich, während er das dunkle Treppenhaus hinaufstieg, in einem globalen Zusammenhang … Morgen Nachbar, rief jemand in den Frieden der sich in seinem Kopf ausbreitete (→ vgl. Jerome … weiterhin Beschreibung wie sich die Hauptfigur verrenken muss um nach oben zur Stimme zu blicken, und sich dabei wie einer dieser dünnen Jurassicparksaurier fühlt) … Almuth fühlte sich wohl im Ungefähren … Sie nippten an ihren Gläsern, rauchten und schwiegen. Die Zeit stand still. Deswegen fuhr man zu seinen Eltern, dachte sie, damit die Zeit stehen bleibt … der Schnee verwandelte den schäbigen Alexanderplatz in eine friedliche stille Landschaft, die Becker vorsichtig betrat wie einen fremden Planeten … kannte ihn nicht und er hatte keine Lust, sich ihr nach all den Jahren noch einmal vorzustellen« … ein Mann in Berlin, seine Freundin zur selben Zeit in Connecticut. Telefonieren. »auch sie war müde gewesen, aber früher am Tage, vormittags in New England, eine andere, hellere Müdigkeit.«

(Alexander Osang & Klappentext, Winterschwimmer)

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Ausblick ::: sich selbst verheddern

Ausblick: in rekursiven Schlaufen des Selbst verheddern

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le guin ::: aus zeit gemacht

»Shevek jedoch konnte mit Dramen nicht viel anfangen. …. erst in diesem zweiten Jahr in Abbenay entdeckte er – endlich – seine Kunst: die Kunst die aus Zeit gemacht ist. Jemand nahm ihn mit in ein Konzert des Musiksyndikats.«

(Ursula K. le Guin, Freie Geister)

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le guin ::: präsequential

Shevek soll etwas auf jotisch sagen und zitiert Keremcho, einen Präsequentialisten, »wenn das Vergehen der Zeit ein Grundempfinden menschlichen Bewusstseins ist, sind Vergangenheit und Zukunft Funktionen des Denkens.«

(Ursula K. le Guin, Freie Geister)

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le guin ::: zeit wie das bücherlesen

Shevek »… also wir meinen dass die Zeit vergeht, an uns vorbeifließt. Aber was wäre, wenn wir diejenigen sind, die sich vorwärtsbewegen – von der Vergangenheit in die Zukunft … es wäre ein wenig wie das Bücherlesen … das Buch ist ganz da, gleichzeitig, zwischen den Einbänden …« Einwand, aber faktisch erleben wir alles als eine Abfolge, was soll die Theorie dann nützen? »Aber wir erleben das Universum nicht nur als Abfolge … Träumen Sie nie …? … es scheint so dass wir Zeit überhaupt nur bei Bewusstsein erleben. Ein Säugling kennt keine Zeit; er kann sich nicht von der Vergangenheit distanzieren und nicht begreifen, wie sie sich zu seiner Gegenwart verhält (→ vgl. aus der Zeit gefallen) … beim Erwachsenen funktioniert das Unbewusste noch immer so. Im Traum gibt es keine Zeit, Abfolgen gehen bunt durcheinander, und Ursache und Wirkung werden vermengt. Mythen und Legenden sind zeitlos … wenn … ein Mystiker die Verbindung zwischen seinem Verstand und seinem Unbewussten wiederherstellt, sieht er alles Werden als ein einziges Sein und versteht die ewige Wiederkehr.« Ein anderer Gast wirft ein Zitat eines alten Gelehrten ein, Tebores, achtes Jahrtausend, »das Unbewusste im Menschen ist die Entsprechung des Universums.« → vgl. das eigene innere Selbst in die Unendlichkeit des Universums projiziert, Ludwig Feuerbach, paraphrasiert

(Ursula K. le Guin, Freie Geister)

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montaigne ::: proust plus

Montaigne selbst »so entdeckt zum Beispiel ein kundiger Leser in manchen Schriften noch ganz andere Vollkommenheiten als jene die der Verfasser hineingelegt oder auch nur bemerkt hat, und gewinnt auf solche Weise dessen Werk viel reichhaltigere Aspekte und Bedeutungen ab.

Durch diese Interpretationen und Neuinterpretationen entsteht im Laufe der Jahrhunderte eine lange Kette, und sie verbindet einen Schriftsteller mit allen seinen Lesern die häufig nicht nur das Original sondern auch einander lesen … diese Fähigkeit in der inneren Welt der Leser über lange geschichtliche Zeiträume hinweg weiterzuleben macht ein Werk wie die Essais zu einem echten Klassiker. In jedem Geist wird es auf andere Weise wiedergeboren und verbindet ihn mit anderen Geistern.«

(Sarah Bakewell, Wie soll ich leben? – oder das Leben Montaignes
in einer Frage und zwanzig Antworten)

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montaigne ::: in uns allen selbst lesen

»Pascals Bemerkung »Nicht bei Montaigne, sondern in mir selbst finde ich alles, was ich dort sehe« könnte als das Mantra der gesamten nachfolgenden Wirkungsgeschichte der Essais betrachtet werden. Die Zeiten ändern sich. Jeder neue Leser entdeckt in den Essais sich selbst und fügt damit dem bisherigen Bild neue Bedeutungsnuancen hinzu.« … Malebranche »Der Verstand kann an der Lektüre eines Schriftstellers kein Vergnügen empfinden wenn er nicht seine Meinungen unterschreibt, wenn er nicht wenigstens etwas von denselben mit seinen eigenen vermischt und so dieselben dunkel und unverständlich macht.« … Montaigne, »sah sich als durch und durch gewöhnlichen Menschen … bis auf seine Angewohnheit Dinge aufzuschreiben … genau darum geht es in den Essais: wenn sich niemand in ihnen wiedererkennt, wozu sollte man sie dann lesen?«

(Sarah Bakewell, Wie soll ich leben? – oder das Leben Montaignes
in einer Frage und zwanzig Antworten)

vgl. Proust, in sich selbst lesen

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montaigne–proust ::: Bann unvermittelter Erinnerung

»kurzum, er präsentierte sich als jemand der auf einer Wolke des glückseligen Vergessens durch die Welt schwebte … (dafür konnte er aber Erlebnisse und seine inneren Gefühle, zum Beispiel wie des Reitunfalls, sehr präzise wenn auch nicht in den Details wiedergeben) … der Psychologe Dugald Stewart meinte im 19. Jahrhundert Montaignes schlechtes Gedächtnis habe ihn für diese Art der Beobachtung geradezu prädestiniert. Montaigne war empfänglich für jenes unfreiwillige Sicherinnern, das später auch Proust in Bann schlug: für den unvermittelten Einbruch der Vergangenheit in die Gegenwart, ausgelöst durch einen längst vergessenen Geschmack oder Geruch. Solche Momente scheinen nur dann möglich wenn man tief in das Meer des Vergessens eintaucht, wenn man in der richtigen Stimmung ist und über Ruhe und Muße verfügt.«

(Sarah Bakewell, Wie soll ich leben? – oder das Leben Montaignes
in einer Frage und zwanzig Antworten)

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montaigne ::: in sich selbst sehen

»… ich wende meinen Blick nach innen, und da halte ich ihn fest und lasse ihn verweilen. Jedermann schaut vor sich, ich schaue in mich hinein. Ich habe es nur mit mir selbst zu tun …«

(Sarah Bakewell, Wie soll ich leben? – oder das Leben Montaignes
in einer Frage und zwanzig Antworten)

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montaigne–florio ::: konstruktionszentren & ecken

Die ersten Ausgaben der Essais. »sie wechselten zwischen gegensätzlichen Standpunkten und flossen nicht dahin wie ein breiter, mäandernder Fluss der sich zu einem Delta verzweigt wie die späteren Essais; einige hielten sich sogar an das vorgegebene Thema«

»Montaigne selbst gibt zu dass die Titel seiner Kapitel in keinem klaren Zusammenhang zu deren Inhalt stünden: »oft bezeichnen sie ihn nur durch ein bestimmtes Merkmal.« Wenn kein logischer Zusammenhang ersichtlich sei, werde sich »in irgendeiner Ecke stets ein Wort finden.« In den Worten in der Ecke verstecken sich häufig seine interessantesten Themen. Montaigne bringt sie im Text genau da unter, wo sie den Fluss radikal unterbrechen, alles durcheinanderbringen und es dem Leser unmöglich machen der Argumentation zu folgen. … das einzig verbindende Element ist Montaigne selbst. … das Buch ist nicht nur monströs, es erhält seine Geschlossenheit einzig durch das, was bescheiden in den Hintergrund hätte treten sollen: das Subjekt Montaigne. Er ist das Gravitationszentrum der Essais …«

… sein erster Übersetzer in England, Florio, »mit weitschweifigen Widmungen die manchmal so verschnörkelt waren, dass sich selbst die Adressaten keinen Reim darauf machen konnten. … wie Montaigne konstruierte auch er immer kompliziertere Gedankengänge wie eine Spinne … während Montaigne sich immer weiter vorwärtsbewegt dreht Florio sich um sich selbst und verdichtet seine Sätze zu immer enger geführten barocken Windungen, bis sich ihr Sinn in einer komplizierten Syntax verflüchtigt. Der wirklich magische Funke entzündet sich nur dann wenn beide aufeinandertreffen: Montaigne und Florio.«

(Sarah Bakewell, Wie soll ich leben? – oder das Leben Montaignes
in einer Frage und zwanzig Antworten)

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