All them Witches | UT Connewitz | 27.10.22
Lange an-Tram durch bereits nachtdunkle Welt, erfreulich bald abgelöst durch das Ansetzen der langen Atmosphäre, Gitarrenklänge und Elektronik ohne Gesang, wie durch mehrere lange Erden hindurch. Begeben uns vor zur Bühne und finden ein lauschiges Plätzchen zum langen Stehen, bis All them Witches beginnen. Zur großen Freude die zweietagigen Tasten zumindest seitlich im Blick, gerade Linie zum Schlagzeug, und auch die Seiteninstrumentdepots sind gut einsehbar.
Die meisten Stücke sind mit einem sehr soliden Grundrauschen unterlegt, in dem die Töne aus den einzelnen Instrumentquellen nur verschwommen und wabernd zugeordnet werden können, in einem Wirbel aus Drive, Blues, und wildem Metall, das Auge sieht und hilft dem Gehör soweit es geht, elektronisches Fiedeln fügt allem weitere Aufladung hinzu, was alles zu dem sehr zufriedenen Gefühl eines einzigen genial verwobenen Gesamtklangs führt, der alles dringt wie über eine Strecke durch ein Feld heftiger Turbulenzen hindurch, und doch klingt im Inneren die Essenz jeder Melodie nach. Rückblickend kann auch kaum festgestellt werden ob bereits mit den ersten Klängen das Gehör derart ausgehebelt wurde, dass vielleicht im weiteren das Grundrauschen gar nicht mehr so stark war, sondern das dumpfe Unterwasserhörerlebnis von da an anhaltende Begleitung. Gitarre und Taste scheinen oft für kurze Momente demselben Flusslauf zu folgen, das Schlagzeug prasselt beständig, in einem der ersten Stücke vermeinen die ihrem Fokus orientierungsberaubten Ohren polyphones Trommeln auszumachen, dazwischen die wie verweht ankommenden Einflüsterungen des Sängers, schwebende Nostalgie, berauschend komplexe Verästelungen mit abrupt klaren Sequenzen in denen das Grundrauschen sich kurz zu einem distinkten Gesamtwesen vereint, um die Signatur eines Stücks in die Ohren zu hämmern, die oft eine Oase der Ruhe und süßen Stille zu sein scheinen, und tausend Gitarrenmomente. Gerade das erste der tatsächlich ruhigeren Stücke enthält das Wort Hurricane. Recht bald geht die Band abwechselnd in eine kurze Pause. Der Gitarrist spielt eine einsame berückende Weise. Der Schlagzeuger kommt wieder spielend hinzu. Auch der Gitarrist gönnt sich ein Päuschen hinter der Bühne, andere kommen zurück. Zu einem späteren Zwischenstück verzückt die e-Violine allein, mit sehr viel Hall auf einer tragenden Melodie. Aus der Gitarre werden mehrfach einzeln verzerrte Technotöne abgesetzt – war das in neuen Stücken? –, die in diesem fremden Kontext das Gehirn im Nachverfolgen aller Gehörwindungen fesseln, verirren, verwirren. Alles ist gesättigt mit Klang, Blues und in wenigen Stücken auch sehr vordergründig Jazz in den Tasten. Nebel, neue Lieder. Zur physiologischen Komponente mag noch notiert werden, dass bei den Versuchen des Sängers mit dem Publikum zu sprechen, doch eine deutliche, den Sänger scheinbar irritierende, Verzögerung in den Reaktionen ausgemacht werden konnte, die darauf hinweist dass der drohende Gehörverlust, und somit nach jedem Gesagten Zeitverzug in den Gehirnen um sich das Gehörte zu einem Ganzen zusammenzureimen, auf ganzer Breite des Publikums angeschlagen hat. Erstaunlich, sollte er nicht ahnen, dass ihn niemand simultan verstehen kann weil in den Ohrmuscheln noch das Grundrauschen nachschwingt? Wenn auch verzögert und vielleicht manchmal an den falschen Stellen eingesetzt, war der Applaus aber wohl doch, zusammen mit dem durchwegen Wippen, Hüpfen, und extatischeren Tanzbewegungen durchsetzte Gesamteindruck des Publikums zufriedenstellend. Im langen Nachhauseweg klingt abwechselnd das zarte Geräusch von Strauchschrecken mit dem Konzert blubbernd in den Ohren nach. Hr Waltes Ohren pfeifen. Meine rauschen.