Welche parallelen Empfindungen entdeckte M. Bloom kürzlich in ihrem Leben?
Nicht gänzlich, aber zum Teil, eduzieren das musikalische Werk Monster Magnets von Dave Wyndorf und das Erzählgut Ulysses von James Joyce erstaunlich ähnliche Gefühlsregungen.
Anlässlich welchen Ereignisses fand diese Entdeckung statt?
Der Besuch eines Konzerts der Band.
Ist B. Moon eine bewundernde Anhängerin der Hauptband besagten Konzerts?
So kann man das nicht sagen. Sie steht der Band ausgeprochen innerlich gespalten gegenüber.
Welcherart ist die Ähnlichkeit der erzeugten Gefühlsregungen beider Kulturprodukte?
Deren prägende Gemeinsamkeit ist das hin- und herwogen zwischen glücklich empfundener Bewunderung und argoniegeprägtem Ausharren.
Ist sie mit derart gespaltener Bewunderung vertraut?
Nein, für gewöhnlich bewundert M. uneingeschränkt und ohne Maß.
Freitag. Beschließe meine Mitreisenden nach der gestern stumm verfolgten Twin Peaks-Dokumentation gleich morgens mit der Idee zu konfrontieren in Folge des nur mäßig mit Teilnehmern bestückten Schweigetags heute einen Tag des Rückwärtssprechen zu absolvieren. Auch dies wird wie zu erwarten abgewiegelt. » Weiterlesen
Donnerstag. Tag des Schweigens. Suche nach innerem Gedankensturm und darauffolgender Ruhe. Da meine drei Mitreisenden aber beständig vor sich hin plappern, fühlt es sich eher an wie das unbeteiligte Zuschauen bei einem Kinofilm. Trotzdem: nicht uninteressant! Bin stolz darauf zahllose Pointen auf das Gesagte nicht zu äußern und genieße das Gefühl wie sie auf Nimmerwiedersehen ungesagt davontreiben.
Mittwoch, Wattwanderung. Das Watt war wieder hervorragend schlickig, auch wenn leider seit dem letzten Mal die tiefste Schlickstrecke gewegnet wurde. Feine braunschwarze Geruchspartikel umspielen die Nüstern, die Herzmuscheln beim Einbuddeln allerdings aufgrund der Kälte weitaus weniger fidel als beim letzten Mal.
Dienstag. Haben bei einem Kapitän am Hafen ein Schiff für eine Expedition zu den Seehundbänken klar gemacht. Das Wetter an diesem Tag ist hierzu geradezu herausfordernd hervorragend geeignet. Finden uns Achtern auf den Außenbänken ein, und installieren unsere Beobachtungsgeräte. Bei glitzerndem Sonnenschein legt die MS Flinthörn ab.
Montag. Auf dem Weg zum Nordstand. Begegnen diversen Vertretern anderer Spezies auf den Trottoirs. Am Strand thermische Versuche mittels Drachensteigen. Aus Frust über kaum vorhandene Steinfunde beginnen wir Boccia zu spielen. Auf dem Rückweg wird vom Abenteurer ein riesiges Steinvorkommen für uns entdeckt, das das zurückweichende Wasser freigegeben hat. Können unser plötzliches Glück mit den Händen kaum halten. Wiederum wundersame Sandformationen. Für diese erhabenen Augenblicke der bloßen Naturschau schlägt das Naturforscherherz. Und dazu diese von Brandungsaerosolen satte Luft!
Abends eingehende Analyse der gemachten Funde bis in die späte Nacht. Quintessenz: Es handelt sich um verschiedenartige Steine.
Sonntag. Ich erwache wie gewohnt früh, leider als einzige, meine Mitreisenden liegen noch in der Umarmung des Schlafs. Hatte eigentlich erwartet den unermüdlichen Institutsleiter im Aufenthaltsraum, mit seinen Aufzeichnungen beschäftigt, anzutreffen. Regen hat nachgelassen, Himmel immer noch grau doch lichtig durchsetzt, sieht noch freundlicher grau verhangen aus als gestern, Bebauung immer noch Backstein, Gartenvögel zwitschern fidel von den Büschen, nur hin und wieder fliegt das Gekrahh einer Möwe darüber. Es zieht mich zum Meer, doch die strenge und unmißverständlich verfasste Instituts-Etikette verlangt dass der erste Gang dorthin gemeinsam unternommen wird. Nähere mich fast gefährlich bereits dem ersten Forschungsziel: Untersuchungen zu Entstehung, Verlauf und sich daraus entwickelnder Auflösungsstrategien der Langeweile (österr. Fadesse) beim Homo Sapiens. Durch das Festhalten der gestrigen Anreise kann ich der Langeweile gerade noch entrinnen. Rollkoffergeräusche schieben sich in meine Aufmerksamkeit, vermeine seit Stunden nichts anderes zu hören. Was für ein Getummel. Werde wieder müde. Höre ich von hier das Meer rauschen oder entspringt dies meiner schläfrigen Phantasie? Man spricht hierbei wohl von fantastischem Gehör.
Samstag. Die Mitglieder des Institutes Göritz versammeln sich frühmorgens auf den Bahnsteigen des Leipziger Bahnhauptgebäudes. Der Wind weht bei eisiger Witterung, klirrende Kälte, doch in den Herzen der Expeditionsteilnehmer schlägt allein in wissenschaftlicher Begeisterung die Vorfreude auf die zahlreichen Entdeckungen. Die Stimmung ist gehoben. Noch weiter, weiter nach Norden, arktische Bedingungen werden unser sicherlich harren und unsere Tapferkeit einer harten Prüfung unterstellen.
An dieser Stelle ist es wohl üblich ein paar Worte über die Ausrüstung zu verlieren. Als Leichtforscher haben wir uns mit unserem Gepäck natürlich sehr zurückgehalten. Lediglich den Wagen 9 der transnordischen Eisenbahn haben wir dafür reserviert, und ganz knapp passt auch alles hinein. In unserem Gepäck befindet sich: diverse Fachliteratur, Mikroskope, die natürlich enorm empfindlich sind und dementsprechend gut gelagert und daher in mannshohe Sperrholzkisten ausgepolstert verpackt wurden, Kameras, ein Fernglas, eigene Aufzeichnungen die in Vorbereitung der Expedition getätigt wurden, der zu erwartenden Witterung gemäßes Schuhwerk und andere Bekleidung, Kompaß, Landvermessungsgeräte, und das Noob, unsere androide Quotenlebensform … und Verpflegung die uns über die lange und beschwerliche Anfahrt am Leben erhalten soll. Im Ort wollen wir uns dann neu eindecken. Der Institutsleiter hält weiter an seinem Vorhaben fest dass allein vor Ort die besten Fischernerzstiefel zu bekommen seien, jahrtausendealte Tradition und Erfahrung, und er es unsinnig findet sich mit sicherlich schlechter verarbeiteter Ware bereits auf dem Festland einzudecken.
Praeambel. Ich weiß jetzt was auf meinem Notfallschild für den Schweigetag stehen wird. Nicht Silentium, auch nicht Welttag der Stille.
Sondern: Schweigegelübde.
Vielleicht mach ich mir auch mehrere Schilder zum Durchwechseln und Austesten der verschiedenen Reaktionen.
Vorahnung. Wenn man nicht spricht werden die Stimmen im Kopf vermutlich unerträglich laut. Ein Tumult hin- und hereilender, sich gegenseitig aufwiegelnder Gedanken, eine Flut die nicht gestoppt werden kann.
Ich denke daher reden die Menschen so viel. Sie halten den Lärm in ihrem Kopf nicht aus. Flucht in die Äußerlichkeit.
zu Besuch bei Whity und Miss Pili in Santiago, 26. Juli bis 3. August
Ich kann sehr gut und ausdrucksvoll leiden. Ohne mich zu sehr hervortun zu wollen, muss ich doch kundtun dass ich prägnant, anschaulich und eindrucksvoll leiden kann. Ich lasse auch gerne andere daran teilhaben. Anderen kommt kein Laut der Klage über die Lippen und sie rühmen sich deswegen. Eifersüchtig behalten sie ihr Leid für sich. Ertappt man sie dann doch nach Tagen in ihrer Maladheit, suhlen sie sich darin sich nicht beklagt zu haben. Stoisch. Stolz. Dabei fehlt es ihnen nur an Ausdrucksvergnügen und Fantasiestärke. Herr Walte zollt mir oft indirekt Bewunderung dafür. Schon aus dem kleinsten Weh kann ich sehr viel herausholen.
Nie krank zu sein … auf Reisen
Es ist eine besondere Kunst das Meiste aus dem Leiden herauszuholen, ich möchte fast sagen, Leiden als Kunstform.
Seit einigen Jahren bieten mir Flugreisen dazu wunderbare Gelegenheit.
Ich freue mich schon auf das nächste Mal das ich alleine reise um jemand vollkommen Fremden wortlos durch mein inzwischen angehäuftes Arsenal und Ritual beeindrucken und befremden zu können.
Ein neuer Ort. Musik umgeben von grünem Geblätter und Vogelgezwitscher. In den Facebookkommentaren wird unter die Fotografie des Aufbaus die Frage gesetzt ob es sich um ein Kurkonzert handle. Und wirklich allzu reizend leicht zu verklären sieht die kleine gelb gestrichene Gebäudegruppe mit den märchenhaushaft abgerundeten Ecken und Förmchen aus, die die Kulisse für die Bühne bildet. Davor ein kleines sacht ansteigendes Halbrund mit Sitzbänken auf denen man sich ungedrängt niederlassen kann. Man hat eine abgeschiedene Welt betreten.
Es ist mehr oder minder Frühling. Die Vögel kreisen, flattern und tirilieren nach langem Warten ausgelassen um ihn herum, ekstatisch, hingebungsvoll, voll Glück durchsegeln sie die regenfrische Luft. Wilde Verehrung und Anbetung. Das Glück des Lebens kaum auszuhalten für so eine kleine Seele.
Und nicht minder möchte das Herz mit ihnen um die Bühne flattern und kreisen wenn die Musik von Einar Stray in diesem grünen Idyll bei wunderbar die Umgebung ausfüllender Akustik unter freiem Himmel erklingt.
Auf dem Weg zum Rolling Stone Weekender. Das flache Land zwischen Berlin und Hamburg liegt unterm Nebel. Baumextremitäten sind vom Rauhreif kristallisiert. Hie und da, Gelb. Tupfer. Ocker, Orange. Dann tauchen ganze Areale des Herbstes unter dem Nebel auf, Weiden in hellem grasgrün und gelb. Laubbuntbedeckter Waldboden, nadelgrüne Dunkelheit darüber, und auf allem schon der Hauch des Winters. Eine Farbe fehlt. Das Meer.
Zwischengedanke beim Anblick von kleinen weißen Säugetieren auf zugefrorenen Weiden die ich nicht erkennen konnte. Wie wäre es mit einem Bild von einer Hundeweide. Wir würde es auf einen wirken? Hunderte Hunde eingezäunt auf einer Weide. Ein Bild dafür, dass wir Hunde nicht als Futtertiere halten, und zum darüber Nachdenken warum eigentlich. Was Säugetiere und Vögel betrifft ist es in unserer Gesellschaft nicht üblich Raubtiere zu essen. Wir essen Hühner, Kühe, Schweine, Rotwild, doch wer würde einen Wolf verzehren, oder einen Hund, eine Katze, einen Geier? Als ob sie uns in ihrer Art näher wären, und daher tabu sind.
Das Feriendorf Weissenhäuser Strand. Altabgelebter Charme renoviert. Die Galerie eine üblich künstliche Einkaufspassagenlandschaft, die echtes Ambiente mit falschem Stein mimen soll. Wir sind begeistert. In der Passage tummeln sich Vinyl- und CD-Verkäufer, alle dem Durchschnittsalter und -typ der Festivalgänger angepaßt. Wir hingegen sind wieder vergleichsweise jung. Die Plattenbauunterkünfte sind von außen und in den Gängen noch staubig verfilzt, doch die Apartments innen neu hergerichtet in dunklem Laminat, und sehr geräumig. Unsere Aussicht geht über den sacht ansteigenden Deich gen Meer, doch in der ersten Etage sehen wir nur die Heerscharen an Festivalvolk die unermüdlich über den Deich pilgern. Der Nebel wird durch gelbbelaubte Birken aufgemuntert.
Nach Erkundung des Supermarkts und Erwählung des Brombeerlikörs als Getränk dieses Aufenthalts begeben wir uns in bereits frühdunkler Nacht auch kurz Richtung Meer. Aus dem Festivalzelt dringt der rockige Schlager der Tindersticks. Eine einzelne Möwe fliegt über den erleuchteten Weekenderschriftzug. Der Weg ist von Dünengras gesäumt, und der Sand fühlt sich unter den Schuhen weißpudrig an. Wir stehen in Sichtweite. Doch sehen nichts. Die Nacht und das mutmaßlich vor uns liegende Meer sind gleich schwarz. Die See liegt still unter der Seebrücke. Ich höre nichts. Ein ungewohntes Willkommen. Noch fünf Meter weiter und da hört man es endlich leise branden.