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watts ::: mit sich selbst sprechen
»… emergente Komplexität, wurde ihm klar. Das meint sie. Ein Neuron wusste nicht, ob es auf einen Geruch oder eine Sinfonie reagierte. Hirnzellen waren nicht intelligent — das waren nur Gehirne. Dabei bildeten Neuronen noch nicht einmal die unterste Ebene. Die Ursprünge des Denkens reichten tiefer, bis zu den Zeiten als noch kein vielzelliges Leben existiert hatte. Schon Kragengeißeltierchen kannten Neurotransmitter, Kaliumionenkanäle gab es bereits bei Monosiga. Ich bin eine Kolonie von Mikroben, die mit sich selbst spricht …«
(Peter Watts, Echopraxia)
Pessoa–de Campos ::: wohl über Gülpe und Umgebung
»alles wie durch den Kinematographen eines Lichtspieltheaters von der Größe des Universums, in dem man wüsste, dass, tritt man nach Ende der Vorstellung auf die Straße, kein Haus da ist in das man zurückkehren könnte … wohl aber die absolute Nacht …
… Tiefe und religiöse Einsamkeit des unendlichen Universums, gewaltige Weite, nicht breit, nicht hoch, nicht lang, reiner Raum nur, der Raum dieses schwarzblauen und gestirnten Mysteriums, in dem die Erde ein Ding ist, und die Leben wie Barkassen an der Wasseroberfläche scheinen … Sonnenstrahlen, die durch das halboffene Fenster in das Zimmer des Landhauses fallen, Mittage auf verlassenen Tennen, späte Nächte für Begegnungen an anderen Ufern, macht unser natürliches Gelingen zu einer Ruhe, einem Umhang, und senkt euch über meine Seele … ihr schlummernden, brachen Fluren, ihr ruhig durch eine Unruhe fließenden Flüsse, ihr an Nachmittagen besuchten Parkanlagen, ihr Teiche der Landgüter, ihr Kamine in Herrenhäusern, und als hechelnder Atem schwarzer Seide die Stille der Nacht.«
(Fernando Pessoa/Àlvaro de Campos, mit gepackten Koffern, in: Poesie und Prosa)
PGI Expeditionsbericht ::: Storchsternschwalbenvoll in Gülpe
Der Weg. Scheeler Blick auf Cirruswolken, verfliegen nächtens immer!, Göritz, Görtzke, Wörter gülpisieren, Backstein, grünes flaches Land, Wolkengespinste. Gülpe. Verwinkelt und gehegt, Katzen, linkerhand Bauernhof, Kindheitserinnersduft, rechts Sportplatz voller Skabiosen, in Bäumen über, unter und durch zwitschernde Jungrauchschwalben, Himmel von Rauchschwalbeneltern & Staren durchpflügt. Kühe, Kinder, Katzen, Zelt aufbauen, Gülpe erkunden, Kirchturm mit Storch, ohne Züffernblatt, zeitlos, dünne Katzen, Hühner, Tauben, immer noch Wolken, an die Havel, Kuhweiden, grüne Ruderalbekannte, Schafgarbe, Sauerampfer, Rainfarn, Ackerwinden, Vogelknöterich, und das bisher nur auf Bildern gesehene Gänsefingerkraut, nah am Fluss Nachtkerzen! Geruch vanillig/zimtig, später am Schilfpfad ein kleiner brauner Frosch, über der Havel weitere Rauchschwalben, im Schilf kleine mopsige stets hüpfende und springende Piepmätze die schwer fokussierbar und somit kaum bestimmbar sind, vielleicht Schilfrohrsänger, Informationstafel, Begrenzung auf muskelbetriebene Wasserfahrzeuge, außerdem hie und da ein Raubvogel in der Luft, zurück, am leeren Storchennest und am nicht leeren Biwakplatz vorbei, das worüber Gülpe nicht gerne spricht scheint harmlos, entzieht sich aber subtil der direkten Wahrnehmung, weitere pittoreske Häuser und Gehöfte, Zimmer voller Bücherregale, eine Bank mit Beinen aus geholzdrechselten Büchern, politische Graffitis vergessenen Inhalts, vorbei an der schwer trächtigen garfieldfarbenen Schmusekatze, zurück am Sportplatz zusammensuchen des wissenschaftlichen Instrumentariums und verlassen des Ortes gen Paray, die Dämmerung wird dunkler, leuchtende Nachtwolken, Tagvögel verstillen langsam, Fledermäuse auf Kollisionskurs, observativer Platz auf freiem Feld, warten auf Klarsicht, vorbeizüngelndes Fahrrad, Mars, Baum, Autos, Stille, plötzlicher rumsender Einschlag zwei Meter hinter uns, eine überflatternde Fledermaus, Beutetierfang?, wilde Bären?, hochschrecken, Taschenlampenblick, mehr und mehr Sterne werden sichtbar, kurze Polarstern-Desorientierung, es ist Wega aus der Leier, am Sternrad drehen, rotes Taschenlampenlicht, klamm, kalt, die Taschenlampe noch kälter, wenig erfolgreiche Fotodokumentationsversuche (Sterne sehr vergülpt), der Wagen wird endlich korrekt zugeordnet, Polarstern identifiziert, Kassiopeia, von Wega aus das Sommerdreieck aus Deneb und Atair, und mit jedem neuen immer verkühlteren Griff zur Sternscheibe neue Konstellationen gepaukt, der Adler schließlich viel besser als Rochen bezeichnet, Pegasus vielleicht, Herkules, Delphin, ein Teil des Schwans, immer wieder von vorne Uhrzeit einstellen, einsüden, anleuchten, orientieren, aufsagen, Wagen, Polarstern, Kassiopeia, Sommerdreieck, und irgendwann zumindest als feiner Schleier, die Milchstraße, und lang nachglühende, nachgülpende, Sternschnuppen … den Blick aus den Sternen aufsaugen, etwas in sich aufbewahren, erinnern an andere Sternenhimmel, irgendwann wirkt die Dämmerung, ein kurzer Kameragang aus dem Dorf, Muhen, Bauer mit Fütterungsbagger rumort, Nebel, über den Weiden, malerisch, verwunschen, wegnicken im Zelt, wach werden, ein vielstimmig brausender Vogelchor aus den Bäumen erwacht … und verstummt, rauskrabbeln, frühstücken, der Kollege berichtet vom Nebel über dem Fluss und zeigt Kormoranbilder, später Kormoranschwärme und beim Überfliegen fällt auf wie sie nur mit den Flügelspitzen leicht wippen, noch einmal an die Havel und durchs Dorf, Falter, Rauchschwalben auf den Dächern nur durchs Landen zu sehen, Katzen, die Sonne sticht mehr und mehr, Getränkevorräte verrinnen, Abschied vom Schilf, zu diversifizierende Wolkenformationen, Schleier, aber auch in den niedrigen farblos leuchtenden Wolkenbänken dunklere Areale, aufgeribbelt, getupft, verwischt, Halt am Gülpener See, Wildgänse, Wald, weiter, Badesee in Wassersuppe, grüner Schleimteppich (cyanobakteriell). Heimweg, gleißendem Wolkenhimmel, lentikulare Untertassen. Gülpifiziert. Reserveenergie verbraucht. Nachti Nachti!
m.o.n.d. ::: stellares Leuchten eines anderen Mondes
»… das grelle Gleißen der Neonlampe draußen das Schlafzimmer in ein kaltes, bläuliches Licht tauchte. Wie ein Wintermond. Oder irgendein anderer Mond. Das Licht hatte etwas Stellares, Fremdartiges, mit dem er sich wohl zu lernen gefühlt hatte.«
(Cormac McCarthy, kein Land für alte Männer)
Wissenschaftsvokabular ::: visuell untersuchen
»… zuerst habe ich es visuell untersucht. – Du hast es dir angesehen … du könntest einfach sagen: ich habe es mir angesehen.«
(Andy Weir, Artemis)
Trockenrunde ::: i want my water back …
I want my [water] back. I’m down here drowning … You got me on my knees praying for everything you lack.
(adapted from Saul Williams, list of demands)
Stillleben & Blüten ::: phänomenologisches no-go der Kunst
Wider das Reizende in der Kunst …
»Die eine, recht niedrige, im Stillleben der Niederländer, wenn es sich dahin verirrt, daß die dargestellten Gegenstände Eßwaaren sind, die durch ihre täuschende Darstellung nothwendig den Appetit darauf erregen, welches eben eine Aufregung des Willens ist, die jeder ästhetischen Kontemplation des Gegenstandes ein Ende macht. Gemaltes Obst ist noch zulässig, da es als weitere Entwickelung der Blume und durch Form und Farbe als ein schönes Naturprodukt sich darbietet, ohne daß man geradezu genöthigt ist, an seine Eßbarkeit zu denken; aber leider finden wir oft, mit täuschender Natürlichkeit, aufgetischte und zubereitete Speisen, Austern, Heringe, Seekrebse, Butterbrod, Bier, Wein u. s. w., was ganz verwerflich ist.«
(Arthur Schopenhauer, die Welt als Wille und Vorstellung,
in: Michel Houellebecq, in Schopenhauers Gegenwart)
Traumthesen ::: verändern, ohne Vorwarnung verschwinden, zufällig zusammensetzen & auflösen
»Fast jede Nacht unseres Lebens durchlaufen wir eine erstaunliche Metamorphose. Unser Gehirn verändert sein Verhalten und seine Bestimmung grundlegend. Es fährt unser Bewusstsein herunter. … Wir schlafen. … Träumen sei ein psychotischer Zustand … wir glauben fest daran dass wir etwas sehen, das nicht da ist. Wir akzeptieren dass Zeit, Ort und sogar Menschen sich verwandeln und ohne Vorwarnung verschwinden können. … Träume entstünden aus dem chaotischen Feuern der Neuronen und hätten, selbst wenn sie voller Emotionen sind, keine Bedeutung. Erst wenn wir aufwachen, setzt das bewusste Gehirn auf der Suche nach Bedeutung aus Einzelteilen rasch ein zufälliges Ganzes zusammen … [vs] … Träumen ist Teil eines gewachsenen Mechanismus … mit dessen Hilfe werden die umfassende Bedeutung neuer Informationen und deren künftige Nützlichkeit eingeschätzt. … im Gehirn während des REM-Schlafs nicht mehr die Regionen der Logik und Impuls-Kontrolle das Zepter führen. Die Produktion zweier Chemikalien, Serotonin und Noradrenalin, wird blockiert. Beide sind wichtige Neurotransmitter, durch die die Zellen kommunizieren. Ohne sie ist unsere Fähigkeit zu lernen und zu erinnern stark beeinträchtigt – wir befinden uns in einem chemisch veränderten Bewusstseinszustand. Doch es ist kein komagleicher Zustand wie im Tiefschlaf. Unser Gehirn ist sehr aktiv und schluckt ebensoviel Energie wie im Wachzustand. … wenn wir natürlich schlafen, also ohne Wecker, beendet der letzte Traum oft unseren Schlaf. … wenn Licht durch unsere Augenlider die Retina berührt, wir ein Signal an eine tiefe Hirnregion gesendet, den Nucleus suprachiasmaticus. Das ist bei vielen Menschen der Zeitpunkt, an dem sich der letzte Traum auflöst. Sie öffnen die Augen und befinden sich wieder im wirklichen Leben.«
(Michael Finkel, Der gute Schlaf, in: NG 18/08)
gehirn ::: sich selbst aktivieren
»Wenn wir wach sind, ist das Gehirn voll beschäftigt – es muss diese vielen Gliedmaßen kontrollieren, ständig irgendwohin fahren, einkaufen und simsen und sprechen, Geld verdienen, Kinder erziehen.«
… na und, und mein träumendes Gehirn ist wohl nicht voll beschäftigt?
»Doch wenn wir schlafen und in die REM-Phasen eintreten, kann dieses raffinierteste und komplexeste Werkzeug der Welt endlich tun, was ihm gefällt. Das Gehirn aktiviert sich selbst. Es träumt.«
(Michael Finkel, Der gute Schlaf, in: NG 18/08)
Pessoa–de Campos ::: stehender Goldstaub am Saum der Sichtbarkeit
»Klarer Fanfarenklang des Morgens hinten, am kalten Halbkreis des Horizonts, zarter Fanfarenklang, fern wie ungewisse Fahnen, entfaltet jenseits sichtbarer Farben … stehender Staub, dort wo die Nacht endet, stehender Goldstaub am Saum der Sichtbarkeit …«
(Fernando Pessoa/Àlvaro de Campos, Vom Vergehen der Stunden, in: Poesie und Prosa)
PGI Expeditionsbericht ::: mondsichtig
Acht Wochen Trockenheit, am Abend der Mondfinsternis Wolkenbruch um 19:00. Hoffnung und Zuversicht hochhalten, es war ohnehin viel zu warm. Ha, es klart auf!
Vorabend, auf Mondsuche, ein anderes interessantes Himmelsphänomen lenkt ab, am Gegenhorizont ist eine Spiegelung der Sonne zu sehen, habe ich davon nicht schon einmal gelesen, wie hieß das doch gleich, … huch, ahahaaa, das ist Er ja, der Mond! Ja, das sieht nach hervorragenden Bedingungen aus! Glasklar steht er am Himmel. Wie durchsichtig. Wie … Wie … Wie gerade noch erahnbar! Das lässt Großes für Morgen hoffen!
Der Weg zum Beobachtungsplatz. Die gegenüberliegende Flussseite, malerisch in Dunst und Abendfarben getaucht, immerhin hierfür wird sich das Verlassen der Wohnung gelohnt haben.
PGI am Palmengarten in der Mondnacht. Mücken. Wehrlosigkeit beim Halten von Langzeitbelichtungen. Flusskrokodile. Der Fluss wie Morast, ein Sumpf, Geruch wie am Meer, modrig, Seemonster werden heraufbeschworen. Musikmarodierende Jugendliche ziehen durch die nächtliche Parklandschaft. Wie gestern zeigt sich der Mond wiederum so klar konturiert und umrissen, überdeutlich klar prangt er am Himmel, so …, so …, so transparent! Nur keine Enttäuschung anmerken lassen. Ereignissen von astronomischer Größe kann mit ausreichend Phantasiewillen immer angemessene würde- wie weihevolle Aufmerksamkeit gezollt werden. Mag er auch so gut wie vollkommen verborgen in nicht direkt als Masse erkennbaren, sondern nur indirekt dadurch dass sie den Mond diffus verschleiern, Wolken sein, nur leicht rosa getönt, ein Schimmern, aber die ganze Szenerie, überhaupt nach einem Regenschauer abends hier im Park, wenige Mitmondsichtige die sich auch den Palmengarten oder oben die Brücke als Beobachtungsplatz ausgesucht haben, das ist doch schon etwas aus dem Alltag Enthebendes! So witzeln wir nur kurz, dann hätten wir ihn ja nun gesehen, und können wieder gehen, und schlagen unser Beobachtungscamp auf den Stufen auf.
Es wird dunkler, der verfinsterte Schattenmond sichtbarer. Und unter dem marsscheinendem Mond der eigentliche, von Sandstürmen noch lichter angefachte Mars, wie an einem Pendel unter ihm schwingend.
Es wird dunkler, und der Mond kontrastreicher, irgendwann stippt er mehr und mehr aus den niedriger liegenden Wolken heraus, und zeigt sein marsrot verdunkeltes Selbst, der Kollege weist darauf hin, es wäre beinahe als wäre nun der Mars unser erdnaher Trabant, der inzwischen auch als leuchtend rot strahlender Punkt wie an einem ausschwingenden Pendel unter dem Mond hängend zu sehen ist. Der Kollege referiert weiter über die dort gerade tobenden Sandstürme. Die ISS quert den Himmel. Vor dem Marsaufgang noch ist weiter rechts Jupiter als buttrig leuchtende Kugel am Himmel zu sehen. Wirkungen auf frühere Menschen, ohne den Schutz der erklärenden Wissenschaft werden nachempfunden, und so relativ schnell zeigt sich nun doch das Verlassen des Mondes aus dem Erdkernschatten, dass auch klar ist, wie wirkungsvoll und zwingend logisch die entsprechenden Opfergaben erschienen sein müssen.
Verzweiflungserfahrungen mit den Kameras, nicht anspringender manueller Fokus, oder wenn er beim einen anspringt, findet man aufgrund mangelnder Lichtstärke des zu dunklen Mondes keinen Ansatzpunkt, als mein manueller Fokus endlich aktiviert, ist der Bildschirm so bunt rot schwarz blau kriselnd, und der Mond erscheint, so man ihn findet, als einzige Pixelkugel — in Wahnsinn getauchtes Auflachen — dass eine Scharfstellung vollkommen unmöglich ist. Dafür Freude an zufällig zu interessanten Bildern geglückten Verwacklungen.
Und dann der großartige und weitere Albernheiten und Witzeleien, überreizten Wahnsinn generierende Moment, als die Sonne einen sichelförmigen Teil des Mondes wieder direkt berührt …
… unglaublich wie hell, strahlend, dieses Licht, und so ist er normalerweise immer? Schon während der Kernschatten wohl nicht mehr auf ihn fiel, die Nuancen in denen sich die Mondfarbe wandelt, seine kontrastgebenden Strukturen wieder klarer werden, er nicht mehr wie eine verschwommene Nuss, Keks, oder Mikrobe am Himmel aussieht, durchaus zauberhaft. Eine Weile schimmert er wie cremiges Perlmutt. …
… und nun die Sichel, und der Kollege ruft, er sieht aus wie ein am Himmel hängender Augapfel! Wir ticken kurz vollkommen aus aufgrund dieser so großartig plastischen und vor allem das zu Sehende exakt und treffend beschreibenden Eingebung. Da hängt ein riesiger Augapfel am Himmel und glotzt! Mit blutversorgender Äderung und allem.
Und was nun aber auch immer klarer wird, man sieht es wirklich, die Dimension dessen was man eigentlich sieht, wie der Schatten der Erde nicht mehr vollkommen auf den Mond trifft, wie sich der Mond langsam daraus heraus schiebt, man sieht und begreift wirklich: es ist der Erdschatten. Wann wirft man schonmal so einen großen Schatten auf irgendwas? Wir, die Erde. Und später als nur noch ein kleines Stückchen vom Schatten herausgenagt ist, die Überlegung, wer ist denn das jetzt noch? Asien? China? Versuchen wieder Erde, Konstellation, Sonne und Mond in unserem Gehirn als Modell entstehen zu lassen, und es ist beinahe unmöglich, nur verschwommen möglich, die Dimensionen sind zu groß, als dass das Modell im Gehirn aufgebaut und gehalten werden könnte.
Begleitend die Freude dass man aufgrund der Witterungsverhältnisse nicht mehr geglaubt hätte das Spektakel so berauschend sehen zu können. Acht Wochen Trockenheit und in dieser Nacht Wolkenbruch! Doch dadurch auch so viel stimmungsvoller, mythischer, mystischer, zumal das Wehr draculesk unter Mond und Mars illuminiert ist.
Und dann sieht Hr. Görlt die wieder leuchtende Sichel mit Strahleneffekt, und ich gebe meiner Beobachtung Raum dass ich mit Brille zwar nicht randscharf sehe, aber die Sichel als Form doch nur leicht versetzt durch all die h2o-Moleküle über sich selbst hinaus zu strahlen scheint, doch ohne Brille, wie ein Star Trek Emblem, die Sichel ist mehrmals versetzt übereinander gepatcht, mindestens fünf- bis sechsmal, schade dass die Kamera nicht so sehen kann, wie man selbst. Dafür fotografiere ich derweil Zini-Monde, und vollkommen verworrene Blupse.
Unser Mond wird wieder heller und heller, so hell wie sonst, aber im Vergleich zu den vergangene Stunden wirkt er so hell leuchtend wie nie, und seine Farbe nicht silbrig wie sonst, sondern sonnengelblich, man sieht und staunt, ganz rechts noch ein winziger Hauch von Schatten, nicht einmal mehr scharf umrissen, es ist, als hätte man den Mond noch nie gesehen. Erde und Luft nachtkühl und voll tauer Feuchtigkeit, die Nacht zwar nicht wirklich dunkel, aber doch nachtblau, und über den beiden Bäumen so malerisch, übernatürlich der wieder erleuchtete Mond und sein »kleiner« Kompagnon der Mars, wie eine Erinnerung an die Mondfarbe der vergangenen Stunden.
Durchaus, so etwas sieht man nicht alle Nächte, mehr als gelohnt dafür die vertraute Freitagabendroutine aufgegeben zu haben, raus, all die Stimmungswechsel von übersteigerter Erwartung, transparenter Ernüchterung (das Gefühl vor diesem beinahe nicht zu sehenden Mond, es bringt das Erleben der letzten Sonnenfinsternis wieder), und zunehmender Spektakularität bis hin zu kirrem Wahnsinn und Ehrfurcht, raus, in den von partysierenden Jugendlichen dominierten Park, wo doch die Erinnerung im Vorfeld, auf das was man sehen und wie es sein wird, immer eine so wissenschaftlich feierliche Atmosphäre aufweist. Und der faszinierte Zauber für das was man sieht, dass man etwas im galaktischen Maßstab des Sonnensystems tatsächlich beobachten und erleben kann, teilhaben kann, natürlich kann man ja immer, aber dadurch dass eine Veränderung in der Zeitspanne weniger Stunden in der Nacht mit verfolgt werden kann, wird es so viel deutlicher, wie diese Felsen in der Weite des Alls hängen, und sich umeinander drehen.
Noch vollkommen von dem was ich gesehen habe erfüllt und bezaubert, (aufgedreht, überdreht, überreizt), dieses Ereignis, außerhalb des Erdalltags, außerhalb des menschlichen Alltags. Es wurde wie zu Anfang nicht gedacht, doch viel zufriedenstellender als die letzte Sonnenfinsternis.
Das Gefühl zu dem was in dieser Nacht auf der Leinwand des Himmels sehen konnte, ist vielleicht am besten zu beschreiben, wie der wieder erleuchtete Mond selbst, genauso fühlt es sich an, wie eine in schimmrigen Wasserdunst cremeweiß strahlende Lichtscheibe, und durch das Fernglas macht man in dieser Farbe Nuancen aus, sieht die Mare, und die Berge, vermeint verschiedene Steinfarben auszumachen, und ein bisschen fühlt es sich auch an, wie eine kleine Kindermurmel, eine wunderschöne Murmel die am Himmel hängt und einen auf einfache Weise glücklich macht, ein glitzerndes Juwel für die Erinnerung.
Noch vollkommen durchzogen, durchschliert und angefüllt, mondsichtig. Der Hr. Kollege erwähnte übrigens dass dieses Wort ihm wie ein Virus scheint, dass seitdem er es hörte durch sein ganzes Gehirn geht, und jedes Vorkommen des Wortes mondsüchtig durch mondsichtig ersetzt.
… viele weitere Umdrehungen könnten hier niedergeschrieben werden, nie endend, besser bekomme ich dieses beglückte Gefühl wohl doch nicht zu fassen, dieses unmittelbare Wahrnehmen unseres Sonnensystems auf nächtlicher Erde. Diese Besonderheit des Augenblicks. Diese Magie … [fade out]
Googlebildsuche liefert auf sehr zufriedenstellende Weise durchaus viele Bilder, die die Färbungen und verschiedenen Phasen der Finsternis wirklich so zeigen, wie man es im Fernglas gesehen hat. Vor allem die Farben, hach, oh nein, es geht schon wieder los … [fade fade out] … und für Leipzig sieht man zwei ähnlich dilettantisch ernüchternde Versuche diesen in der Luftfeuchtigkeit verschwommenen Blobs abzulichten. [out]