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Filmrunde ::: Royal Cinema, private communication

… Zeit für eine kleine Reise in die Vergangenheit? Die Allgemeine, und auch die Eigene? … Doku erzählen, die wir gestern im Kinostern premieristisch, mit Q&A des Regisseurs im Anschluss, bereist haben. In der anschließenden Fragerunde geht auf, dass die Doku wohl bislang nur den rumänischen Royals gezeigt wurde. Margareta, im Anschluss vom Regisseur gefragt wie sie die Doku fand, äußerte sich in etwa mit: machtvolle Eindrücke, doch sie sei sich nicht sicher ob sie gut oder schlecht für sie wäre.

Die Reise war ruckelnd und sehr laut, das kann ich Dir sagen, so ein alter Zug (alter Hut?) ist keine Magnetschwebebahn, es wurde gehupt, gequietscht, getrötet und sehr viel Nationalhymne gesungen. Geschraubt und Gehämmert. Doch der Zug durchaus noch schmuck, auch wenn man es da ganz mit der charmanten, in falscher Liebenswürdigkeit zuckersüß lächelnden Bahnangestellten halten mag, die der begeisterten Anhängerin die die Durchfahrt und den Jubelhalt plant, erklärt, ja, es ist ja gut und schön, dass es die königliche Familie ist, das respektiere sie ja auch, aber Vergangenheit sei nunmal Vergangenheit. Selten haben ich ein aufreibenderes Duell gesehen, kein Western kann da mithalten, wie zwischen diesen beiden Frauen das Lächeln hin und herschießt, und jede weicht von ihrem Standpunkt nicht ab, verteidigt ihn beharrlich und unabrückbar. Die Familie könne ja auch weiter hinten am Bahnhof halten und aussteigen.

Doch, wie der Regisseur auch nachher bedauerte, solche Positionen hat er kaum gefunden, und so wird in nüchtern der Skurrilität Raum gebenden Manier die Hr. Walte an Wes Anderson erinnerte all das beobachtet, was sich rund um die Performance der Royals so abspielt, die Verkleidungen, Uniformen, mit allerlei Gekordel und silbernen Gebamsel verziert, Hüte, Trachten mit Gärten auf dem Kopf — wie es die Hüterin der Krone meines Erachtens mit mangelnden Respekt später beim Betrachten der Fotos der Royal Train-Kampagne bezeichnet –, Ritterrüstungen, das Ausrollen der roten Teppiche an den Bahnhöfen mit unterschiedlichem Professionalitätsgrad, einer vom Organisationskomitee bemängelt der Teppich müsse noch festgenagelt oder geklebt werden, sonst wehe er ja weg, einer der Einheimischen zuckt daraufhin in universeller Geste gekonnt mit einem leichten Anheben der Arme mit den Schultern, er habe weder Hammer noch Klebeband, und man denkt sich, na, daran hätte jemand mit Organisationssalär ja auch mal vorher denken können, die so hochmoderne Marketingmaschinerie die das Produkt Monarchie neu bewirbt, mit Flyern, Give Aways, Bildbänden, Fotografien, königlichen Hoflieferantenurkunden die zeremoniell verliehen werden, vor Schulklassen, alle Damen im Dunstkreis dieser anderen Welt, die weiter weg von den Bahnhöfen, und mehr in den Weinverkostungen, Verleihungen, Kirchen und Schlössern, Flughäfen und Parlamenten spielen, sehr hochhackig, Hausangestellte die immerzu Staub wedeln, oder auch mit einer Teppichfransenbürste selbige Fransen kämmen, akribisch auszurichtende Gedecke auf langen Tischen, und Faszination in welch engem Gedränge die Bewirtung im Zug gelingt, unfassbar dass beim Tellerabtragen keine Soßenreste auf die Gäste schwappen, die Organisationsteams dieses Unternehmens Monarchie wie aus dem Businessbilderbuch geschnitten, in Besprechungsräumen, an Bildschirmen, die Fotos mit den besten Wirkungen für die Presse heraussuchend, dazwischen immer wieder der sympathisch, doch nicht nachvollziehbar königsbegeisterte junge Archivar Adrian, Geschichtlichkeit allein mag es eigentlich nicht zu erklären, der alte Kultobjekte der verflossenen Monarchie in Buchhandlungen und Privatwohnungen zusammensucht, den Besitzern aber dadurch auch ein warmes Gefühl gibt, denn jemand interessiert sich für das, was ihnen auch schon so lange so wichtig ist, der in alten Wohnungen, Kellern und Werkstädten rumkraucht, und irgendwann zu einem weiteren Höhepunkt führend, der Kronprinz, der aussieht als wäre er der Bruder von David Lynch, was den verwirrend beklemmenden faszinierend verwundernden fremdartigen Eindruck des ganzen Geschehens sehr erhöht, reist zur Einweihung einer Büste auf einem Dorfplatz, alle sind wieder traditionell herausgeputzt, Blaskapelle in historischer Uniform aber spiegelnden Sonnengläsern, und das Priesterteam, einer davon besonders bärtig, das bei der Messe irgendwie unkoordiniert wild durcheinanderspricht, huch, wir haben die Weihung vergessen, also schnell den großen Weihwasserkessel geschnappt, einmal um die Statue herum, und dann noch die Menge weihen, und sowas, ich sage Dir, mit all meiner römisch katholischen Dorfvergangenheit, so etwas habe ich noch nicht gesehen, mit einem monströs überdimensionierten Weihwasserstreuwedel schöpft er aus dem Vollen um die Menge zu besprenkeln, wo in bayrischen Landen nur so ein bisschen Wischiwaschi der Weihwasserwedel zaghaft in die Menge geschwungen wird, da wird hier die Sintflut nachempfunden, ich habe gerade noch Zeit zu denken, huch die ganzen Brillenträger, werden ja über und über nass gepritscht, da nimmt auch schon der Geistesgegenwärtigste, vermutlich Erfahrenste von ihnen, seine Brille hektisch ab – ein fulminantes Spektakel! Und ich kann mir vorstellen dass manch junger Knabe da gerne auch das Kirchenamt als Berufswunsch ins Auge visiert, wenn man da ohne dass jemand etwas dagegen sagen kann, Menschen so durchwässern und bespritzen darf.

Und weiter und immer mal wieder rattert der Zug durch weite wie verlorene Landschaften, die als Gegensatz zu den prunkvollen Interieurs und Außen der situierteren Gebäude gezeigt werden, der Blick wird einmal von einer Widescreenaufnahme des rumänischen Parlaments völlig hinweggefegt, bis er in die Nacht rattert und in den Abspann hinein. …

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Brutus | 17.9.19 | Naumanns

»… Brutus, wann sehen wir uns wieder?«
(2018)

Es ist durchaus warm, immer noch, im Naumanns. Die zu Beginn hinter Hr. Walte quatschenden Bewunderer schwärmen im zweiten Song pogend nach vorne, und drängen dadurch den sichtversperrenden Schrank ab. Situatives Glück. Und die Musik? So berauschend wie eh … melodisch, intensiv, trommelnd, zauberhaft, die superschnellen Melodien aus der Gitarre, der wummende Bass, und die Melodien aus der Stimme – Seligkeit leuchtet hell auf allen Gesichtern. … die schiere Energie die einen durch den Abend staunend vorantreibt und äußert zufrieden, vergnügt und berührt in die bereit stehende Bahn springen lässt!

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Jonathan Bree | 10.09.19 | UT Connewitz

»… schon allein optisch bemerkenswert …«
(Hr. Walte, private communication)

Auf der Konzertseite des Lebens ist der Abendhimmel wunderschön blau, es ist nicht heiß, und das erst so leere UT füllt sich wie stets.

Der Vorkünstler, Ryder the Eagle, der »dirty crooner«, scheint eine Parallelinkarnation von Helge zu sein, persifliert sich mit großer Mimik durch die Schmachtfünfziger und begeistert durch Kostüm, überbetonte Tanzbewegungen und Stills. Witzig.

»… in Cowboy-Kostüm gekleidet, schmachtete zu vom iPad abgespielter Schlagermusik, warf sich in diverse dramatische Posen, tanzte expressionistisch und ekstatisch und kletterte als Höhepunkt der spektakulären Darbietung mit entblößten Oberkörper auf den Tresen der UT-Bar und sang von dort aus das Publikum an. Wellen der Irritation, Begeisterung und Fremdscham schwappten abwechselnd durchs Publikum«

Zeit für den Bree’schen Mummenschanz, seinen beiden requisiten Damen – vom weißen Hütchen bis zur Rüschenbluse piourettierend wie aus einem englischen Romantikfilm in Zeit des frühen 19. Jahrhunderts gefallen, die noch berüschte Hotpants schlagen das Zeitenrad zum High Heels-Stiefel-Look und Aerobic-Bewegungen der 60er –, Schlagzeuger und den in der Ferne dieser wabernden Zeitblase noch vage zu sehenden Gitarristen, allen das Gesicht unter weißem Tuch verborgen, Herr Bree selbst kontrastierend statuesk während er mit tiefrunder Stimme seine Welt singt, und so die Bühne in einen bizarren Schleier taucht.
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La Dispute | 7.07.19 | Conne Island

Wer braucht schon ein Mikrofon?

Addendum zu La Dispute 2015. Alle Beobachtungen, und darauf beruhenden Analysen und Thesen dort konnten durch die Wiederholung des Versuchsaufbaus umfänglich bestätigt werden.

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Bloc Party | 25.06.19 | Parkbühne

Abays Postband Razz ist diesmal Vorband. Sehr vernünftiger 00-Jahre-Retro, Reminiszenzen an Interpol et al.

Die erwartende Spannung. Das Publikum in der Zwischenpause ist trotz alles belegender Hitze hibbelig, die eine Hälfte hüpft immer mal wieder auf und ab, die andere wippt mit einem Bein. Und irgendwann ist es soweit, Bloc Party in halber damaliger Besetzung, neuen, vermutlich nicht mehr ganz neuen Bassisten und Schlagzeugerin betreten die Bühne. Beginnen mit einem der ruhigeren Lieder, unklar ob der Sound sich noch einspielen muss, oder nein, oder doch, Änderungen an den Arrangements vorgenommen wurden. Hie und da Abzweigungen in der history lane genommen werden. Hr. Walte berichtet aus späterem Forenstudium von der überzeugenden Vermutung das Album sei rückläufig abgespielt worden. So beginnen wir mit two more years, treiben über little thoughts und compliments* weiter zurück, und immer weiter zurück und entdecken das nie Vergessene neu. Die übereinander und oftmals auf so schwer nachvollziehbare Weise ineinandergehenden Layers der Songs treiben durch die mit Mückenspray durchsetzte Sirupluft wie verlangsamt auf einen zu, während einen das Grün der umstehenden Bäume umringt, und den Blick immer mal wieder abfängt. Und man kann sich eine Weile vollauf damit beschäftigen diesen so speziellen Bloc Party-Effekt auszuloten, den man immer unbewusst mitfühlt, wann immer man an ihre Musik denkt, aber live nochmal neu, unmittelbar und intensiv wahrnimmt, und die besondere Schönheit ihrer Musik ausmacht.

Die verschiedenen Lagen sind durchsichtig, die Songs haben immer, bei allen harten Einschlägen und Schrammen, etwas darüber und darunter und alles umgebendes schwebend Ätherisches, durch das der besondere Drive von Bloc Party gleitend hindurchmanövriert, die Beschleunigung zwischen vollkommener Ruhe und Geschwindigkeit, Brüche, Abruptheit, sie mögen sich direkt aus dem Herzschlag und Lebensgefühl von Kele Okereke speisen. In ihm und den Liedern von Bloc Party scheint eine nahezu Gleichzeitigkeit an unterschiedlichen Stimmungen zu existieren. Ein stetes Flimmern zwischen Hektik und Ruhe. Silent & Alarm.
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Altin Gün | 30.5.19 | UT Connewitz

Jetzt, gerade damals spielt eine psychodelic Rock Band in den 70ern, die alle Klänge des immer ferneren Ostens gierend aufnimmt bis sie in der Sonne Kaliforniens verweilt, und hier, gerade hier, hören wir diese Musik durch all die Jahrzehnte hindurch, sie kommt auf uns zu und klingt durch akustische Verschiebungen über diese lange zeitliche Distanz verzerrt und gekrümmt an uns heran. Das Publikum ist weitaus bunter als gewöhnlich, und vielleicht auch als damals. Lockerer. Wilder. Entspannter. Lebendiger. Diese besonders tief quietschigen Klänge aus den Tasten sind schiefer und verzückender. Ein aufgeräumter Rasselständer neben dem zweiten Trommler ordentlicher. Der Lauf der Melodie auf der Saz komplizierter und verschränkter. Und das erste Lied der Zugabe wie ein zusätzlicher Fehler im Raumzeitkontinuum, erinnert an sphärisch verklärte Musik aus dem Norden. Und dann tänzelt die Musik wieder in Richtung Mittelmeer und schrammenden Postrock, nur ein wenig, beschleunigt, verzerrt sich dadurch noch ein Stückchen mehr, und das Herz ist genau darin. Genau darin ist das Herz.*
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Esben and the Witch | 7.02.19 | UT Connewitz

Vorband nyos. Alles vibreatiert. Exaltiert fröhliche rasant angezupfte Surfweisen kollidieren endlos geloopt mit Punkmetallwänden, blue suede dancing shoes und wild trommelnden baren Socken. Alles loopt.

Esben. Mondnachtrunde Stimme. Alles ist leicht und zugleich unter Spannung. Alleinstehende Gitarrengodspeedmomente. Der essentielle base der Sängerin manchmal in diesem beinahe hohl, blechern klingenden Effekt. Klangschalenbleche und anderer Klangzauber am Schlagzeug. Das Bewusstsein wiegt im glücklichen Dämmerzustand und treibt in nebelige unirdische Ferne. Und eilt zurück auf einem schlagenden, schwirrenden, flirrenden, hämmernden und lautrauschenden Teppich aus Beat. Ein Lied am Ende, sie ohne Gitarre, singend, die Lippen des Schlagzeugers singen wie verloren mit, das Publikum schwebt wie verloren mit …

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Matze Rossi ::: Chuck Ragan | 12.12.18 | UT Connewitz

Matze Rossi. Die Kunst einfache Worte, Weisheiten des privaten Lebens zum Glücklichsein, Familie und Freunde, und das eigene Selbst als Gegenüber, zu runden Texten und Liedern ineinander und zusammenfließen zu lassen. Die Kunst für alle im Publikum ein Freund auf der Bühne zu sein. Texte, Melodien und eine Stimme, die einen Aufheben. Humor und Lebensfreude. Entscheidungen und Traurigkeit. Zum vierzigsten im Spiegel, sich selbst vehement verbietend nun mit irgendwelchem hätte-ich-nur zu kommen. Ein Manifest wie seine Beerdigung zu feiern ist. … und das Lied, geschrieben für seinen Freund als dieser in Chemotherapie war, All for one, best friends, es scheint Chuck und Todd überraschen ihn indem sie auf die Bühne kommen um den Refrain mit ihm zusammen zu singen … stellvertretend.

How do one seize the slippery past?* Sicher ist dass man vieles der Sache nach noch weiß, doch nicht mehr darin sein kann, wie es war es zu erleben. So ist es auch immer wieder ein neues Erleben, wenn einem die Stimme von Chuck Ragan auf einem Konzert von neuem um die Ohren fliegt. Und die Texte und Gedanken in den Verstand.

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Nada Surf – Let go & Nada Surf | 13.11.18 | Täubchenthal

sich selbst eröffnen

Jedes Album spannt einen Raum auf. Manche sind verworrene Traumräume. Orientierungslos, wenn auch nicht notwendigerweise unzufrieden deswegen, treibt man hindurch. Manche bilden ein Ganzes. Manche fühlen sich an wie ein zu Hause. Es sind Räume die man normalerweise mit seinem Inneren aufsucht. Und dann kann man die Let Go an einem Abend mit seinem ganzen Sein betreten, nicht nur mit dem Geist.

what it’s like, in the inside of … let go

Wir sind in der Let go. Der erste Raum in gedämmten Licht, Blizzard, beginnt allein im Dreigesang. Weitere Räume durch die nur selten, doch wohl gesetzt Zerrgeräusche flattern. Überwiegend fein säuberlich aufeinander gelegte Gesangslinien, Gitarrenwände in Regalen. Überall begleitet einen freundlicher und alle Lebenslagen verstehender Gesang. Ein Tisch über dem Fruchtfliegen kreisen, schlechtes Fernsehen, Zeit vergehen lassen. Sie sind voller Utensilien aus denen Alltag besteht, und so vertraut wie die Requisiten umgibt einen die Musik. Magie des Alltags. Das French room. Zwischen der sprühenden Lebensenergie mancher Tage, voller Gitarrenfunken und antreibendem Beat, und der verschlafenen Melancholie anderer. Regentage. Tage die zur Decke sprechen. Vorbeitreibende Satzfragmente wie an Fensterglas abperlende Tropfen aus denen sich eigene Räume spinnen lassen, erfüllt von bedeutenden Worten und magischen Momenten, die auf besondere Weise aus der Verbindung dieser Worte und der Musik entstehen, und aus Erfahrungen die uns allen gemeinsam sind.

left some food wrapped up in a plastic bag on the kitchen table way too long
i sat down to eat next to the bag i was too tired to throw it out
i saw a swarm of fruit flies i took the bag downstairs
when i came back they were still there
flying jerky patterns like snowflakes in the air
i’m sorry you’ve got nowhere to go

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Abay | 25.10.18 | Werk II

The Polish Club. Rock’n'Soul & Punk in schneller scheppernder Taktung aus Australien.

Sehr schön getanzt, Güllener!

Abay. Episch, und viel zu kurz. Raumfüllend, Musik die in die Weite geht, ganz nach oben fliegt, und in das Selbst. Und in die konzertgelebte Erinnerung, ins Naumanns. Andere zerstören Songs bisweilen mit Gitarreneinschlägen und Schlagzeugrauschen, hin und wieder zerschreddern Abay wummernde postrock-Arrangements indem sie Leichtigkeit in die Songs hineinfallen lassen. Space Cold. Ja, Weltraum war auch viel. Hinter jeder Biegung, jedem Moment andere Genre, Einflüsse, Referenzen, Zitate, Postcore, Rockover, Swingpop, Indiegaze. Der Gesang der Stücke aus dem alten Album auch im Dreiklang unterlegt sehr fein. Stücke von denen eine seltsame Geborgenheit ausgeht. Marching Drums, Spannungsenergie, nicht zutreffende Erinnerung an black parade. Für ein Lied außerhalb der Verstärkung gesungen. Zu Beginn. Dirigierend. Leicht. Erhaben. Pathetisch. Verspielt. Ein bisschen emotionale Ergriffenheit bitte. Alles … abay. Das Draußen nieselt.

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Jaye Jayle ::: Emma Ruth Rundle | 18.10.18 | UT Connewitz

JJ. Polternd dumpfer Einsatz, sirenschwirrender darauf folgender Sound, porzellanklarklingende Klänge die gleichwohl über der Bühne zerwabern, schmirgeln, zerfließen und übereinander dringen. Durchhallende Schläge aus dem Bass. Klackernde Schlagstäbe und dumpfes Pochen. Irre aus einer synthetischen Orgel fliegende, sirrende Tonreihen, wie aus einer Gitarre gejagt und über allem die Tempi des Blues, aus dem grauen Gewebe herausschleifende Reminiszenzen an Moon Duo, im digitalen Nachhören an Portico Quartet, und durch alles der für allerlei dunkle Einflüsterungen oder Beschwörungen so geeignete Gesang von Evan Patterson und seiner backraunenden Bandkollegen. What took you so long. Aus allem ein dichtes Gewebe, zweifach Schlagwerke, Saiten, Tasten, Verzerrungen scheinen ein Raumloch zu öffnen, aus dem zusätzliche Klangteilchen aus einem anderen Universum hinzuzufließen scheinen, auf die Bühne des UT zutreiben wie auf das Zentrum einer Aggregationsscheibe. Wir wirbeln schneller mit jeder Umdrehung bis alles stillsteht. Dicht, satt, und bereit für ERR.

Einstand dieses Mal sogleich mit Bandunterstützung, wie letztes Jahr sind wieder der Sänger und der Bassist von JJ dabei, und der Schlagzeuger gewechselt. Ein vielschichtenschimmernder Metallsaitensound in dem Emma Ruths Stimme nur im eigenen Kopf zu existieren, mit allem anderen zu verschwimmen scheint. Doch in weiteren und vor allem auch älteren Stücken ist die umgebende Klangwand etwas zurückgenommen, Emma Ruths Stimme und Ausdruck klar zu hören, so berührend, herausfordernd, wiegend, empfindsam und plötzlich ausbrechend wie je, die Schlagzeugklänge deutlich herausgestellt gesetzt, und einen weiten Teil der Aufmerksamkeit hypnotisierend, wie sie die Melodie antreiben, zügeln und wieder aufscheuchen*, klirren, scheppern, pochen. Die Saiteninstrumente schwingen im Rausch von Ebbe und Flut, in Ruhe klingende weich umspielende Melodien die dann wieder von aufbauschenden Rauschen verweht werden, Sturm der durch still stehende Bäume geht. Das Bewusstsein mit Sound umspült und wohlig umfangen. Für light song wird zum Auftakt ein Bogen an den e-Saiten entlanggezogen, und die Klänge sogleich in schwappenden Krach aufgefangen, Jaye Jayle gibt dunkel seine Stimme zu.

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Brutus ::: Chelsea Wolfe | 7.8.18 | Werk II

Verdichtung von Temperatur & Schall

Wahrnehmungen können sich durch diese Temperatur nur verschwommen an den Geist klammern. Das Sein hatte einen anderen Aggregatzustand erreicht. Es war höchster Sommer und nur erschöpfte Aufzeichnungen haben es durch die Umgebungstemperaturen in das Gedächtnis geschafft, sodann verblichen durch die Zeit, doch Intensität und Wucht beider Bands wummern ungebrochen aus der Vergangenheit und hallen an das Jetzt an.

Brutus. Wie bei Virginia Woolfs Vorgehen beim Leuchtturm könnte es sich bei allen Stücken von Brutus um einen Prozess immer weiterer Verdichtung handeln. Sie verdichten ihre Emotionen und geben sie in reduzierten eingängigen Lyrics, weit ausschwingenden Rufgesang, jede Menge Bass, Blech, Beschleunigung und sich auftürmenden Wänden aus schwingenden Saiten, in die sich der eine der beiden Jungs ordentlich reinkniet, während der Gitarrist eher statuesk seine Melodien schrammt, derart komprimiert weiter, dass sie nur noch aus Energie zu bestehen scheinen. Schlagzeugpräsenz. Singalong. Dazwischen zarte Melodieeinsprengsel, die weiche und so weit reichende Stimme. Der Anfang, ein schlurchzendes waberndes ziehen, zerren, als käme gleich Godspeeds Vorbandmann mit dem universalen Waschgang auf die Bühne. Ein Schlagzeugmoment in dem der Drumstick auf der Trommel nachfedernd belassen wird, und einen kleinen versackenden Wirbelton verebben lässt. Oder die leicht versetzten Schläge mit beiden Händen. Alles großartig. Unbekannte neue Stücke die das Album herbeisehnen. Brutus, wann sehen wir uns wieder?

Chelsea. Sakral, elegisch, perfekt abgemischt, dreschende, drillernde, dröhnende, verzerrte Drumbeats, musikalische Kompressionskammer. Hoher, immer höherer Gesang. Immer gewaltigerer Sound. Momente in denen sich über der Hautoberfläche Kälteempfinden einstellt durchziehen die Hitzekammer. Was genau so oder anders im Erleben vor sich geht, mag bereits beschrieben stehen.

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Traumthesen ::: lyrics and dreams as poetry beyond analysis

»It’s part reality and part fantasy but I’m always in the song as a witness. [...] You know how when you dream something you can see something change into something else and it’s illogical when you examine it in the morning. [...] That’s why I’ve never analyzed the lyrics to the song. They’re beyond analysis. They’re poetry.«

(Don McLean über American Pie, nach Popsongs und ihre Hintergründe)

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Jimmy Eat World | 3.06.18 | Conne Island

winterliches Glitzern in frühem Sommerhoch*

Unweit zurückreichende Nostalgie, viel Menschen, viel Klima, viel Bass. Letzterer vielleicht die Feinheiten der Lieder, vor allem die Gesangslinien etwas überspülend, aber das Besondere an Jimmy Eat World dringt auch durch den Bassnebel. Die verspielte, außerordentliche, mitunter minimalistische Klarheit ihrer Kompositionen, der Klang der Saiten, Motive die abgebrochen werden, um sich kurze Zeit später, nach griffigem Gitarrentumult, wieder in veränderter Weise einzufinden, der mehrstimmige in hymnische Empathie schwingende Gesang, hereinbrechender akzentuierter, schwer eingängiger Krach und zartere Weisen die sich nicht so sehr abwechseln sondern ineinander verfädeln, verdichten, Komplexität die klingt als wäre nichts leichter, darüber gebreitet, die Weite jugendlichen Seins, popsüß romantisch, energiegeladen, übergutgelaunt, ausbrechend, emo-ptimistisches Lebensgefühl, Zuversicht zusprechend, erzieherische Maßnahmen in den Zwischengesprächen mit dem Publikum, mehr Zeit, weniger fu*** phones, es scheint niemand hier ist jemals wirklich älter geworden, schon gar nicht um gut zwanzig Jahre, die Beziehung zwischen Fan und ausgefüllte Vorbildrolle steht so solide, wie etwas nur stehen kann wenn jeder daran festhalten will, es noch einmal leben, sei es für einen Abend, so einfach, das Damals, so scheint es im Jetzt, (so leicht wurde man pathetisch, damals!), die Linien klar, der Weg nicht wichtig, sondern nur das Sein im Moment … und in all dem verschwimmend das so traurige Hear You Me. Erfahrung, Weisheit, etwas nach vorn gerichtetes Nachdenkliches das in jedem ihrer Stücke enthalten ist. All das was den Jimmy Eat World ganz eigenen Drive bestimmt, der durch ihre Stücke fließt, ihr Jizz, schweben durch den überfüllten Saal, über die in der Mitte das Saalklima ignorierende Wahnsinnigen die mit gereckten Armen wild auf und abspringen, bis an die Seitenränder. Glück und Staunen wie der eine übergroße Song immer von noch einem Weiteren gefolgt wird, eine schier endlos scheinende Kette an schimmernden Perlen. Und darin eine neue in blau gehüllte schwarzlochschwere Perle aus Postrock, deren Namen vergessen ist, doch die Hoffnung dass man sie wiederfindet besteht.

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Nils Frahm | 22.04.18 | Gewandhaus

Konzertschuppen mit Aussicht. Der Blick fliegt aus den Panoramafenstern über den Augustusplatz, über den sich in zwei Bögen den Mendebrunnen umkreisend die noch anstehenden Mitkonzertbesucher choreographieren. In den Saal. Damals vor Jahrzehnjahren bei Helge Schneider einerseits sehr damit beschäftigt geräuschlos Hustreiz unterdrückende Zuckerpastillen zu konsumieren, zum anderen der so weithin bekannten besonderen Akustik noch unbewusst, als dass sie, noch die funktionsfolgende polygonal gefaltete Innenarchitektur und begleitendes Ambiente, würdigend wahrgenommen worden wäre.

Der Raumklang allein des vorkonzertlichen Gesprächsmurmelns und wie es sich im Raum ausbreitet, schwebend, von Wand zu Wand.

Die Bühne zeigt sich wie eine Erinnerung an das Konzert im Schauspielhaus. Wieder sind zwei zentrale Bereiche von diversen Tastenaufbauten umstellt. Die flimmernden Holzkästen aus der Original Series im Hintergrund fehlen, später wird erklärt dass sie aus Amplitudenbalancegründen in einem entfernten, aber durch Verkabelung verbundenen Raum untergebracht sind, und das ein oder andere Detail mag verändert worden sein. Doch die zwei Performance-Bereiche sind wieder von jeweils drei Seiten mit zu bedienendem oder bespielendem Instrument umgeben und ergeben eine Art Aufenthaltskubus. Der rechte ist wieder »das Raumschiff« mit Konzertflügel, links wieder die mit mehr Holz verspielten, älter klingenden Tasten. Und so wie der Aufbau wird das ganze Konzert den Abend vor drei Jahren mit in sich einschließen, die Musik, die kleinen Plaudereien mit dem Publikum, Elbphilharmonie und Gewandhaus, ein schmeichelndes Abwägen, entspannte Perfektion.
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