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wallwitz ::: sich selbst ergehen

Königsberg. Minkowski, Hilbert und ihr Privatdozent Hurwitz, treffen sich beinahe täglich um »in der Sonne spazieren zu gehen und dabei das mathematisch-naturwissenschaftliche Wissen ihrer Zeit zu durchmessen.« Hurwitz einer der jüngsten Dozenten, hat kaum Studenten, sucht sich daher die lauf- und trinkfestesten, »mehr als zwei fand er zunächst nicht, aber bei einer Revolution der Ideen kommt es ohnehin weniger auf die Zahl der Brandstifter an als auf den Erschöpfungszustand des alten Regimes.«

Bei ihren Spaziergängen untereinander so konzentriert, dass es schien sie liefen unter einer Käseglocke »vorbei an der gleichnamigen Gastwirtschaft im Stil eines bayerischen Bierausschanks unter freiem Himmel, der als das größte Alltagsvergnügen in dieser protestantisch-pünktlichen Stadt gelten konnte« … Parkbänke werden links liegen gelassen, »denn die Schritte waren der Takt und die Erdung ihrer Gedanken, die ununterbrochen fortgesponnen und geprüft werden mussten, damit nicht, als hätte sich plötzlich von der Ostsee her eine herbstliche Nebelwand über die Spaziergänger gesenkt, ihre Richtung und ihr Zusammenhalt verlorengingen. Der Gang, die Bewegung, das Ritual waren wesentlicher Teil des Gesprächs, der körperliche Spiegel ihres geistigen Fortschreitens.«

Am täglichen Ziel, ein Apfelbaum in einem Park. »Dort war es wohl an der Zeit innezuhalten und erste Ergebnisse ihres Gesprächs zu fixieren, dessen Inhalt nicht eben leicht verdaulich war. Denn mathematische Gegenstände eignen sich am Ende nur bedingt für Wirtshäuser und Spaziergänge. Man muss sich furchtbar konzentrieren, darf nichts auslassen, hat alles vorsichtig und richtig abzuleiten und zusammenzufügen, darf nichts zittrig im Ungefähren belassen, kann weder mit einem unbegründeten Anfang noch einem offenen Ende leben.«

(Georg von Wallwitz, Meine Herren, dies ist keine Badeanstalt)

… und was für die Mathematik gilt, gilt für das Leben.

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thoreauvian ::: abwechselndes abschweifen

»… und dann habe ich für meine Nachmittagsspaziergänge einen Garten, größer als jeder künstliche Garten … und viel verlockender für mich, – meilenweit Laubengänge … mit frei laufenden und wilden Tieren darin, wie von Anfang an, – mit abwechselnden Land- und Wasserprospekten, und, vor allem, derart abgelegen, dass ich in seinen Labyrinthen äußerst selten einen einzelnen Wanderer treffe. … Man kann zu einsamen Lauben und Bächen und Hügeln abschweifen …«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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thoreauvian ::: wie viele spiegel

kühle erste Sommertage, »dass an einem solchen Tag die Schatten der Bäume sehr deutlich und kräftig sind, wenn sie aufs frische Gras fallen. Sie sind so deutlich wie spätnachmittags die Bäume selbst. Für gewöhnlich schenken wir den unterschiedlichen Schattierungen von Gegenständen in der Landschaft wenig Beachtung. … die Wiesen sind ebenso viele Spiegel, die das Licht reflektieren, – zum Sonnenuntergang hin in blendendem Glanz.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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thoreauvian ::: mehr zeiten

»Das Jahr hat viel mehr Zeiten als der Kalender anerkennt.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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thoreauvian ::: weitere würde

»Heute, am 31. Mai, ist eine rot-weiße Kuh, weil ihr unbehaglich war, aus der Weide bei der Dampfmühle ausgebrochen … wandte sie sich kühn dem Wasser zu, dann watete sie zuerst durch die von Gräben durchgezogenen Wiesen und querte schwimmend den Fluss … und landete dann wieder auf ihrer eigenen Weide. … in meinen Augen verlieh diese Heldentat der Herde, die bereits würdevoll war, weitere Würde, und, spiegelbildlich auch dem Fluss, auf den ich wie auf eine Art Bosporus blickete. Mir gefällt es wenn Haustiere ihre natürlichen Rechte wieder geltend machen …«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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woolf ::: androgyner geist

»der Anblick war nicht ungewöhnlich, seltsam war die rhythmische Reihenfolge, mit der meine Einbildungskraft ihn ausgestattet hatte … [zwei Menschen die in ein Taxi steigen und davonfahren, ein Mann und eine Frau] … der Anblick zweier Menschen die die Straße entlangkamen und sich an der Ecke trafen, scheint den Geist von einem Druck zu befreien, dachte ich. … vielleicht ist es mühsam, sich das eine Geschlecht als vom anderen getrennt zu denken, wie ich es die letzten zwei Tage getan hatte. Es steht im Widerspruch zur Einheit des Geistes. Jetzt war die Mühe verschwunden und die Einheit durch den Anblick der beiden Menschen … wiederhergestellt.

… Der Geist ist auf jeden Fall ein sehr geheimnisvolles Organ … über den rein nichts bekannt ist, obwohl wir ganz und gar von ihm abhängen. Warum kommt es mir so vor als gäbe es Lügen und Widersprüche im Geistigen, so wie der Körper durch eindeutige Ursachen überlastet werden kann? … wo der Geist doch jederzeit und in jedem Moment zu einer solchen Konzentration fähig ist, dass er keinen eigenen Daseinszustand zu besitzen scheint. … [führt verschiedene Beispiele an, wohin der Geist wandern, das Denken sich wiederfinden kann, bei zwei Menschen die man beobachtet, als Teil einer Menge] … er kann durch seine Väter und seine Mütter zurückdenken … zweifellos ändert das Denken ständig seinen Fokus und rückt die Welt in unterschiedliche Perspektiven. Aber einige dieser geistigen Zustände scheinen weniger angenehm zu sein als andere, selbst wenn sie sich spontan einstellen. Um dauerhaft darin sein zu können, hält man unbewusst etwas zurück, und nach und nach wird die Verdrängung anstrengend. Aber es mag einen geistigen Zustand geben, in dem man ohne Anstrengung dauerhaft sein kann, weil nichts zurückgehalten werden muss. … [und dieser Taximoment war einer davon] … fühlte es sich an, als hätte sich der Geist, nachdem er gespalten gewesen war, in natürlicher Verschmelzung wieder zusammengefügt.

… man hat instinktiv einen tiefsitzenden wenn auch irrationalen Hang zu der Theorie, dass die Einheit von Mann und Frau zur größten Zufriedenheit führt, zum vollkommensten Glück. … die Frage auf, ob es im Geist zwei Geschlechter gibt, die den zwei Geschlechtern im Körper entsprechen, und ob auch sie verschmelzen müssen, damit man vollkommen zufrieden und glücklich ist. Und ich fuhr fort dilettantisch einen Plan der Seele zu entwerfen, wonach in jedem von uns zwei Mächte den Vorsitz haben … und im Gehirn des Mannes herrscht der Mann über die Frau, und im Gehirn der Frau die Frau über den Mann. Der normale und angenehme Daseinszustand ist der, wenn beide in Harmonie miteinander existieren … das meinte Choleridge vielleicht als er sagte, dass ein großer Geist androgyn ist.

… Vielleicht neigt ein androgyner Geist weniger als der eingeschlechtliche Geist dazu, solche Unterscheidungen zu treffen. Er meinte vielleicht, dass der androgyne Geist mitschwingt und durchlässig ist, dass er Gefühle ungehindert übermittelt, dass er von Natur aus schöpferisch ist, weiß strahlend und ungeteilt.

…glaube ich nicht dass sich Begabungen, ob sie den Geist oder den Charakter betreffen, wie Zucker oder Butter abwiegen lassen … das ganze Ausspielen des einen Geschlechts gegen das andere, der einen Qualität gegen die andere; der ganze Anspruch auf Überlegenheit und das Zuschreiben von Unterlegenheit gehört in die Grundschulphase der menschlichen Existenz, wo es Seiten gibt, und des die eine Seite nötig hat, eine andere Seite zu schlagen und es von allerhöchster Wichtigkeit ist, auf ein Podest zu treten und aus den Händen des Direktors persönlich einen hochverzierten Topf entgegenzunehmen. Werden die Menschen erwachsen, hören sie auf, an Seiten zu glauben, oder an Direktoren, oder an hochverzierte Töpfe.«

(Virginia Woolf, ein Zimmer für sich allein)

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le guin ::: unschatten

»… gegen die Mitte des Nimmer-Monats … nur eine leichte Wolkendecke den Himmel überzog … sehr dünn, sodass die Luft von einem gleichmäßigen, wie aus indirekter Quelle kommenden Sonnenlicht erfüllt war, weil es sowohl von den Wolken als auch vom Schnee, von oben und von unten, reflektiert wurde … überall um uns herum herrschte ein mattes, alles durchdringendes Licht … keine Sonne, kein Himmel, kein Horizont, keine Welt … ein weißlich-graues Nichts, in dem wir richtungslos zu hängen schienen … [Estraven nennt es] Unschatten … eines Tages … begann dieses matte, blinde Nichts um uns herum gegen Mittag plötzlich zu fließen und zu wirbeln …«

(Ursula K. le Guin, Linke Hand der Dunkelheit)

siehe auch Unschatten auf Sommerhügeln

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southern reach ::: ständiger realitätssaum

Vor Area X hatte sie nie geträumt oder sich daran erinnert. Ihr Mann fand das merkwürdig. »Wir alle leben in einem ständigen Traum, ließ ich ihn wissen, wenn wir aufwachen, dann weil irgendetwas, irgendein Ereignis, vielleicht nur eine Kleinigkeit den Saum dessen streift, was wir für die Realität gehalten haben.«

(Jeff VanderMeer, Southern Reach)

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thoreauvian ::: einverständnis des schlafes

»Indem sie die Augen schließen und schlafen – und einverstanden sind sich durch Bilder täuschen zu lassen – begründen die Menschen irgendwo ihr tägliches Leben der Routine und Gewohnheit – das jedoch auf unwirklichen Fundamenten erbaut ist.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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knausgård ::: duskregnet – donny darko drømmeaktig

»himmelen var grå, duskregnet falt stille og nesten umerkelig … stemninge fra en drøm jeg hadde plaget meg« … en musikk tekst »… men donny darko drømmeaktig også« … i hvert fall fylle det han med stemninger fra den tiden da platen kom ut »… og så steg likesom den andre låten rett opp fra den første, jeg elsket den overgangen, noe steg opp i meg også da, og jeg slå hånden i luften flere ganger mens jeg tok noen langsomme steg rundt og rundt.«

(Karl Ove Knausgård, Min Kamp 5)

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thoreauvian ::: unerkunden

»ich war in jenem Alter in dem eine unerkundete Landstraße genügend interessante Gegenstände liefert – wenn jede tiefere Schlucht – oder höherer Hügel – oder neue Brücke und unbekannter Fluss – uns lange Zeit fesselt – und zuweilen führen wir das Interesse und das abenteuerliche Gefühl der Kindheit fort, nicht zu wissen, was wir als nächstes sehen werden.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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night vale ::: bizarre normalität

»Nur weil eine bizarre Sache existierte, existierten nicht alle bizarren Sachen. Wer kann schon sagen ob eine Glühwolke etwas außergewöhnliches ist? Aus irgendeinem Grund kann man winzige harte Körnchen die man im Inneren von Früchten findet in die Erde stecken und Monate später gibt es dort dann einen verdammten Baum mit einem Haufen der gleichen Früchte in denen mehr von den winzigen harten Körnchen stecken.« … Entscheidend ist, ruft sich Nilanjana in Erinnerung, dass es eine wissenschaftliche Erklärung gibt, um Bizarres von Normalen zu unterscheiden …

(Joseph Fink & Jeffrey Cranor, Der lächelnde Gott)

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thoreauvian ::: Vorstellungen gefiederter Wesen

»Keines der gefiederten Wesen hat bis jetzt meinen Vorstellungen entsprochen. Ich hatte gedacht ihr Federkleid würde, wie die prächtigere Tönungen des Abends, stärkere und verwirrendere Farben annehmen, je weiter ich in die Dunkelheit und Einsamkeit des Waldes vordrang.« … verweist auf Scharlachtangare die er, aus der Tiefe mitgebracht, einmal gesehen hat. »… funkelt wie die Kohle eines Feuers inmitten der Kiefern«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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thoreauvian ::: sich selbst triangulieren

Das Praktische, das Poetische und das Philosophische. »das praktische Leben ist das poetische, das sich für sich selbst eine Basis schafft … Breite … Basis … Neigungswinkel durch Wissenschaft bestimmt … das Gebäude des Lebens ist pyramidenförmig … um einen vollkommenen Menschen zu schaffen, muss die Seele ganz wie der Körper sein, nicht zu unirdisch & der Körper wiederum wie die Seele.« … sich schneidende Linien, Höhen, Breiten … »ein Gesetz das derart universell ist – und an jedem Material abzulesen – in der Ethik ebenso wie in der Mechanik – dass es sich selbst als letzte Behauptung auf sich anwenden lässt. Es ist das Herz im Menschen – es ist die Sonne im Weltall – es ist das Ergebnis von Kräften … zieht Linien durch die Länge & Breite der Summe der besonderen täglichen Erfahrungen eines Menschen und seiner Lebensvolumina … es gibt kein ausschließlich moralisches Gesetz. Es gibt kein ausschließlich physikalisches Gesetz.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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le guin ::: nicht mit worten

»Der Künstler behandelt das, was nicht mit Worten gesagt werden kann. Der Künstler, dessen Medium die Literatur ist, tut das mit Worten.

… [Worte] haben auch einen Klang – eine Tatsache an der die linguistischen Positivisten nicht interessiert sind. Ein Satz oder Absatz ist wie ein Akkord oder eine harmonische Sequenz in der Musik; selbst wenn er still gelesen wird, kann seine Bedeutung von dem aufmerksamen Ohr klarer erfasst werden als vom aufmerksamen Intellekt.«

(Ursula K. le Guin, Linke Hand der Dunkelheit – Vorbemerkung)

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