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roger ::: morphologisches memento, flora der vergangenheit

»Die Wiesen, die hier nicht mehr existieren, die üppigen, wilden, mit Hunderten verschiedener Pflanzenarten, die Mischwälder, die verstrüppten, die verschwindenden, deren Unterholz gekämmt und dann beseitigt worden ist, die morphologische Vielfalt der Blattformen, Stämme, sie sind die Antiquitäten der Naturlandschaften, die Flora der Vergangenheit, und während wir es wissen, beginnen wir die Pflanzen bereits im Prozess ihres Sterbens zu betrachten, als Exemplare einer Spezies, die noch da ist, den eigenen Abschied aber schon angekündigt hat.«

(Roger Willemsen, Der Knacks)

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streumen ::: an all diesen stellen das glück

»… an genau dieser stelle versickert das glück. zu retten bleibt nur was aufgeführt ist im inhaltsverzeichnis der see, der halde versandeter wälder: hühnergötter zu finden bringt glück!! hühner zu finden nicht, tote vögel finden nicht, löcher zu finden schon … auch bernstein, blutproben alter bäume, nur die einschlüsse guter, surrender träume niemals zu finden. im schlick nie mehr kronen, echsen, nie ein stück wind.«

(Ulrike Almut Sandig, Streumen)

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knausgård ::: waldgefüllt

»solen flommet over det skogfylte landskapet … elvene glittret, bladene i lovtrærne blinket … spillet av lys og farge … jeg stod lenge inntil vinduet og så på detaljene i landskaept som kontinuerlig forsvant … de nye som hele tiden kom rennende … det eneste som ikke forandret seg var jernbaneskinnene vi fulgte … og de to punktene av gjenskinn fra solen som hele veien lå på dem og skimret. Det var et merkelig fenomen. … byen rundt meg var nedsenket i den døsigheten som bare sensommerettermiddager kan frambringe.«

(Karl Ove Knausgård, Min Kamp 5)

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thoreauvian ::: Fluss & Psyche, Karytiden, keine Hirngespinste

»Wir passierten einen Mann der am Ufer mit einer langen Rute aus Birkenholz angelte und einen Hund an seiner Seite hatte – sie standen wie Karyatiden unter dem Sonnengewölbe. …«

Langsame Zweifel ob der Fluss einem so feinfühligem und sich leicht übersteigenden Naturell wie Herrn Thoreau über die Dauer einer mehrtägigen Bootsfahrt zuträglich ist. Durch ihr nahes Rudern vertreiben sie sein Anglerglück auf unbestimmte Zeit. Doch noch weit entfernt steht der Angler noch immer unbeweglich,

»als der einzige Gegenstand, der auf der weiten Au dem Auge Abwechslung bot. … er und sein Hund! (es war ein vorzüglicher, bedächtiger Hund) möge es ihnen wohlergehen. Ich denke dass wir uns wiedersehen. Er war für mich kein Hirngespinst.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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knausgård ::: stadtlande

»… var det med en mild og ikke uvennlig nervøsitet i kroppen, ja, jeg følte meg lett og fin der jeg gikk, det var noe med solen som skinte, livet i gatene rundt meg … sa jeg at det vokste lange gresstrå i enden av asfalten og … noen nakne små fjellknauser mellom husene, det knyttet byen an til de ville fjellene rundt, og til havnet nedenfor, … at byen var en del av landskapet, ikke var noen eget …. sendte en strøm av gode følelser gjennom meg. Regnet falt overalt, solen skinte overalt, alt hang sammen med alt.«

(Karl Ove Knausgård, Min Kamp 5)

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thoreauvian ::: Wahrheit & Kokosnuss

»Trotz des unerklärten Geheimnisses der Natur, betreibt der Mensch seine Studien immer noch mit Zuversicht, immer bereit, das Geheimnis zu packen, als wäre die Wahrheit bloß enthalten und nicht vorenthalten – wie einer der drei Ringe an der Kokosnuss so weich ist, dass man ihn mit einem Dorn durchstoßen kann, und der Reisende dankbar ist für die dicke Schale, die so sicher die Flüssigkeit barg.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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pratchett ::: sich selbst sehen

»doch Hilta kicherte wie jemand, der gründlich über die Welt nachgedacht und den Witz darin gesehen hatte.«

(Terry Pratchett, Erbe des Zauberers)

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free in, June ::: wald nie weit

»der Wald von Ajer Manteior bot mir so viel Interessantes, dass ich nicht das Bedürfnis verspürte, mich weit vom Haus zu entfernen.«

(Odoardo Beccari, Entdecker der Titanwurz in: Stefano Mancuso, aus Liebe zu den Pflanzen)

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free in, June ::: ruhe nie reise, entschlossen das nichts erreichen

am Vorabend »einer nie stattfindenden Reise. Muss man zumindest muss keine Koffer packen, noch auf Papier Pläne machen, die unfreiwillig einhergehen mit Vergesslichkeit, für den noch freien Teil des folgenden Tages.

Man muss nichts tun am Vorabend einer nie stattfindenden Reise.

Große Ruhe, da es nicht einmal mehr etwas gibt, weshalb man ruhig werden müsste! … Große Gelassenheit, … da zu allem Überdruss, der Überdruss vergangen ist, und man entschlossen das Nichts erreicht hat. Große Freude, da man nicht fröhlich sein muss wie eine verkehrte Gelegenheit.«

(Fernando Pessoa/Àlvaro de Campos, am Vorabend, in: Poesie und Prosa)

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thoreauvian ::: sich selbst hüten

»Heutzutage hüten sich die Schafe meistenteils selbst.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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thoreauvian ::: wiederholtes schielen unter die lider der zeit

»Obwohl ich alt genug bin, um herausgefunden zu haben, dass die Jugendträume in diesem Stadium des Daseins nicht zu verwirklichen sind, denke ich doch, dass es das nächstgroße Glück wäre, unter die Lider der Zeit zu schauen und das Vollkommene unverwandt zu betrachten, und zwar mit der klaren Einsicht, dass ich es nicht erlange.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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thoreauvian ::: na–unna, türlich

»Wir hören oft den Ausdruck natürliches Leben des Menschen – wir sollten eher das unnatürliche Leben des Menschen sagen.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

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thoreauvian ::: jedes Hören seine eigene Würde

»Unser Glaube, dass die Zeit vorangeschritten ist, rührt daher, dass wir zurückgefallen sind. …

… Aus der fernsten Vorzeit entdecken wir in der Literatur aller Nationen ab und zu Worte von höherem Ton und Ziel, als zur Durchführung des täglichen Lebens erforderlich wäre. Laut Scott schwimmen diese auf dem Meer der Zeit wie Wrackteile, Klänge, die eher zwischen den Sternen widerhallen als durch die Täler der Erde …

… Vielleicht kann ich sagen, dass ich das Leben – seine große Gelassenheit – nie tiefer und unvergesslicher erfuhr, als ich nach einem Schauer inmitten der Heidelbeerbüsche dem Triller einer Baumammer lauschte. Dies ist eine Mitteilung auf die ein Mensch in Einsamkeit und Stille hören muss, und die er seinem Mitmenschen nie wird vermitteln können. … Wir hören bisweilen – und dieser Sinn behauptet seine Würde.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch II)

… dass jedes Hören seine eigene Würde hat. Vgl. auch andere Würdenwege, andere Schauer

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rousseauvian ::: Botanik im Kopf

»ich bin ganz vernarrt in die Botanik, und das wird alle Tage schlimmer; ich habe bereits nichts weiter als Heu im Kopfe und werde eines schönen Tages selber als Pflanze erwachen: ich fasse schon Wurzeln in Motiers.«

»Die Botanik ist das richtige Studium für einen müßigen und faulen Einzelgänger … er spaziert, irrt ungebunden von einem Gegenstand zum anderen, widmet sich dem Anblick jeder einzelnen Blume voller Anteilnahme und Neubegier, und sobald er die Gesetze ihrer Struktur langsam zu ahnen beginnt, bereitet ihm die mühelose Beobachtung so lebhafte Freude, wie wenn sie mit viel Aufwand verbunden gewesen wäre. Diesem faulen Tun eignet ein Zauber, den man nur im Ruhen aller Leidenschaften fühlen kann; doch es genügt um das Leben süß und selig zu machen.«

(Rousseau nach: Stefano Mancuso, Aus Liebe zu den Pflanzen)

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thoreauvian ::: klar bis kryptisch, Ausgangspunkt, Weg und Ziel

»Damit eine Handlung als intelligent gelten kann, müssen laut Delpino drei Phasen stattfinden: ›Ausgangspunkt, Weg und Ziel (…) sie sind Teil des Pfeils, der in Jupiters Auge seinen Anfang nimmt, den Raum durchquert und das Ziel trifft.‹ «

(Stefano Mancuso, Aus Liebe zu den Pflanzen)

… Thoreau hätte nicht schöner vom Klaren ins Kryptische abgleiten können.

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