La Dispute | 7.07.19 | Conne Island
Wer braucht schon ein Mikrofon?
Addendum zu La Dispute 2015. Alle Beobachtungen, und darauf beruhenden Analysen und Thesen dort konnten durch die Wiederholung des Versuchsaufbaus umfänglich bestätigt werden.
Wer braucht schon ein Mikrofon?
Addendum zu La Dispute 2015. Alle Beobachtungen, und darauf beruhenden Analysen und Thesen dort konnten durch die Wiederholung des Versuchsaufbaus umfänglich bestätigt werden.
Abays Postband Razz ist diesmal Vorband. Sehr vernünftiger 00-Jahre-Retro, Reminiszenzen an Interpol et al.
Die erwartende Spannung. Das Publikum in der Zwischenpause ist trotz alles belegender Hitze hibbelig, die eine Hälfte hüpft immer mal wieder auf und ab, die andere wippt mit einem Bein. Und irgendwann ist es soweit, Bloc Party in halber damaliger Besetzung, neuen, vermutlich nicht mehr ganz neuen Bassisten und Schlagzeugerin betreten die Bühne. Beginnen mit einem der ruhigeren Lieder, unklar ob der Sound sich noch einspielen muss, oder nein, oder doch, Änderungen an den Arrangements vorgenommen wurden. Hie und da Abzweigungen in der history lane genommen werden. Hr. Walte berichtet aus späterem Forenstudium von der überzeugenden Vermutung das Album sei rückläufig abgespielt worden. So beginnen wir mit two more years, treiben über little thoughts und compliments* weiter zurück, und immer weiter zurück und entdecken das nie Vergessene neu. Die übereinander und oftmals auf so schwer nachvollziehbare Weise ineinandergehenden Layers der Songs treiben durch die mit Mückenspray durchsetzte Sirupluft wie verlangsamt auf einen zu, während einen das Grün der umstehenden Bäume umringt, und den Blick immer mal wieder abfängt. Und man kann sich eine Weile vollauf damit beschäftigen diesen so speziellen Bloc Party-Effekt auszuloten, den man immer unbewusst mitfühlt, wann immer man an ihre Musik denkt, aber live nochmal neu, unmittelbar und intensiv wahrnimmt, und die besondere Schönheit ihrer Musik ausmacht.
Die verschiedenen Lagen sind durchsichtig, die Songs haben immer, bei allen harten Einschlägen und Schrammen, etwas darüber und darunter und alles umgebendes schwebend Ätherisches, durch das der besondere Drive von Bloc Party gleitend hindurchmanövriert, die Beschleunigung zwischen vollkommener Ruhe und Geschwindigkeit, Brüche, Abruptheit, sie mögen sich direkt aus dem Herzschlag und Lebensgefühl von Kele Okereke speisen. In ihm und den Liedern von Bloc Party scheint eine nahezu Gleichzeitigkeit an unterschiedlichen Stimmungen zu existieren. Ein stetes Flimmern zwischen Hektik und Ruhe. Silent & Alarm.
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Jetzt, gerade damals spielt eine psychodelic Rock Band in den 70ern, die alle Klänge des immer ferneren Ostens gierend aufnimmt bis sie in der Sonne Kaliforniens verweilt, und hier, gerade hier, hören wir diese Musik durch all die Jahrzehnte hindurch, sie kommt auf uns zu und klingt durch akustische Verschiebungen über diese lange zeitliche Distanz verzerrt und gekrümmt an uns heran. Das Publikum ist weitaus bunter als gewöhnlich, und vielleicht auch als damals. Lockerer. Wilder. Entspannter. Lebendiger. Diese besonders tief quietschigen Klänge aus den Tasten sind schiefer und verzückender. Ein aufgeräumter Rasselständer neben dem zweiten Trommler ordentlicher. Der Lauf der Melodie auf der Saz komplizierter und verschränkter. Und das erste Lied der Zugabe wie ein zusätzlicher Fehler im Raumzeitkontinuum, erinnert an sphärisch verklärte Musik aus dem Norden. Und dann tänzelt die Musik wieder in Richtung Mittelmeer und schrammenden Postrock, nur ein wenig, beschleunigt, verzerrt sich dadurch noch ein Stückchen mehr, und das Herz ist genau darin. Genau darin ist das Herz.*
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Vorband nyos. Alles vibreatiert. Exaltiert fröhliche rasant angezupfte Surfweisen kollidieren endlos geloopt mit Punkmetallwänden, blue suede dancing shoes und wild trommelnden baren Socken. Alles loopt.
Esben. Mondnachtrunde Stimme. Alles ist leicht und zugleich unter Spannung. Alleinstehende Gitarrengodspeedmomente. Der essentielle base der Sängerin manchmal in diesem beinahe hohl, blechern klingenden Effekt. Klangschalenbleche und anderer Klangzauber am Schlagzeug. Das Bewusstsein wiegt im glücklichen Dämmerzustand und treibt in nebelige unirdische Ferne. Und eilt zurück auf einem schlagenden, schwirrenden, flirrenden, hämmernden und lautrauschenden Teppich aus Beat. Ein Lied am Ende, sie ohne Gitarre, singend, die Lippen des Schlagzeugers singen wie verloren mit, das Publikum schwebt wie verloren mit …
Matze Rossi. Die Kunst einfache Worte, Weisheiten des privaten Lebens zum Glücklichsein, Familie und Freunde, und das eigene Selbst als Gegenüber, zu runden Texten und Liedern ineinander und zusammenfließen zu lassen. Die Kunst für alle im Publikum ein Freund auf der Bühne zu sein. Texte, Melodien und eine Stimme, die einen Aufheben. Humor und Lebensfreude. Entscheidungen und Traurigkeit. Zum vierzigsten im Spiegel, sich selbst vehement verbietend nun mit irgendwelchem hätte-ich-nur zu kommen. Ein Manifest wie seine Beerdigung zu feiern ist. … und das Lied, geschrieben für seinen Freund als dieser in Chemotherapie war, All for one, best friends, es scheint Chuck und Todd überraschen ihn indem sie auf die Bühne kommen um den Refrain mit ihm zusammen zu singen … stellvertretend.
How do one seize the slippery past?* Sicher ist dass man vieles der Sache nach noch weiß, doch nicht mehr darin sein kann, wie es war es zu erleben. So ist es auch immer wieder ein neues Erleben, wenn einem die Stimme von Chuck Ragan auf einem Konzert von neuem um die Ohren fliegt. Und die Texte und Gedanken in den Verstand.
sich selbst eröffnen
Jedes Album spannt einen Raum auf. Manche sind verworrene Traumräume. Orientierungslos, wenn auch nicht notwendigerweise unzufrieden deswegen, treibt man hindurch. Manche bilden ein Ganzes. Manche fühlen sich an wie ein zu Hause. Es sind Räume die man normalerweise mit seinem Inneren aufsucht. Und dann kann man die Let Go an einem Abend mit seinem ganzen Sein betreten, nicht nur mit dem Geist.
what it’s like, in the inside of … let go
Wir sind in der Let go. Der erste Raum in gedämmten Licht, Blizzard, beginnt allein im Dreigesang. Weitere Räume durch die nur selten, doch wohl gesetzt Zerrgeräusche flattern. Überwiegend fein säuberlich aufeinander gelegte Gesangslinien, Gitarrenwände in Regalen. Überall begleitet einen freundlicher und alle Lebenslagen verstehender Gesang. Ein Tisch über dem Fruchtfliegen kreisen, schlechtes Fernsehen, Zeit vergehen lassen. Sie sind voller Utensilien aus denen Alltag besteht, und so vertraut wie die Requisiten umgibt einen die Musik. Magie des Alltags. Das French room. Zwischen der sprühenden Lebensenergie mancher Tage, voller Gitarrenfunken und antreibendem Beat, und der verschlafenen Melancholie anderer. Regentage. Tage die zur Decke sprechen. Vorbeitreibende Satzfragmente wie an Fensterglas abperlende Tropfen aus denen sich eigene Räume spinnen lassen, erfüllt von bedeutenden Worten und magischen Momenten, die auf besondere Weise aus der Verbindung dieser Worte und der Musik entstehen, und aus Erfahrungen die uns allen gemeinsam sind.
left some food wrapped up in a plastic bag on the kitchen table way too long
i sat down to eat next to the bag i was too tired to throw it out
i saw a swarm of fruit flies i took the bag downstairs
when i came back they were still there
flying jerky patterns like snowflakes in the air
i’m sorry you’ve got nowhere to go
The Polish Club. Rock’n'Soul & Punk in schneller scheppernder Taktung aus Australien.
Sehr schön getanzt, Güllener!
Abay. Episch, und viel zu kurz. Raumfüllend, Musik die in die Weite geht, ganz nach oben fliegt, und in das Selbst. Und in die konzertgelebte Erinnerung, ins Naumanns. Andere zerstören Songs bisweilen mit Gitarreneinschlägen und Schlagzeugrauschen, hin und wieder zerschreddern Abay wummernde postrock-Arrangements indem sie Leichtigkeit in die Songs hineinfallen lassen. Space Cold. Ja, Weltraum war auch viel. Hinter jeder Biegung, jedem Moment andere Genre, Einflüsse, Referenzen, Zitate, Postcore, Rockover, Swingpop, Indiegaze. Der Gesang der Stücke aus dem alten Album auch im Dreiklang unterlegt sehr fein. Stücke von denen eine seltsame Geborgenheit ausgeht. Marching Drums, Spannungsenergie, nicht zutreffende Erinnerung an black parade. Für ein Lied außerhalb der Verstärkung gesungen. Zu Beginn. Dirigierend. Leicht. Erhaben. Pathetisch. Verspielt. Ein bisschen emotionale Ergriffenheit bitte. Alles … abay. Das Draußen nieselt.
JJ. Polternd dumpfer Einsatz, sirenschwirrender darauf folgender Sound, porzellanklarklingende Klänge die gleichwohl über der Bühne zerwabern, schmirgeln, zerfließen und übereinander dringen. Durchhallende Schläge aus dem Bass. Klackernde Schlagstäbe und dumpfes Pochen. Irre aus einer synthetischen Orgel fliegende, sirrende Tonreihen, wie aus einer Gitarre gejagt und über allem die Tempi des Blues, aus dem grauen Gewebe herausschleifende Reminiszenzen an Moon Duo, im digitalen Nachhören an Portico Quartet, und durch alles der für allerlei dunkle Einflüsterungen oder Beschwörungen so geeignete Gesang von Evan Patterson und seiner backraunenden Bandkollegen. What took you so long. Aus allem ein dichtes Gewebe, zweifach Schlagwerke, Saiten, Tasten, Verzerrungen scheinen ein Raumloch zu öffnen, aus dem zusätzliche Klangteilchen aus einem anderen Universum hinzuzufließen scheinen, auf die Bühne des UT zutreiben wie auf das Zentrum einer Aggregationsscheibe. Wir wirbeln schneller mit jeder Umdrehung bis alles stillsteht. Dicht, satt, und bereit für ERR.
Einstand dieses Mal sogleich mit Bandunterstützung, wie letztes Jahr sind wieder der Sänger und der Bassist von JJ dabei, und der Schlagzeuger gewechselt. Ein vielschichtenschimmernder Metallsaitensound in dem Emma Ruths Stimme nur im eigenen Kopf zu existieren, mit allem anderen zu verschwimmen scheint. Doch in weiteren und vor allem auch älteren Stücken ist die umgebende Klangwand etwas zurückgenommen, Emma Ruths Stimme und Ausdruck klar zu hören, so berührend, herausfordernd, wiegend, empfindsam und plötzlich ausbrechend wie je, die Schlagzeugklänge deutlich herausgestellt gesetzt, und einen weiten Teil der Aufmerksamkeit hypnotisierend, wie sie die Melodie antreiben, zügeln und wieder aufscheuchen*, klirren, scheppern, pochen. Die Saiteninstrumente schwingen im Rausch von Ebbe und Flut, in Ruhe klingende weich umspielende Melodien die dann wieder von aufbauschenden Rauschen verweht werden, Sturm der durch still stehende Bäume geht. Das Bewusstsein mit Sound umspült und wohlig umfangen. Für light song wird zum Auftakt ein Bogen an den e-Saiten entlanggezogen, und die Klänge sogleich in schwappenden Krach aufgefangen, Jaye Jayle gibt dunkel seine Stimme zu.
Verdichtung von Temperatur & Schall
Wahrnehmungen können sich durch diese Temperatur nur verschwommen an den Geist klammern. Das Sein hatte einen anderen Aggregatzustand erreicht. Es war höchster Sommer und nur erschöpfte Aufzeichnungen haben es durch die Umgebungstemperaturen in das Gedächtnis geschafft, sodann verblichen durch die Zeit, doch Intensität und Wucht beider Bands wummern ungebrochen aus der Vergangenheit und hallen an das Jetzt an.
Brutus. Wie bei Virginia Woolfs Vorgehen beim Leuchtturm könnte es sich bei allen Stücken von Brutus um einen Prozess immer weiterer Verdichtung handeln. Sie verdichten ihre Emotionen und geben sie in reduzierten eingängigen Lyrics, weit ausschwingenden Rufgesang, jede Menge Bass, Blech, Beschleunigung und sich auftürmenden Wänden aus schwingenden Saiten, in die sich der eine der beiden Jungs ordentlich reinkniet, während der Gitarrist eher statuesk seine Melodien schrammt, derart komprimiert weiter, dass sie nur noch aus Energie zu bestehen scheinen. Schlagzeugpräsenz. Singalong. Dazwischen zarte Melodieeinsprengsel, die weiche und so weit reichende Stimme. Der Anfang, ein schlurchzendes waberndes ziehen, zerren, als käme gleich Godspeeds Vorbandmann mit dem universalen Waschgang auf die Bühne. Ein Schlagzeugmoment in dem der Drumstick auf der Trommel nachfedernd belassen wird, und einen kleinen versackenden Wirbelton verebben lässt. Oder die leicht versetzten Schläge mit beiden Händen. Alles großartig. Unbekannte neue Stücke die das Album herbeisehnen. Brutus, wann sehen wir uns wieder?
Chelsea. Sakral, elegisch, perfekt abgemischt, dreschende, drillernde, dröhnende, verzerrte Drumbeats, musikalische Kompressionskammer. Hoher, immer höherer Gesang. Immer gewaltigerer Sound. Momente in denen sich über der Hautoberfläche Kälteempfinden einstellt durchziehen die Hitzekammer. Was genau so oder anders im Erleben vor sich geht, mag bereits beschrieben stehen.
winterliches Glitzern in frühem Sommerhoch*
Unweit zurückreichende Nostalgie, viel Menschen, viel Klima, viel Bass. Letzterer vielleicht die Feinheiten der Lieder, vor allem die Gesangslinien etwas überspülend, aber das Besondere an Jimmy Eat World dringt auch durch den Bassnebel. Die verspielte, außerordentliche, mitunter minimalistische Klarheit ihrer Kompositionen, der Klang der Saiten, Motive die abgebrochen werden, um sich kurze Zeit später, nach griffigem Gitarrentumult, wieder in veränderter Weise einzufinden, der mehrstimmige in hymnische Empathie schwingende Gesang, hereinbrechender akzentuierter, schwer eingängiger Krach und zartere Weisen die sich nicht so sehr abwechseln sondern ineinander verfädeln, verdichten, Komplexität die klingt als wäre nichts leichter, darüber gebreitet, die Weite jugendlichen Seins, popsüß romantisch, energiegeladen, übergutgelaunt, ausbrechend, emo-ptimistisches Lebensgefühl, Zuversicht zusprechend, erzieherische Maßnahmen in den Zwischengesprächen mit dem Publikum, mehr Zeit, weniger fu*** phones, es scheint niemand hier ist jemals wirklich älter geworden, schon gar nicht um gut zwanzig Jahre, die Beziehung zwischen Fan und ausgefüllte Vorbildrolle steht so solide, wie etwas nur stehen kann wenn jeder daran festhalten will, es noch einmal leben, sei es für einen Abend, so einfach, das Damals, so scheint es im Jetzt, (so leicht wurde man pathetisch, damals!), die Linien klar, der Weg nicht wichtig, sondern nur das Sein im Moment … und in all dem verschwimmend das so traurige Hear You Me. Erfahrung, Weisheit, etwas nach vorn gerichtetes Nachdenkliches das in jedem ihrer Stücke enthalten ist. All das was den Jimmy Eat World ganz eigenen Drive bestimmt, der durch ihre Stücke fließt, ihr Jizz, schweben durch den überfüllten Saal, über die in der Mitte das Saalklima ignorierende Wahnsinnigen die mit gereckten Armen wild auf und abspringen, bis an die Seitenränder. Glück und Staunen wie der eine übergroße Song immer von noch einem Weiteren gefolgt wird, eine schier endlos scheinende Kette an schimmernden Perlen. Und darin eine neue in blau gehüllte schwarzlochschwere Perle aus Postrock, deren Namen vergessen ist, doch die Hoffnung dass man sie wiederfindet besteht.
Konzertschuppen mit Aussicht. Der Blick fliegt aus den Panoramafenstern über den Augustusplatz, über den sich in zwei Bögen den Mendebrunnen umkreisend die noch anstehenden Mitkonzertbesucher choreographieren. In den Saal. Damals vor Jahrzehnjahren bei Helge Schneider einerseits sehr damit beschäftigt geräuschlos Hustreiz unterdrückende Zuckerpastillen zu konsumieren, zum anderen der so weithin bekannten besonderen Akustik noch unbewusst, als dass sie, noch die funktionsfolgende polygonal gefaltete Innenarchitektur und begleitendes Ambiente, würdigend wahrgenommen worden wäre.
Der Raumklang allein des vorkonzertlichen Gesprächsmurmelns und wie es sich im Raum ausbreitet, schwebend, von Wand zu Wand.
Die Bühne zeigt sich wie eine Erinnerung an das Konzert im Schauspielhaus. Wieder sind zwei zentrale Bereiche von diversen Tastenaufbauten umstellt. Die flimmernden Holzkästen aus der Original Series im Hintergrund fehlen, später wird erklärt dass sie aus Amplitudenbalancegründen in einem entfernten, aber durch Verkabelung verbundenen Raum untergebracht sind, und das ein oder andere Detail mag verändert worden sein. Doch die zwei Performance-Bereiche sind wieder von jeweils drei Seiten mit zu bedienendem oder bespielendem Instrument umgeben und ergeben eine Art Aufenthaltskubus. Der rechte ist wieder »das Raumschiff« mit Konzertflügel, links wieder die mit mehr Holz verspielten, älter klingenden Tasten. Und so wie der Aufbau wird das ganze Konzert den Abend vor drei Jahren mit in sich einschließen, die Musik, die kleinen Plaudereien mit dem Publikum, Elbphilharmonie und Gewandhaus, ein schmeichelndes Abwägen, entspannte Perfektion.
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Kunst am Boden. Der Saal des UT noch weitgehend leer. Besprühte Leinwände.
Ein Konzert-Date mit Dame Luisenbach. Plausch vor dem Konzert in den unbequem Seitenklappsesseln, von winterlichen Jacken behangen. Vorband Jupiter C erinnert durch wohl inszenierte Trash-itude an Princess Chelsea, ein beat-schwerer Bogen aus repetitiver elektronischer Trance der in vagen Schlummer versetzt. Atmosphärisch Orientierung an Twin Peaks. Und ein Stück das wohlig an diese unglaubliche Drumstrecke von Chelsea Wolf erinnert.
Benommen stehen wir auf und nehmen einen Platz irgendwo mittig ein. Durch diverse live-Videos vor Freude und vorbereitet für Algiers. Und doch … die Wucht mit der einen der Beginn des Konzerts trifft. Die ungestüm pfeifende, fauchende und elektrisch aufgeladene Energie. Ein Orkan. Und was alles in ihm herumwirbelt. Soundschnipsel, Zerrgeräusche, nach vorn drängender Beat, der Tonus jedes einzelnen Stücks unter Spannung, die sich auf die Sinne überträgt, an der Aufmerksamkeit zerrt, Sein vor der Entladung eines Sommergewitters im Winter, Tanzbarkeit, ein Viertel blocparty-Nostalgie, in Drums Matt Tong, doch weiter, mehr, unaufgeräumter, sich überschlagende, überlagernde Gesangparts, die an anderer Stelle weich auffangen oder einen umschweben wie ein Wiegenlied, weitfassendes Instrumentarium der Stimmen im Backgroundchor, Brummen, lautes Rufen, überschlagen, Schreien, Summen, Pfeifen, Erinnerung an ein möglicherweise eingebildetes dschungelhaftes Kreischen, in jedem Stück andere Worte, Klänge, Laute, die alle ihren spezifischen Effekt erwirken, die Silbenklänge der Echostimmen, wahumm, Zeit wird gedehnt und zersetzt, zerdrillt und gestaucht, Postrock, Industrial, Soul 21.0, eine Kuhglocke?, Kirchturmläuten, aufbrausendes Schellenrasseln, Klapperschlangensignale, Ohrwurmmelodien, Loops, Groove, Geschwindigkeit und relatives Ruhen, …
»wir durchfuhren geräumige Dunkelheit, wie der Philosoph William James es einmal nannte«*
(Robert Macfarlane, Alte Wege)
Der Weg führt durch ins Gesicht wehenden und wirbelnden Neuschnee mit einem kleinen Umweg ins UT. Zestglücklich sitzen wir schließlich an den seitlichen Sitzen, umfangen vom gemütlich wartenden Dunkel im sich zunehmend mit Menschen füllenden Saal, dessen Schönheit auch an diesem Abend ausgiebig und mehrmals gewürdigt werden wird. Umfangen von diesem heimeligen prä-Konzert-Gefühl, und der Frage, wie sehr vielleicht nicht nur Landschaften das eigene Leben und Selbstsein prägen, wie Robert Macfarlane es in Alte Wege beschreibt, sondern auch dieses gemeinschaftliche Gathering, Menschen die sich abends entspannt versammeln, um live Musik zu hören.
Jaye Jayle beginnen mit einzelnen, alles durchdringenden, schlagenden Tönen, die – beide mit Schlagzeug ausgestatteten Musiker zeigen sich im suchenden Blick mit dem Aufeinanderklacken von Holzstäben beschäftigt – von keinem der beiden Schlagzeuge kommen. Es ist der Bassist, der diese satten Schläge setzt, um die sogleich ein dicht durchdrängtes Klima aus an Nick Cave erinnernden Gesang, urgewaltigem Rhythmus, Schüttelklängen, triefendem Blues, und einem durch Musik und Mensch hindurchgehenden tief vibrierenden sirenenaufjaulendem Spezialgeräusch geschaffen wird, der Gesang zwischen nahezu geflüsterten Beschwörungen und daraus emporsteigenden Schreien wechselnd, die schwer auf allem lastende Spannung durchbrochen von kurzen Atempausen, in denen einzelne Instrumente etwas zurückweichen, und darin sanft eingestreuten weichen backing Vokals und meditativ anplingenden Klängen und Weisen Raum geben.
Der Hof des Conne Island ist mit froh plauderndem Konzertvolk gefüllt, voll von sommerlichem Draußengefühl, kühle Getränke in den Händen. Mit Mühe können wir unsere seit Stunden wartende Begleitung aufgrund dieses gegenteiligen Anscheins davon überzeugen dass es a…winterkalt ist, und das Drinnen aufzusuchen wäre. Die Ränge lassen wieder genug Platz für diesmal drei Senioren, der Blick zur Bühne ist für einen jeden durch den Pfosten in einer anderen Linie durchbrochen. Für mich geht der Pfosten meist zwischen das Seelenzwillingspaar Bent Sæther und Hans Magnus Ryan wie ein Spiegel, bei hervorragender Sicht auf alles was Taste ist, sowohl auf das zentralere Tastengeschehen rechts, als auch das nur gelegentliche am linken Bühnenrand.
Der Einstieg ein lässig lockerer Rocksound, der, wie auch die folgenden epischen Stücke mit erstaunlich geringer Aufmerksamkeitsdrift munter durchwippt werden kann. Auf der Leinwand taumelnde gezeichnete Wälder in dunkler Nacht, die durch sie hindurchfliegende Kamerafahrt eine sehr stimmige Begleitung der ebenso wie beschwipst glücklich vor sich hin treidelnden Stücke, im weiteren kreist sie um ein altes Farmhaus und einen kleinen Jungen. Es groovt und schrammt und plingt. Schon bald der Übergang in pfeifende, schallende, sirrend und flirrende Spaceopersequenzen, Mandalas entfalten sich auf der Bühne, balladeske arglos verträumte wie in halbschlafender Trance gesungene Intermezzi in siebziger-Jahre-Melancholie, Jazz, Dub-Jazz, elektronische Wirbel und wildes Orgeln, Slides und Gehämmer an den Tasten. Hin und wieder das Gefühl etwas, kurze Augenblicke nur, vom Unicorn zu erahnen, ein Song glänzt mit Posaune, abrupteste Wechsel und Brüche, Wendungen wohin das Ohr auch hört, immer sauber auf den Punkt gespielt wie man so sagt, mit dieser geradezu irrsinnigen Beherrschung ihrer Instrumente. Passagen psychedelischen Wahnsinns wechseln mit wiegenden besänftigendem Gesang, der von gitarrendichtem Sound eingeholt wird, das Lächeln fliegt einem wie aus dem Nichts ins Gesicht, irrglückselig, Stücke die eine Gitarre mit 2 Stegen unabdingbar machen, in einer andauernden rasant schnell gespielten Strecke wird allein durch das Zuhören Saitenstechen körperlich evoziert, ein Song erinnert an Highschoolrock a la Weezer, ein anderer im Gesang an frühere Foo Fighters, eine 2-Mann-synchrone-Tanzeinlage mit im Wechsel schräg nach vorn geworfenem Schwungbein wie sie Dead South nicht lässiger hätten bringen können erfreut Seele und Geist, es ist alles so kur-zweilig, Zugabe, ein Stück aus vielen, am Ende dieses grandios knätschige Jahrmarktpiano und Gesang, mehrstimmig, großartig. Das letztes Lied wie ein fade out, it feels good to feel again. Der Abschluss eines kleinen Seelenausflugs aus dem Alltag.
… ein möglicher Eintrag ins dictionary of obscure sorrows: mogwai: moments that are quiet, humble, thoughtful, touching, lucid, precise, full of melancholy, light, darkness, energy, mind drifting, soulful, blowing, thundering … all and everything at the same time. Their beauty is overpowering your self, the you vanishes in these moments. … this is mogwai
Das fürsorgliche Angebot des Täubchenthals bereits ab achtzehn dreißig Einlass zu gewähren, um lange Einlasswartezeiten zu minimieren, scheint in der winterzeitdunklen Nacht die niedrig über der weiten backstein- und holzwandumsäumten Teerfläche liegt, von vielen nicht wahrgenommen worden zu sein. Eine Warteschlange schlendert und trippelt gemütlich und in gelassen erwartungsfroher Stimmung dem Eingang zu. Innen der Geruch diverser auf niedriger Stufe Atmosphäre generierender Nebelmaschinen und ein hauchfeines Partikelwabern in der Luft durch das viele Menschen ihre Spuren ziehen. Zur Bar, zur Garderobe, Platz suchen unten, linke Bühnenseite, rechte Bühnenseite, Mitte scheint bereits undurchdringlich, nach oben, Klangcheck, nach unten nochmal vergleichen, wieder nach oben, eine glückliche Spannung liegt im Raum.