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Neurosis | 15.08.16 | UT Connewitz
Vorband Tesa. Dezibel- und stimmungsintensiv einwiegender Lärm für Neurosis. Erst recht kurzweilig, dann doch mit Längen durch fehlende Leitmotive in den Liedern. Zerrgeräusche von Dauer. Türkise Beleuchtung ruft kürzlich gelesene Pilgerepisode des Institutsleiters in nächtlicher Herberge wach, und genauso malt sich mir nun schauerlich doch auch faszinierend der die Pilger damals des nächtens heimsuchende Lärm aus. Basshebel, momentelang wird ein pfeifendes-Wind-Geräusch simuliert. Teile des Gehörs werden aus Sicherheitsgründen deaktiviert. Der Rest des Abends wird in Unterwasserakustik verbracht.
Neurosis. Eine wunderschöne e-Holzgitarre in den Händen von Steve von Till ziert die ersten Stücke. Als der erste Gesang einsetzt umspült er die strapazierten Rezeptoren des Gehörs wie das weiche Wasser der Brandung an einem milden Sommertag das Sein, und wird sogleich von einer Welle aus Krach fortgerissen. Grandios wuchtvolles und exaktes Spiel. Doch Sauerstoffmangel und ohnehin reichlich mitgebrachte Müdigkeit reduzieren die Aufmerksamkeitsfähigkeit leider beträchtlich. Und die akustische Verarbeitung taucht immer tiefer ab, in die dumpfe doch irgendwie auch zufriedene Stille unter Wasser, während über der Wasseroberfläche ein Orkan lärmt. Neurosis stehen über derlei Fokussierungsproblemen. In konzertiertem Energiegestüm erklingen unermüdlich die Saiteninstrumente, das Schlagzeug und die Klangklöppelbank wie aus einer titanischen Schmiede, und erschaffen etwas über die Dauer eines bewusstseinsumnebelten Konzertabends hinaus.
PGI Expeditionsbericht & Trivialnotizen | España del Norte | 18. bis 28. September
Keine Postkarten! Keine Bilder.
Albatrosse!
Von einer Einzelerkundung in das östliche Wanderpfadgebiet kehrt der Institutsleiter aufgeregt zurück und erwähnt beiläufig er habe auf den Felsen Albatrosse, diese majestätischen Vögel der Meere, bei der Jagd beobachten können. Ich muss zugeben mir wurde nicht wenig weh ums Herz, dass mir diese Vögel bei meiner vorangegangenen, sehr aufs Botanische konzentrierten, Erkundung entgangen waren. Wir beschließen nochmals zusammen zu den Felsen zu gehen, doch tags darauf sind keine Albatrosse zu sehen. Sammeln dafür steinzeitlich hämmernd Gesteinsproben in den Felsen. Der Institutsleiter birgt unter anderem ein kleines porzellanbeigeweißes Stück Koralle und einen Stein auf dem drei längliche, abgebrochene Korallenstücke zu sehen sind, die im inneren vollständig durch Quarzkristalle morphologiert wurden. Äußerst bemerkenswert!
Abends beschließt die versammelte Institutsmannschaft aufgrund der aufsehenerregenden Sichtung das ohnehin reichlich vorhandene Wissen über Albatrosse (Diomedeidae) weiter zu vertiefen. Der Institutsleiter zitiert aus der einschlägig bekannten und fachlich meistgenutzten Wissensquelle Wikipedia. Wir vernehmen begeistert dass die Albatrosse der Familie der Röhrennasen (Procellariiformes) angehören. Zu dieser Familie gehören übrigens auch die von mir seit der Azorenreise sehr geliebten Gelbschnabel-Sturmtaucher (Calonectris diomedea), wie ich hier hocherfreut ob der unverhofften Wiederbegegnung anmerken darf. Weiter wird berichtet dass von den 21 Arten 17 in den südlichen Ozeanen vorkommen, drei im Nordpazifik und eine in den Tropen …
»… Albatrosse können Flügelspannweiten von über 3,5 Metern erreichen und übertreffen damit jede andere lebende Vogelart. Auch die kleinsten Vertreter der Familie haben noch Spannweiten von zwei Metern. Mit einem Gewicht von bis zu 12 Kilogramm gehören Albatrosse zu den schwersten flugfähigen Vögeln überhaupt.
Verbreitung und Lebensraum. Der Großteil der Arten lebt über den Ozeanen der Südhalbkugel. Dort kommen sie vor allem auf verschiedenen Inseln wie Falkland, Macquarieinsel, Crozetinseln, Prince-Edward-Inseln und Südgeorgien vor, daneben bilden sie vereinzelte Kolonien in der Antarktis. … Im Nordatlantik und seinen Nebenmeeren gibt es für gewöhnlich keine Albatrosse; … Stürme führen allerdings dazu, dass Albatrosse auch auf die Nordhalbkugel verschlagen werden. Da sie ohne Wind nicht flugfähig sind, können sie anschließend die äquatorialen Kalmen nicht mehr überqueren und verbleiben so oft mehrere Jahre auf der »falschen« Halbkugel. Zum Beispiel war ein Schwarzbrauenalbatros von 1972 bis 1987 alljährlich auf den Shetlandinseln zu sehen. … Albatrosse meiden normalerweise die Küstennähe, und das feste Land suchen sie ausschließlich zum Brüten auf. Sie können Tausende Kilometer weite Wanderungen unternehmen und sind somit auch fernab jeder Küste zu finden. Als Brutplätze dienen meistens kleine Inseln mit grasbewachsenen Hängen. Felsige Steilküsten bieten dagegen wegen der Start- und Landeschwierigkeiten ungeeignete Bedingungen für Albatrosse. …«
Ich möchte festhalten dass die Beobachtung des werten Kollegen durch diese Informationen keineswegs geschmälert oder sogar unwahrscheinlich wird. Im Gegenteil. Gerade durch die extreme Unwahrscheinlichkeit Albatrosse an einem Felsen der spanischen Nordküste zu beobachten, ist die Sichtung dieser imposanten Geschöpfe der Lüfte von noch fantastischerer, immens bemerkenswerter, Bedeutung!
Das Abendessen erfreut alle Teilnehmenden durch die pikante Pimientos de Padron-Lotterie. Erstaunlicherweise gelingt es Dame C mit Leichtigkeit aus den letzten vier Pimientos den Hauptgewinn zu ziehen. Zum Glück hält die Institutsapotheke für solche Gelegenheiten galizischen Kräuterlikör (Ruavieja, Licor de Hierbas) bereit.
Nächtens tummeln sich diverse Institutsmitglieder auf dem Strand, versuchen sich in unverwackelten Nachtaufnahmen, patschen durch das Wasser, lassen sich von plötzlich vereinzelt weiter heranrollenden Wellen die hochgekrempelten Hosenbeine benetzen und sind alles in allem quietschfidel, ausgelassen und munter, oder auch gerne verträumt und nachdenklich während sie in die weißbeschäumte Dunkelheit blicken.
Der Institutsleiter formuliert die These vom Tag- und vom Nachtstrand.