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Traumthesen ::: surreales Ausfransen von Gedankenrändern
»Es geschah wenn ich schon eine Weile im Bett lag und langsam in eine Region wegdämmerte, in der die zuletzt gedachten Gedanken an den Rändern surreal werden und sich allmählich zu Bildern und ganzen Szenen formen. Stufenlos gleitet man von einem abstrakten Gedanken in ein sehr reales Erlebnis, mehr noch, in eine andere Geschichte, eine fremde Welt, auch wenn vom eigenen Bewusstsein zumindest so viel erhalten bleibt, dass einem das Traumhafte daran klar ist.«
(David Foster Wallace, die Seele ist kein Hammerwerk)
thoreauvian ::: zeit zusammenhalten
»Manchmal dient ein Tag nur dazu, die Zeit zusammenzuhalten.«
(Henry D. Thoreau, Tagebuch I)
existentiell ::: gebrauchtsorgen
»… ich freute mich über die unverhoffte Sorge … sie war in einem guten Zustand, dem Verkäufer war ihr Wert sicher nicht bewusst gewesen, sonst hätte er sie uns nicht einfach zu der abgenutzten Trauer eines jungen Dichters dazugegeben, noch mehr aber freute ich mich darüber dass es sich um eine existentielle Sorge handelte, professionell gearbeitet mit höchst präzisen und wundervollen Details versehen … als ich sie zu benutzen begann wurde die Schlaflosigkeit zu meiner täglichen Gefährtin … «
(Ghayath Almadhoun, ein Raubtier namens Mittelmeer)
taskinen ::: jahre aufwirbeln
»… ich habe nie aufgehört, ein Jahr alt zu sein, es sind nur ständig Jahre dazugekommen. Jemand rempelt mich an. Meine Gedanken wirbeln auf und setzen ich dann wieder, in leicht veränderter Anordnung. Das ist nicht nur schlecht. Wenn die Dinge ein bisschen durcheinandergeraten sind, können neue Zusammenhänge entstehen.«
(Satu Taskinen, Kinder)
Algiers | 28.02.18 | UT Connewitz
Kunst am Boden. Der Saal des UT noch weitgehend leer. Besprühte Leinwände.
Ein Konzert-Date mit Dame Luisenbach. Plausch vor dem Konzert in den unbequem Seitenklappsesseln, von winterlichen Jacken behangen. Vorband Jupiter C erinnert durch wohl inszenierte Trash-itude an Princess Chelsea, ein beat-schwerer Bogen aus repetitiver elektronischer Trance der in vagen Schlummer versetzt. Atmosphärisch Orientierung an Twin Peaks. Und ein Stück das wohlig an diese unglaubliche Drumstrecke von Chelsea Wolf erinnert.
Benommen stehen wir auf und nehmen einen Platz irgendwo mittig ein. Durch diverse live-Videos vor Freude und vorbereitet für Algiers. Und doch … die Wucht mit der einen der Beginn des Konzerts trifft. Die ungestüm pfeifende, fauchende und elektrisch aufgeladene Energie. Ein Orkan. Und was alles in ihm herumwirbelt. Soundschnipsel, Zerrgeräusche, nach vorn drängender Beat, der Tonus jedes einzelnen Stücks unter Spannung, die sich auf die Sinne überträgt, an der Aufmerksamkeit zerrt, Sein vor der Entladung eines Sommergewitters im Winter, Tanzbarkeit, ein Viertel blocparty-Nostalgie, in Drums Matt Tong, doch weiter, mehr, unaufgeräumter, sich überschlagende, überlagernde Gesangparts, die an anderer Stelle weich auffangen oder einen umschweben wie ein Wiegenlied, weitfassendes Instrumentarium der Stimmen im Backgroundchor, Brummen, lautes Rufen, überschlagen, Schreien, Summen, Pfeifen, Erinnerung an ein möglicherweise eingebildetes dschungelhaftes Kreischen, in jedem Stück andere Worte, Klänge, Laute, die alle ihren spezifischen Effekt erwirken, die Silbenklänge der Echostimmen, wahumm, Zeit wird gedehnt und zersetzt, zerdrillt und gestaucht, Postrock, Industrial, Soul 21.0, eine Kuhglocke?, Kirchturmläuten, aufbrausendes Schellenrasseln, Klapperschlangensignale, Ohrwurmmelodien, Loops, Groove, Geschwindigkeit und relatives Ruhen, …