thoreauvian ::: sich selbst überblicken
»Wir … haben kein vorausblickendes Gedächtnis – sondern wir leben, als sei es unmöglich, uns jemals selbst zu überblicken.«
(Henry D. Thoreau, Abschriften 1840–1842, in: Tagebuch II)
»Wir … haben kein vorausblickendes Gedächtnis – sondern wir leben, als sei es unmöglich, uns jemals selbst zu überblicken.«
(Henry D. Thoreau, Abschriften 1840–1842, in: Tagebuch II)
»Jedes Werk von großer Autorität und Genialität schiene in unserer Vorstellungskraft den gesamten Raum zu durchdringen und zu durchfluten.«
Im Verstehen was das Lesesehnen nach Thoreau entstehen lässt, beantwortet Hr. Thoreau sich selbst. Es geschieht in Werken, die das Selbst durchfluten; sie füllen es an, und aus. Verbinden sich mit dem Selbst, und sind danach nicht mehr zweifelsfrei davon zu unterscheiden, und schon gar nicht mehr daraus zu lösen.
»Sein Geist, gleichsam ein feinerer Äther, zöge zusammen mit den vorherrschenden Winden eines Landes dahin – und verliehe den Wiesen und den Tiefen des Walds einen neuen Glanz und umspülte die Heidelbeeren auf den Hügeln, wie manchmal ein zarter Einfluss am Himmel in Wellen über die Felder strömt und an einem unsichtbaren Strand in der Luft zu branden scheint. Er würde die Morgen- und die Abendstunden zubringen – und alle Dinge würden ihn bestärken. Als ich mich in die Wälder aufmache, überlege ich, ein Buch mitzunehmen, dessen Verfasser sich dort auskennt – dessen Sätze meinen Gedanken in nichts nachstehen und sie weiterführen werden – oder mir menschliches Leben zeigen, das selbst dann noch am Horizont glänzt, wenn die Hügel die Stadt schon verdecken. Doch ich kann niemanden finden, keiner will so weit voransegeln, in die Bucht der Natur wie mein Denken – sie bleiben zu Hause – Als ich die Wälder erreiche, rascheln ihre dünnen Blätter in meinen Fingern. Sie sind klar und deutlich und nicht von einem Lichtschein oder Dunst umgeben. Die Natur liegt weit und heiter hinter ihnen allen.
Ich würde gerne auf den großen und gelassenen Satz stoßen, der sich nur darin offenbart, dass er groß ist, den ich selbst mit meinem größten Scharfsinn nie durchdringen kann und hinter den ich nicht gelange – weiter als der Himmel selbst – den kein Verstand erfassen kann. Ihm sollte eine Art Leben und Zucken gegeben sein; unter seiner Rinde sollte auf immer eine Art Blut kreisen, das seinem Aussehen Frische verleiht.«
(Henry D. Thoreau, Abschriften 1840–1842, in: Tagebuch II)
… und findet das eine als gegenseitige Metapher in dem anderen. Naturaes Bruder. Literaturs Schwester. Das Denken hüpft begeistert um das eine wie es um das andere kreist und aus beiden hervorgeht.
»Manchmal bleibt einem eine triviale Erfahrung im Gedächtnis haften und löst eindringliche Reflexionen und Überlegungen aus, die weit über die eigentliche Bedeutung des Falles hinausreichen.« Bei ihm ist es die Unregelmäßigkeit der Kasusendungen des lat. Wortes flos, die Blume, was »… eine ganze Kette faszinierender Gedanken in Gang setzte …« Bei Proust ist es unter unzähligen anderen Eindrücken ein loser Pflasterstein auf dem seine Gedanken kippelnd hängen bleiben. »… alles in allem tragen somit die Veränderungen der Bedeutung nicht nennenswert dazu bei, das Dämmerlicht zu erhellen, das über Lauten und Strukturen liegt.«
(Guy Deutscher, Die Evolution der Sprache)
… windzerzauste Bäume. Salzmarschen. Anblick friedvoller Landschaft. Expeditionszusammenstellung Teil eines komplexen Musters. »Die Wirkung versteht man nur, wenn man dort gewesen ist. Auch die Schönheit all dessen versteht man nicht, und wenn man die Trostlosigkeit schließlich als schön empfindet, dann hat sich etwas in einem verändert. Dann ist die Trostlosigkeit dabei, sich im Inneren auszubreiten.«
(Jeff VanderMeer, Southern Reach)
»… Zufallsgedanken, wie aus einem umgekippten Eimer …«
(Fernando Pessoa/Àlvaro de Campos, … wie an Tagen, in: Poesie und Prosa)