Scanners & Handsome Furs | 13.05.09 | Bang Bang Club
In jeder Stadt gibt es an sich ohnehin höchstens zwei bis drei Veranstaltungsorte in die man gehen kann. Denn all die Fülle die oberflächlich betrachtet vorhanden scheint — Vortäuschung, Spiegelung, nicht real. Das allein kann die Erklärung dafür sein, dass sich das tatsächlich verbrachte Leben immer in denselben Szenerien abspielt. Und so sind wir wieder im Bang Bang Club in Berlin. Seit Wochen den Handsome Furs entgegenfiebernd und bei jedem beglückten Gedankenschlag daran ein paar Hüpfer zu den Beats vor Vorfreude vollführend. Die Musik dazu ohnehin auf ewig in sich bewahrt und abrufbar.
Nach einem schnieken Abendessen im urgemütlichen Café Europa mit zusammengetrommelten Berliner Exileilsbrunnern geht es zurück zum inzwischen zugebauten Platz vor der S-Bahnstation Hackescher Markt, eine Tat die mein nach Weite fassendes Herz betrübt. In den Bang Bang Club. Neugierig was einem die Vorband bieten mag.
Scanners. Ich hoffe dass sehr viele Popupgäste heute am richtigen Ort sein werden. Der richtige Ort ist das UT Connewitz, in dem die Scanners heute zu Gast sind. Wissend woanders zu sein, unerträglich, zu wissen dass andere nicht dort sind, nicht da zu sein nur erträglich, wenn man gerade vor zwei Tagen von ihrer Musik kosten durfte — so unmittelbar danach wäre vielleicht wirklich zuviel. Wie Wein vier Tage hintereinander trinken.
Aber wie genial ist diese Band!
Noch hätte ich Zeit — vielleicht sollte ich mich doch dorthin schleppen. Andererseits wurde ich gerade beim Einkaufen brachial explodierend angehustet und hatte genau sieben Minuten später vor dem Nudelregal eine extrem plötzliche und intensive Fieberwallung und weichzitternde Knie fast bis zum Zusammenbruch. Inzwischen scheint die Krankheitsanwandlung überwunden, doch sollte es zur Leipzig-Grippe kommen, so möchte ich sie nicht senden. Niemals dorthin. Nicht dahin wo die Scanners sind, nicht mit ihnen auf den Weg. Ja die Scanners. Man könnte soviel über sie berichten. Über eine Band die ihre Bandshirts wenn nicht gar handmade dann doch zumindest so zu ihrem Stil passend fertigt, zeigt, dass sie ihre künstlerischen Fühler in jeden erreichbaren Winkel drängen muss. Nicht anders kann, als in sich schlüssig sein. Musik. Mode. Auftreten und Ausstrahlung. Eine Band die sich ihren Namen aus dem kanadischen Film Scanners greift.* Und einer Band die mit Mexico ein Lied über die Schweinegrippe verfasste, und das just Wochen bevor man nach ihrem Konzert auf dem Nachhauseweg darüber sinniert, dass niemand ein Lied darüber schreibt.
Eine Band die wie klingt? — Eine Tonverhörung. Sammeln auf der Bühne. Schlagzeuger. Gitarrist. Sängerin mit Bass, schmächtig, Lederjacke, eingezogene Schultern, punkige Schirmmütze, langschwarze glatte Haare schwirren darunter hervor, Gitarristin und Keyboardistin in dunkelblonder augenverdeckender Hippie-Mähne. Das was gleich kommen wird hätte ich aus diesem Bild nie gebildet.
Schwenk. Der alles durchdringende Grundklang schrammelt, quietscht und kreischt in Anklängen wie Muse oder jedwede andere weitgreifend breit angelegte Musik die sich mit Hymnen und Melodien in den Himmel reckt. Vielleicht schräger, rockiger, beatliger. Die Sängerin malträtiert ihren Bass mit kräftig schnell geschrammten Akkorden, es sieht aus als wäre ihr Anschlagarm integriertes Bauteil des Instruments. So dass man schluckt und versucht das ausgewalzte Wort Powerfrau aus dem Kopf zu bannen.** Derart dass es mir nicht nachvollziehbar ist, wie sie so gänzlich davon unberührt, singen kann. Schwenk. Mit einer Stimme die einen in die Vergangenheit zieht um an Tori Amos zu erinnern. Oder wieder nach vorne treibt, um die oft sorglosklare bis betrübtverspielte Brillianz von Regina Spektor hervorzuzaubern, doch mit einem schelmischen Funkeln versehen. Sagen wir mit einer Stimme die nach Ausbildung klingt. Und weiß wann sie wie eingesetzt werden will. Testend in die Höhe halten. Ob melodisch, zart oder voll oder in einem Schreikanon der nie ins Krächzen kippt. Gegens Licht. Dur-hart, schmutzig oder klar. Und immerzu blitzt es wie aus dunklen Elfenaugen. Und dabei wirkt sie fortweg so natürlich sympathisch wie es die Ansagen dazwischen auch bestätigen. Den Arm dirigierend in die Luft hebend und langsam absenkend, wenn dem Publikum besondere Aufmerksamkeit an den bevorstehenden Moment empfohlen wird. Seht her, fühlt jetzt, besonders jetzt. Schwenk. Und darin eingeflochten als schwebende Note Hintergrundgesang von Gitarrist und Gitarristin. So weich, so lang, so schön. So alt. Schwenk. Und all das durchsetzt von geschickten Kniffen, Schwenken und Windungen. Schluckschmatz. Eine sehr empfehlenswerte Sorte.
Handsome Furs. Seit Wochen wiederholte Beschreibung des Klangs: die machen so Rock n’ Roll. Er mit Gitarre und einer Wahnsinnsstimme. Seine Frau an einem Synthesizergerät (tatsächlich Keyboard und Drumcomputer). Sehr schneller Beat.
Die Lieder auf dem Album sind so mächtig tanzdienlich, dass die Band live nicht anders als toll sein kann. Und so sei es. Auch wenn die gymnastisch, wild auf- und abhüpfende, den Kopf in heftigen Vorwärtsschwüngen fast aufs Pult schmetternde und hie und da ein Beinchen nach hinten in die Höhe reißende, mit sehr eindeutigem Gesichtsausdruck die Körpermimik betonende Performance des Platinblonden P-Engels durch meinen Mangel an visuellen Erfahrungen mit Techno-DJs auf mich doch recht irritierend, wenn nicht gar verstörend wirkte. Schlicht zuviel Energie, die an einem Drumcomputer nicht ausreichend freigesetzt werden kann.
Und wiederum wirken auch die beiden zwischen den Stücken so gutgelaunt kumpelig, dass man sich so rundum schön und gut aufgehoben fühlt, gelockert, bereit für die nächste pulstreibende Runde in gefühlten 333 bpm. Diese beatzersetzte Geschwindigkeit die den so zeitlos aus der späten Mitte des vergangenen Jahrhunderts zurückhallenden Gesang in die Ewigkeit geleitet.
* Der Plot kommt mir sehr vage bekannt vor. Noch wem?
** Energiedame wäre schön, doch mag Dame nicht passen. Diva täte es, hätte es nicht den negativen Beiklang der Allüre.
admini · May 15, 2009 @ 23:16
Man tastet sich ja oft so langsam zögerlich an neuen Kommunikationskrams ran. Lese gerade dass die Scanners twittern. (http://twitter.com/wearescanners)
Hier die zwei Einträge über Berlin:
# Wow, great night in Berlin! Thanks to Handsome furs for modelling our T shirt on stage - they looked great! and what a set!11:01 AM May 14th from web
# Scanners are sound checking at BangBang club Berlin! And we are Bang up for it! Ha ha10:18 AM May 13th from TwitterBerry
Ja. Das wegen bangbangklimatischer Bedingungen vom Sänger getragene Frauen-Band-T-Shirt der Twitters stand ihm wirklich fein. Nicht jeder kann derart rot und rückenfrei tragen.
admini · May 15, 2009 @ 23:20
hmm. und TVontheRadio hat 478 Followers und noch keinen einzigen Eintrag getwittet.
und es gibt einen Nutzer der armedhobbit heißt.
Und … es scheint ein schönes Spielzeug zum sinnlosvollen Zeittotschlagen zu sein.
admini · May 17, 2009 @ 13:36
Nachtrag. Wem Filme eigentlich zu lang fürs Leben sind, dem seien die Clips der Handsome Furs anbefohlen. Zum Beispiel: I am Confused. http://www.youtube.com/watch?v=MS5mbeXHOmo
whity · May 21, 2009 @ 19:00
obwohl mir dieser ganze neumodische Kommunikations-Kram sehr suspekt ist, habe ich auch schon mal überlegt einen Twitterdingsbums zu eröffnen und dort ausschließlich über aufgenommene Nahrung und meine Verdauung hier in Lateinamerika zu berichten. Halte ich persönlich für emminent wichtig und würde es gerne mit der Welt teilen. Ich finde sowieso, dass jeder einen Twitterkanal braucht, um sich dort mitzuteilen
admini · May 21, 2009 @ 19:26
Ohja. Das ist eine ausgezeichnete und vor allem auch für die Forschung wichtige Idee. Wielange braucht ein Europäer um sich voll auf die mittelamerikanische Nahrung umzustellen?
Nur zu. Ich verspreche wenn Dus machst, werde ich dir followern Und alles was Du diesbezüglich schreibts mit meiner eigenen ernährungstechnischen Erfahrungswelt (Vegetarier bestimmt auch nicht uninteressant für den Forschenden) vergleich und kommentieren.