The Ettes | 20.05.09 | Moritzbastei
Als vor Jahren Bloc Party brisenfrisch durch die Musiklandschaft wehte und die Luftströmungen sich dabei wie ein Wundermittel um müde Tanzbeine wickelten, zuzogen, festhielten und einen durchzappelten, vermeine ich in einer Rezension gelesen zu haben, was den Klang von Bloc Party so besonders mache. Dass dabei unter anderem der Schlagzeuger, und wie das Schlagzeug in den Liedern zur Geltung komme, eine entscheidende Rolle spiele. Dass Bloc Party in Tradition einer bestimmten, mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Musikrichtung, die ich gerne benennen würde könnte ich mich besser erinnern, das Schlagzeug nicht nur als Taktgeber und begleitendes Instrument im Hintergrund vertuschen lassen, sondern als melodiegebendes Instrument begreifen. In den Vordergrund rücken.
Die Beschreibung war wohl noch um einiges genauer, technischer, mit mehr Fachbegriffen unterlegt, und nur vage konnte ich die Wahrheit des Geschriebenen erfühlen und noch weniger diese aus den Liedern als Tatsache bewusst heraushören.
Seit gestern kann ich dieses vage Gefühl etwas besser fassen.
Seit gestern kenne ich die Musik von The Ettes.
Meine kurzsichtigen Augen verstehen Musik besser als meine Ohren. Sicht-Gehör-Synchronisation. Sehen ist Begreifen.
Vormittags reserviert Herr Walte Karten für Herrn Åström und stößt dabei mit dem dortigen Programm des diesigen Abends zusammen. Wird neugierig. Hört rein. Ein plötzlich sich zusammenbauschender, gewaltiger Sturm reißt ihn und die Leute die zufällig in Reichweite standen hinfort, und spuckt uns Stunden später erst abends wieder vor der Moritzbastei aus, weit fortgetragen in das Land des BeatOzPunks.
Die Veranstaltungstonne ist locker gefüllt, viele scheinen die Band schon weitaus besser zu kennen, doch viel mehr noch haben bisher genausowenig Tonträger wie wir, und umwirbeln daher im Anschluss wie im Rausch den Erntetisch.
Die Bühne ist locker gefüllt. Links die Gitarristin und Sängerin, deren Stimme sehr hübsch in eine horizontweite in der Abendsonne glühende Feldlandschaft nicht unweit von Dorothys Farm passen würde. Am Bildrand steht ein pastellfarbener Cadillac. Der Cadillac an dem die drei auf dem Cover zu »Shake the Dust« lehnen. Ockener Staub weht sanft in Halmhöhe.
Rechts der Bassist. Erste Generation in der selbstbewussten Verstädterung.
Und in der Mitte ein auf die wesentlichen Krachteile reduziertes Schlagzeug samt wildfröhlich gelockter Schlagzeugerin. Wer mit derart durchpulster Gewalt geschmeidig aufs Schlagzeug wuchert, der braucht nicht viel Instrument um sich.
Und so scheint es ganz natürlich aus dem Selbstverständnis der Band heraus zu sein, dass Gitarristin und Bassist im Ehrenspalier stehen, die wuchtige Präsenz des Schlagzeugspiels ungehindert an das Publikum antosen lassen. Dabei versierte Ruhe austrahlend und auf ihren Instrumenten oft nur bewusst gestreute, aus dem Handgelenk geschüttelte, das Trommelspiel unterstützende Streiche im Sekundenabstand führen, die die Anspannung oben halten statt sie im Geräuschtumult versanden zu lassen. Und dabei hört man aber sowohl Gitarre als auch Bass durchdringend deutlich heraus. Vor allem wenn die Melodie kurz am Schlagzeug in drei Teile zerspringt und sich auf alle drei aufteilt, etwas stärker und länger am Bassisten verweilend, ab und an ein paar Surfkapriolen schlagend, ein bisschen an der Melodie herumzupfend, bevor die einzelnen Teile wieder im Zentrum zusammenstürmen.
Ganz egal oder sogar wunderbar dass die Lieder in Augenblicken immer mal an andere (un)bekannte Lieder erinnern.* Die Musik hat es in sich, plötzlicher Einsatz, Aufbau, Zusammenhalt, Tempiwechsel, tiefbrummender Bass, tosende Melodie, hineinrufender Gesang und motorstotternder Takt, querulierende Naturgewalt im Spiel mit nüchterner Technik, bis hin zum abrupten Ende; alles ganz schön gerissen. Alles ganz schön Schlagzeug.
Anspielvorschläge MySpace:
No Home, … ach egal. Alles.
* The Rules zum Beispiel an ein Lied von Clearlake. Ich komm noch drauf. Ich forsche noch.