Exile on Mainstream ::: 10./11.05.24 ::: UT Connewitz
Was aus zwei übervollen Abenden in der kurzen Erinnerung gegriffen,
bis Eindrücke, Bilder ihre gespeicherte Form erhalten haben. Wenn auch nur angestriffen,
und sicherlich einiges was war, bereits kurz gehalten, verloren auf immer.
Kleine Erinnerung … Temps perdu à l’exception de ces souvenirs.
Zweiabendiger Labelgeburtstag. Kommen spät zu Darsombra an, elektronische New Age Gitarrenspiritualität, weiß gewandetes Verschwinden in der Leinwandprojektion. Warten. Das UT wirkt im Vergleich zu den letzten anwesenden Konzerten leider ungewohnt leer. Es gibt eine lange Merchstandtischreihe, die freilich Sitzplätze versperrt. Irgendwann ist der Umbau vollzogen. The Antikaroshi. Der Sound ist als würde jemand auf sehr solide und zielgerichtete Weise irgendwelche Dinge zerlegen, was eine durchwegs zufriedenstellende Erdung hervorruft. Erste Gedanken an Bulbul an den abgedrehteren Stellen flackern durchs Sein, Blick auf Schlagwerk, Gitarre und Bass ist hervorragend. Dazwischen ruhende Jazzambienteinsprengsel, die sobald verquer verdrillt abdrehen. Zwischen den Stücken kurzweiliges verpeilt mimendes Geplänkel mit dem Publikum. Was spielen wir heute? Ahja, die neue Platte.
Eine Umbaupause später und zwei Label-Musikscheiben reicher. End of Level Boss. Schon der Soundcheck meint es ernst, Sänger mit weitreichend tiefdringender Stimme. Klingt so »bloßer« Heavy Metal, mit deutlicher Blues-Prägung im Gesang? In letzten Jahren so viele Dark Metal-Bands live gesehen, wo nicht immer wirklich gesungen wird? Wie bei vorhergehender Band sehr viel Schlagwerk und Saite. In einem Stück vermeint man ein menschliches weiches Summen oder Hallen, ein sphärisches Rufen zu hören. Da niemand singt, kann es aus den Saiten kommen? Oder ist es vom Band?
Ostinato. Eine Umbaupause später, um etwas Sauerstoff aus der Wolfgang-Heinzestraße und kurzes Sitzen reicher. Rückkehr ins UT wie Eintritt in eine Nebelwelt. Aus mangelndem Kennen erkennen wir Ostinato nicht wirklich wieder, zwei Bandfreunde, Anna an der 2nd guitar, und Unverständlich am Schlagzeug, helfen wohl auch aus. Zwei Gitarren, ein Bass in der Mitte, und Schlagwerk. Zu ein paar Stücken kommt die Violinistin von Whispers hinzu und passt hervorragend ins Geschehen. Das erste Stück ist ungewohnt unstrukturiert schrammelig, ein gänzlich anderer Eindruck als die über die Jahre immer leuchtender gewordene Welt die allein der Name Ostinato in einem ausgelöst hat. Wo sind die klaren Linien, Bögen, Wellen und vielfach auffächernden Formen? Doch schon das Zweite ist wie die Einfahrt in einen vertrauten Hafen. Die weiche Stimme des Bassisten die eine kleine Geschichte haucht, ruhiges Plätschern, breite Bänder aus angenehm hohen und ruhig wehenden Bändern die hindurchziehen, die auf Surf gestimmte Gitarre die durch alles hindurchplingt, und das überabrupte Eintreten in Sturmwirbel aus schnell auftreibenden Drums, auftürmenden Gitarrenseiten und allem was sich irgendwann wieder unversehens im ruhigen Dahintreiben auffängt. Ostinato, wie eine Verheißung aus der Erinnerung die wieder erfüllt wurde. So schön es noch einmal live durchleben zu können. In der Form aufzugehen.
Draußen das längste hinter einer Tram her rennen seit langem, das Kreuz verlassen und autoleer. Beinahe nicht fit genug.
Gaffa Ghandi mäandern mit ordentlich Wumms durch verschiedene Melodieläufe. Noch spärlich besuchter Teil des Abends. Zum letzten Stück bitten sie einen dezent gekleideten Herren mit auf die Bühne der sie als weitere e-Gitarre unterstützt, und auch als Model ihr letztes Albumcover ziert. Erwähnen dass Bulbul das Geschehen in Berlin zerlegt haben und prophezeien dies auch für Leipzig.
All them Gavial wirken keineswegs überhaupt nicht wie eine gewisse andere Band. Weder ist die Stimme exakt baugleich, noch alles andere. Der Sänger hüpft hin und wieder wie ein Boxer der sich aufwärmt in mehrfacher Taktgeschwindigkeit. Wer auch immer in den Umbaupausen an der Musikauswahl sitzt, scheint unvermittelt Lust zu verspüren All them Witches zu hören.
Treedeon beginnen mit einem geradezu zarten Zweigesang, e-Gitarrist und e-Bassistin an den entfernten Polen der Bühne sich gegenüberstehend, bevor sie mit sehr sichtlichem Mitvergnügen sehr viel wummernden Noise in gemütlichem Kopfwipptakt über dem Saal ausschütten. Hie und da lassen sie das Noise ausklingen und darunter steigen für eine kurze Weile verschnörkelt feine Melodien auf, um sogleich wieder unterzutauchen. Vor der Show schließt sich die Sängerin am Lobpreis der EOM-Familie an. Der Saal hat sich etwas zufriedenstellender gefüllt. Ergänzende Erwähnung: sie spielen ihren Discosong.
Bulbul. Wie prophezeit. Zerlegen das Geschehen wie sie es seit eh getan haben. Bevor sie voll einsetzen und ihr Tanzfanclub sich in vollen Einsatz verausgaben kann, ein rein instrumentales Äonen andröhnendes Stück zu dem eine Dame mit Flammenkügelchen an Ketten feuerfarbene Muster webt, kaum verstehbar wie sich die Ketten nicht verzwirrlen. Die hominiden Tanzkügelchen stoßen nach und nach umgebende Kügelchen an, bis der ganze Saal in Bewegung gerät. Die Musik ein unbeschreibliches Allesaufeinmal an Tonfetzen, eingehenden Melodien, Beat, und Störgeräuschen. Verrückt, krachend schrammeliges beatgeladenes Showtuneszeug. Sehr kurz, aber schön. Gehörgänge auseinandergeschraubt und neu verlegt. Sehr besonders, wie sie alle aus dem meditativen groal-Schlaf der vorhergehenden Bands geschüttelt und zu wildem Rumspringen aktiviert haben. Der Saal erscheint danach etwas benebelt, wie aus einem Traum aufwachend. Nachtrag: etwas in der Durchgängigkeit der Stücke wirkt … seriöser? Gesetzter? Subtil stringenter? Äh Verzeihung, natürlich niemals! Vielleicht haben sie sich einfach nur entschlossen gestern ausschließlich ihre Partystücke zu geben.
Conny Ochs. Eine passende Zäsur zwischen Bulbul und Whispers. Wir bestreiten sie im Sitzen mit Weißwein, während Akustikgitarre, Erzählstimme und Piano Ferne und Nachdenklichkeit über den Abend legen.
Whispers in the Noise. Die Bühne überwiegend in blaues Licht getaucht. Stücke die sich weit ausholend langsam aufbauen, aus Violinseiten, meist sachten wie gehauchten Schlägen auf den Trommeln, hie und da elektronischen Tasten und elektronischen Seiten die sich in Melodie verfangen, und sich in alles einfügende Stimmen. Der Saal stecknadelstill. Ein zaubernd ruhender Ausklang der sich über zwei Abende aus überwiegend sehr ohrentäubender Musik breitet.