Weimar. Keine Straßenbahn, dafür Neue Linie
Drei wirrverzweifelt ungefügige Punkte zu einem Wochenende in Weimar.
01. Wihmar. Man erfährt die ursprüngliche Bedeutung des Namens war geweihtes Moor und der Klang des Namens fängt an verheißungsvoll zu schwingen.
Doch weder Moor noch städtischer Sumpf ist sommers in kleinen und beschaulichen thüringischen Städtchen zu finden. Derartige Versprechungen könnten wohl nur in nebeligen Wintern gelöst werden, und dann würde man wohl auch nur das Weimar aus historischen Romanen erkennen und nicht den Sumpf der Vorzeit.
02. Und ebenso nimmer kann eine kleine Stadt mehr so raumgreifend wie ihr auch nur aus dem vergangenen Jahrhundert geschichtsraunender Name sein.
Zumal wenn sich die Geschichte schon damals in Gründung der Weimarer Republik in selbige hineinquetschen musste. Und wie dieses Quetschen aussah, das kann man in der Ausstellung des Bauhaus-Museums in hübsch zeitgeschichtlichem Filmmaterial bestaunen. Wie alle Politiker eines Landes in einer kleiner Stadt zusammenströmen und sich Nachrichtendienst und Presse hinterherschleppt. Und in dem Filmmaterial entdeckt man bedrückt betrauernd, dass auch Weimar einst von einer Straßenbahn geziert wurde. Nun nimmer mehr.
Dafür kann die Stadt das sein was sie ist. Ein Kistchen voller Ausstellungen, schmucker mittelalterlicher Häuser, kleiner Cafés mit leckeren Schokoladen-Tee-Gebräuen, besandeten Hinterhof-Freisitzen und wild gemischtem 70er-Jahre-Funkelambiente im ersten OG, duftenden Schokoladen-Läden, altbackenen Pensionaten, und dem ACC, was bestimmt mein Lieblingsladen wäre, stünde er in Leipzig. Sie kochen mit abgefahrenen althergebrachten Kräutern und haben übrigens wunderbare Unterkünfte, die es ja fast mit der wohligen Unterkunft aufnehmen könnten in der ich untergebracht wart. Eine kleine Stadt also, die groß genug scheinen kann um Ideen zu beherbergen. Eine kleine Stadt voller Bauhaus.
03. Und damals, zu Republiks Zeiten flitzten und wuselten sie drunterdrein und schufen. Die Bauhäusler. Mißbehaglich beäugt von den Weimarer Bürgern.
Und heute behaglich zu besuchen im Haus am Horn. Freudig nachzuempfinden auf Ansichtskarten. Und zukunftzünftlig zu erleben an der Bauhaus-Universität.
Im leeren Haus am Horn eine Ausstellung über das recht weitverzweigte Schaffen der Künstlerin Dörte Helm. Wenn nur selten genug ins Leben gestreut ist Kunst gucken schon was tolles, der Blick in eine andere Welt, die sich aus Pigmenten aufbaut. Einige der schwarzkontrastig mit Tusche oder irgendwas gleichem düster gemalten Zeichnungen und die Landschaftsbilder von Ostsee- oder anderen Nordmeergegenden sprechen besonders an. Die Landschaftsbilder wirken alle weit, wohltuend flach und motivlos. Motivlos im Sinne, dass es nicht das eine zentrale und bestimmende Objekt auf ihnen gibt, sondern nur das frische Grün des Grases und die Fernblaue des Meeres.
Und im Bauhaus-Museum momentan eine Ausstellung für die eine Empfehlung auszusprechen sich zeitlich noch lohnt. Über die (!) Lifestyle-Illustrierte der damaligen, Weimarer, Zeit. Die neue Linie. Eine Ausstellung voller Typografie, Covergestaltung, Werbebriefen an Anzeigenkunden und im Hintergrund das damalige Zeitgeschehen. Dem Magazin für die besondere Frau. Also nicht irgendeine, sondern:
Einem Magazin das so herrliche Einfälle veröffentlicht hat, wie das Platzieren griechischer Statuen am Wannseestrand, und das Bekleiden derselbigen um Unterschiede zwischen diesen und den heutigen unadonischen Menschen zu analysieren. Und das ganz ohne Photoshop. Staun.