Wienwirkungen 3 | 11.08 bis 14.08.10
Wien. Eine Stadt wie ein Mosaik. Wie die Welt. Und wir wieder drin. Wieder in Wien.
0 | 1 | 2 | 3 Durch die Innenstadt zu Buchglückseligeit, Kaffee, Torten, Damen und mehr Eleganz in der Alltagssprache | 4 | 5
Steigen am Ring, Burgplatz aus. Wien. Innenstadt. Luft. Die reizendere Seite neben dem Schwedenplatz, der natürlich dafür die Eisseite des Wiener Lebens ist. Navigiere uns stolz und dies fortwährend kundtuend, da ich bereits zu wissen vermeine wo sich !Die Buchhandlung befinden wird … durch den Park vor der Burganlage … durch den Hinterhof mit der lustig mies guckenden Löwenfigur …
… durch die hochgewölbigte Rondelldurchfahrt in der wieder spätmittelalterlich kostümierte Informanten für Burgführungen werben um vermutlich tagtäglich von in die Realwelt verirrten Rollenspielern um Aufträge angebettelt zu werden. Informant eins mit anachronistisch dickem Brillengestell, dessen wahrer Anachronismus natürlich in der Modernität und nicht in der Dicke des Gestells liegt … aus dem Dunkel hervortretend auf den von Kutschengespännen gesäumten Platz vor dem Griensteindl … quer durch die sonnendampfende Innenstadt, bemerkend das sie an der Zeile die Baustellentätigkeit hinter sich gelassen hat, bei Sonnenschein und von immer noch tröpfelnden Dachrinnen in den Nacken attaquiert … vorbei am Stephansplatz in die dahinter liegende Straße.
Irgendwo hier.
Eine Buchhandlung neben der Anderen. Einer jeden quellen Bücher aus den weit geöffneten Fenstern auch noch aus dem zweiten Stockwerk. Welche war es? Betreten die Erste, doch bald wird klar, sie ist es nicht. Teppich. Falsch. Buchsortiment. Falsch. Alles falsch. Verlassen Buchhandlung Nummer eins, folgen meinem ersten Instinkt, ich voran, Herr Walte hinterher, in die Parallelgasse zu der jetzigen. Und um eine Ecke biegend sehen wir sie und ich erkenne ihren Namen wieder. Morawa.
Im Morawa Buchglückseeligkeit. An jeder Ecke. In jeder Abteilung entdeckt man Interessantes. Eine Reihe von C.H. Beck mit weltwichtigen philosophischen kleinen Bändchen. Begeistert von der individuell typographisch umgesetzten Themengestaltung der Umschläge wandern zwei direkt in meine Hände. Voltaires Candide und fernöstliche Weisen werden nun den weisen Menschen in mir schulen. Ein englisches Buch mit dem Titel the passage. Thriller. Ungewöhnliche Geschehnisse-Roman. Angelockt durch die sich nicht zusammenfügenden Schilderungen auf dem Klappentext, bezaubert mich schon der erste Satz des Buches. In ein, zwei Nebenwörtern wird von einem kleinen Mädchen das seit Jahrtausenden lebt verkündet. Name wird notiert, Buch zu schwer. Zuhause wird festgestellt dass es in dem Buch um Vampire geht und der Reiz verfliegt. Banal.
Weiter in den Regalen zu einem dem Lemschen nahestehendem russischen Autor. Strugazki. Zwei in einem. Picknick am Wegesrand. Weiter in die Kunstabteilung. Ein Buch von jovis über Stadtbauentwicklung nach dem Sozialismus beinhaltet ein Kapitel über den Leipziger Augustusplatz.
Ein Tisch weiter ein Buch über Europas schönste Buchhandlungen. Die Augen stehen weit offen als sie Buchhandlungen in Kathedralen, anderen weiten, prunkvollen Hallen, oder in 60er-Jahre-futuristisch durchdesignten Räumen sehen. Das Gewissen schreit auf als es darin auch eine auf den ersten Blick durch nichts herausstechende Ketten-Buchhandlung sieht. Die Gedankenzentrale sprudelt unmittelbar über mit Vermutungen wie die Geschichte dazu aussehen mag, und versinkt in einem Strudel aus imaginierten Vertreterkonferenzen.
Weiter an einem Buch übers Bienensterben und über die Intelligenz von Raben vorbei. Dann die Weltreiseschilderungen aus 2000 Jahren. Und immerzu so weiter. Unbemerkt faltet sich hinter jeder Biegung kurz bevor man in Sichtachse gerät, eine weitere Raumdimension auf, verbindet sich zu dem Raum, durch den alle Buchhandlungen und Bibliotheken des Universums miteinander verbunden sind bis hin zur Bibliothek der unsichtbaren Universität. Die Zeit verschwindet, da der menschliche Geist mehr als 4 Dimensionen nicht verarbeiten kann. Daher sicherlich dieses lichte Gefühl die Zeit zu haben, sich in Ruhe in der Buchhandlung aufzuhalten, und wenn ein Buch gefällt, darin blättern zu können. Die Zeit zu haben, im Urlaub zu sein. Herrlich wunderbar. Entspannung.
Verlassen nach einer Unendlichkeit die Buchhandlung und betreten die um eine Stunde weitergeschrittene Außenwelt. Nicht fähig noch weiteres aufzunehmen. Satt. Die Sonne hat die Luftfeuchtigkeit des Mittagregens weiter unerträglich aufgeheizt und angedickt. Der Telefonruf zum Treffpunkt mit Astrid und Benny am Schwarzenberger Platz ertönt. Rettung. Das Café Schwarzenberg ist ein wundervoll Schönes, wie es sie zu hunderten in der Innenstadt gibt. Die Torten überzeugen uns — hinter kühlem Thekenglas unseren gierig überquellenden Augen und offenstehenden Mündern ausgesetzt, unseren durch die Hitze hervorgerufenen Nichthunger zu ignorieren. Ich schwimme begeistert in kühlem Maraschinokaffee und habe dazu einen Werkstadtwürfel, in Orangenlikör getränkter Biskuit. Herr Walte die von Astrid empfohlene Mozartbombe, Schockoladencreationen und Beerencremschnitten türmen sich auf unserem kleinen Freisitztischchen zu Bergen auf.
Dame Astrid ist schon bei der Bestellung hin und hergerissen und stellt nach Aufgabe dieser fest sie hätte lieber eine Eisschokolade gehabt. Der Umbestellversuch drinnen beim Personal scheitert. Leider zu spät. Nonchalant erkundigt sich der Ober beim nächsten Vorbeigehen mit bedauerndem Blick was sie gerne gehabt hätte, um ihr kurz danach mit den besten Wünschen des Besitzers der drinnen zu Tische sitzt und ihren zu späten Umbestellversuch verfolgt hat, eine Eisschokolade auf Kosten des Hauses zu bringen. Die Bewunderung dafür dass er es schafft auf unserem Tisch noch einen Platz zu finden die Eisschokolade abzustellen ist nichts im Vergleich zu der uns umwerfenden Überraschung ob dieses galanten Vorfalls. Und während wir da sitzen und mampfen, bzw. Herr Walte und ich dies tun während die Eltern von Mlle Ava diese abwechselnd bespaßen klingt noch immer etwas in mir nach. Als der Ober zum Ersten an unseren Tisch kam, war Astrid gerade nicht am Platz. Benny wie in einem Fluß, »hier sitzt noch eine Dame«. Was in unseren Breiten mit »da kommt noch wer« abgewedelt würde, ist hier eine Stilkundgebung der Sprache. Der hier vollkommen natürlich und nicht im mindesten kapriziös wirkende Nachhall von jahrhunderteralter Kultur. Eine Ausdrucksweise die ich mir vornehme zu eigen zu machen. Eine Ausdrucksweise die anscheinend jeden durchdringt der sich in Wien unterhält. Membefall.
Wieder trennen sich die Wege, nach ein paar Stunden wollen wir uns mit Astrid wieder vor dem Rathausplatz zum Klassik Openair treffen. Wir schlendern die Zeit unterbrückend Richtung Volkspark, im Rücken der Burganlage an den Herr Walte sich steiffest nicht zu erinnern beteuert. Vorbei an einem Teeladen den ich beim nächsten Mal besuchen möchte, tea to go und eine sinnreiche Gedankenschilderung wie man Grünen Tee erst mit der Zeit verstehen kann und genießen lernt. An der Albertina vorbei, Schaufenster rechterhand. Auf dem Weg zum Park und sowieso in der ganzen inneren Stadt überwiegt die Anzahl der adrett in Kleidchen oder kostümschick gekleideten Damen die der Jeansfraktion.
Im Volkspark eine Bank von Legion für uns. Wieviele Bänke es in Wien wohl geben mag? Und wieviel in Prozent sie am Weltbankanteil ausmachen? Wir haben Ententeichblick. Wir schweben in der Dämmerung. Langsam verlassen die Enten ihren Tageswerkplatz und hüpfen flatternd an Land. Bürzeln und putzen sich und beginnen ihr Schlafsoll. Ein Transvestit von links stöckelt vorbei. Sinniere dass er dank wohlgeformter doch muskulöser Beine wenigstens in seinen in jeder Hinsicht extremen Schuhen ansehnlich laufen kann. Allerdings minuspunktet er durch pinken Minirock- plus orangefarbenes Oberteil-Kombination. Auftritt Entenfütterer. Jung doch Haltungsschaden. Er krümelt seine Toasttonnen zuerst ins Teichwasser. Das zivilisatorisch degenerierte Entenpack weigert sich, bereits zum Schlaf gebettet und geplustert, demonstrativ nochmals die Watschelfüße nass zu machen und stiert ihn solange an, bis er auch etwas ins Gras streut. Wir können den Anblick dieser Enten nicht länger ertragen und wandern weiter ins MQ.
Oli · September 18, 2010 @ 22:14
… ach je, nach wien müsst man scho a mol wieder
war der herr ober im schwarzenberg denn a a “herr karl” oder a “herr franz” a so wie im sacher?
und gell, was gescheits gessen habt’s aber scho auch, net bloß a mehlspeis, oder? a schnitzel oder a saftgulasch oder a geselchts?
a und no was: s’bücherl üba die buchhandlunga in europa, dös hat die frau baronin von lovenberg jüngst in der franfurter zeitung b’sprochn, i such’s raus, so ich’s find
servus baba und piad eich, dero gehorsamster diener etc pp
admini · September 19, 2010 @ 12:45
Joa, i woaß scho. mir worn net gscheider und hoam nur siaß zeig gessn. wia der ober ghoaßn hoad kon i dir a ned soagn, aber joa, wird scho a herr karl gwesen sei.
des mit dem artikel in der frankfurter zeidung dat mi gfreia. dank der scho mol recht scheng.