»[...] was auch in der osteuropäischen Musik sehr starkt verwurzelt ist,
ist diese Melancholie, die durchaus was fröhliches hat,
aber doch eher melancholisch und traurig ist.«
Bertholinis in detector.fm-Interview am Konzerttag

… der Erde, Todor, Oskár, Ferenc, Gábor, János, László, Lobos, Zoltán, Jószef – The Great Bertholinis – Musik die Freude macht

Es gibt Zeiten und Erlebnisse die sind voll des Glücks und der glücklichen Umstände. Nachdem mir vor zwei Jahren von einer Erkältung besiegt der Konzertbesuch versagt blieb, und letzten Herbst ein Brand das Folgekonzert verhinderte, finden wir uns nun in der weiträumigen ersten Reihe vor der Bühne wieder. Alles fügt sich. Und so kann ich sehen was ich höre, und was ich denke zu sehen, als die Bertholinis vor ungeduldiger Spielfreude sichtlich kribbelig die Bühne betreten.

Posaune . Saxofon . Trompete . Kontrabass/E-Bass . Schlagzeug . ein Glockenspiel . ein Zupfinstrument, möglicherweise eine Steel Guitar oder auch lapsteel, das ungezupft hochsirrende Schwebetöne zu erzeugen scheint . Banjo, tremolierend . Akustikgitarre . E-Gitarre . ein Geigenbogen der über die Saiten der E-Gitarre geführt wird . der Takt . die Trompete die Kapriolen schägt . Holzstäbe die auf dem Schlagzeug Kastagnettenlaute hinterlassen . Töne im süßschiefen Zusammenklang . das Anstoßen . die Brüderlichkeit . eine güldene Klarinette* . Tragender Gesang . Klangstab . die Tragik . die Leichtigkeit . der Schwung . dramatische Hymnen . ein winziges einhändig haltbares Tasteninstrument, dessen Tasten mit einem Stäbchen gestochert werden müssen da keine Finger filigran genug wären und das an den Klang eines Harmonicums erinnert** . eine Viola*** . Anschläge auf Glockenspiel abwechselnd leicht und hell, dann klackernd**** . ein Sonnenaufgang . diabolisch geformte Stimme . verzwickt abgehackter Rhythmus . Innehalten . gesungene Lebensweisheiten . Da La la La la da da daa la . ein Tasteninstrument das an einen Plastikschlauch gekoppelt ist . Kameradie, Freude und Freundlichkeit die sich ins Publikum spannt . ein zurechtgerücktes Mikrofon . weiter Gesang . ausgebreitete Arme . geöffnete Seelen . Seifenblasen . Lichterkugel . die besondere Stimmung in der sie nach Hause gehen möchten***** . und das Hohner

Und es bleibt wie ein Ruhequell das Wissen eine Band gesehen zu haben, die weiß dass Musik verstummen muss, damit sie wieder einsetzen kann, dass sie einem verrückt aussetzendem Muster folgen muss, um das Herz aus dem Takt zu klopfen und aus dem Alltag zu entrücken, und dass jedes Instrument in seinem einzigartigen Klang erstrahlen kann, wenn man ihm den Raum dafür gibt. Und dass allein der spezielle Klang eines jeden Instruments für sich schon ein zu würdigendes Wunder und voller Zauber ist. Man vor einem derart perfekt inszenierten Zusammenspiel der Instrumente wie bei den Bertholinis vor Verwunderung aber völlig benebelt mit wiet geöffneten Augen steht, und es beinahe nicht ertragen kann, so schön ist es.

Und wenn mich jemand gefragt hätte was ich über das Konzert wohl schreiben werde, so hätte ich geantwortet was ich auch für schöne, weiche und warme, gewaltvolle und freudige, atemberaubte Worte finden würde, so würden sie dem Konzert doch nicht gerecht werden. Und so bleibt darüber nachzudenken, wie tiefsitzend die Freude ist, die aus einer melancholischen Grundstimmung entspringt. Es muss Weisheit sein. Weisheit wie sie nur der ungarischen Weite entspringen kann. Weisheit die uns alle retten kann.

Bright Days, the Bright Days have come
way back, the way back is done
I don’t look for answers no more
it feels like I’ve done it before
everything is so peaceful
I stop breathing and close my eyes
and I got northing but the stars in my arms …
The Great Bertholinis, Bright Days

* eigentl. Sopransaxophon
** Stylophone
*** Melodica
**** String Puppets and Bees, Klackern durch sehr waagrechtes Anschlagen mit dem Klöppel erzeugt
***** erwähnenswerter Zwischenruf aus dem Publikum: aber wir nicht.