Me & my Drummer ::: Einar Stray | 6.01.12 | UT Connewitz
Noen sier at musikken er det høyeste av alle kunstene.
Etter en konsert kvelden som det, føler man særlig at det er sann.*
Es wird gesagt dass die Musik die Höchste aller Künste sei.
Nach einem Konzertabend wie diesem, weiß man dass es wahr ist.
Das Jahr ist noch keine Woche alt, das letzte hörkulturelle Live-Erlebnis liegt viel zu lange zurück, als Herr Walte mit dadurch umso stärker entfachter Freude auf einen Facebookveranstaltungshinweis des UT Connewitz reagiert. Einer aus Norwegen. Einmal reingehört. Auch in die Vorband. Ja, das könnte ein ganz und gar formidabler Konzertjahresauftakt werden. Ein kaum zu fassendes Glück. Noch ein paar Tage warten und freuen und es ist Freitag.
Eingestellt auf ein gemütlich gefülltes UT mit dem üblichen bärtig verschlossenem Publikum, mit ausgezeichneter Sicht und reichlich bemessenem Privatsphärenplatz, kollidiert unser schwungvoll gewohnter freiläufiger Weg hin zur Abendkasse durch offene Eingangstür, den langen leeren wie breiten dunklen Gang, Flügeltür und in den warm beleuchteten Abendkassenvorraum abrupt schon außerhalb des UT mit einer baikaltrainlangen Schlange.
Wer sein Gedächtnis aus Erfahrung als eher unzurechnungsfähig einstufen muss, läßt sich dadurch leicht verunsichern. Falscher Tag? Die sind zum Tanzen hier. Das kann nur der Train sein.
Für ein eher besinnlich klaviatöses Konzert eine derartig wuseljunge und buntgemischte Schlange kann nicht sein. Naturgesetze aus den Angeln. Wehrlos bestürzt von der plötzlich eingetretenen Wartesituation kann sich nun die Kälte mit lautem Halali auf uns stürzen und nutzt die Gelegenheit auch sofort. Kühle dringt in das seelische Gleichgewicht. Was für ein Dämpfer. Nur langsam wird die Zuversicht zurückgewonnen.
Der Kreuzertagestipp ist dem natürlichem Lauf der Dinge wohlmeinend zugestoßen. Kein Train. Das Konzert wird stattfinden. Natürlich eine großartige Sache für die auftretenden Bands. Irgendwann endet das stückweise Stehen und Vorwärtswogen im innersten Kern des UT. Dicht mit Menschen gefüllt, doch dank der cineastischen Anlage des Veranstaltungssaals gibt es auch einen weitesthin ungetrübten Blick auf das Bühnengeschehen für kleinere Größenlagen. Schon bald beginnt die Vorband.
Me and My Drummer. Durch ein bisschen Vorabhineinhören ist man durchaus darauf eingestellt dass sich für die Vorband aufmerksamstes Zuhören lohnt. Doch trotzdem erwischt einen die Perfektion noch wie in einem unwirklichen Traum. Gesang, Taste und Schlagzeug. Jeder Klang ganz und gar klar, alle Klänge sorgsam zu etwas Gesamten zusammengefügt, sich verschiebend, wandelnd, unmerklich können sachte Stücke in monumentales Wummern übergleiten, das bis zum Bersten mit Energie gefüllt ist. Man möchte davor nicht allein stehen. Man fühlt sich zu klein. Man möchte die lebenden Geister von Musikern wie Regina Spektor oder Ben Folds oder wer weiß schon wen alles herbeirufen, damit auch sie bezeugen dass hier ganz und gar Großartiges freigesetzt wird. Im Zuhören breitet sich ein Winterweihnachtsgefühl warm im Inneren aus mit dem man das in diesem Jahr ausgebliebene Konzert von Get Well Soon verschmerzen kann. Der Gesang gläsern, weich, doch auch rauhe Stellen als wäre ein filigranes Muster in die Oberfläche eingeritzt. Aber doch ganz anders als das Durharte von Regina Spektor. Eine Stimme die in jede musikalische Möglichkeit dringen kann. In jede Höhe, in jeden Winkel, jedes Genre.
Es ist als stünden Me and My Drummer musikalisch in einem Punkt der durch die Zeiten reicht, sie besitzen eine besondere Aussicht, und lassen die Zeiten in den Gesang, das elektrische Piano und in das Schlagzeug zurückfließen. Man hört eine klassische Musikausbildung. Das Piano wird manchmal genutzt um den Gesang auf langgezogenen synthetischen Tönen nach oben schweben zu lassen, ein andermal geben die Tasten einer Melodie tiefes Gewicht das sie fallend immer weiter nach vorne trägt, und irgendwann wetzt es losgelassen in wildem Klimpern los, das Schlagzeug wie irr vor Freude umspringend.
Im zweiten oder dritten Lied findet man sich in den popdivastatischen Achtzigern wieder und es ist als hätte man noch nie begriffen was darin schönes liegen kann. Und von dort geht es immer weiter zurück in die Jahrzehnte. In den Soul. In die Zwanziger. Und in die Welt. In lateinamerikanische Rhythmen und ferner zurückliegende Weisen die nach der Freiheit weithin hügeliger tiefgrasiger Horizonte klingen. Nicht vereinzelt, Stück für Stück abgehackt. Aus all dem vermischt sich beinah jedes einzelne Lied, in jedem Moment schillert das musikalische Universum wie in einem geschliffenem Mineral. Ein Schillern das mit außergewöhnlichem Talent geformt wurde. Genialität es in der Rohmasse zu erkennen, und Geschick es herauszuarbeiten. Chapeau für die Musik. Und Chapeau für die im Kontrast zu dieser Großartigkeit so schlicht und natürlich gesetzten Zwischenansagen an das Publikum. Schade dass ich mich an einen wunderbaren aus dem Versehen geformten Wortwitz in Form einer verformten Redewendung nicht erinnern kann.
Auf dem Aussichtshügel mit weitem Blick über die musikalische Landschaft könnten sie sich zufällig getroffen haben. Me and My Drummer und die Musiker von Einar Stray, die den Hügel von einer anderen Seite erklommen haben**, ein anderes Selbst einbringend und unterschiedliche Eindrücke mit zurück nehmend.
Spektakulært craziness. Einar Stray begibt sich mit seinen Musikern auf die Bühne. Chiaroscuro setzt klanggefüllt und mit sachtem Ahhha ein, Klavier, Streicher, zweistimmigem Gesang, weit und weiter ausholend, bis es jäh im zartzittrigen Pfeifen von jemandem mündet, der sich unsicher und allein in finstrer Nacht an der Erlösung verheißenden Schranke zum Wahnsinn befindet, sich aber mutig an seine Fassung und sein Pfeifen klammert. Das Pfeifen löst sich in wohlig temperierten Tastenklängen und weichem vokalem Chorgesang, wie eine Rettung, nimmt mit Klavier und Streichinstrumenten Geschwindigkeit und Schlagzeug auf. Es knirscht und rumpelt. Ein Rumoren aus der Tiefe durchsetzt nun den engelhaften Gesang und Tastenlauf. We are indifferent Cowards. Bis sie sich wieder davon hervorlösen, das Stück mehrfach an und abschwillt, nochmal einsetzt, von vorn beginnt, hin und wieder zerrendes Geräusch darin, in einem Lied von dem niemand wollen kann das es endet.
Ein jedes seiner Lieder tänzelt mit einer Leichtigkeit zwischen zarter Schönheit, gewaltigen Klängen und verrückten Allüren und Ideen hin und her die meisterlich ist. Immer wieder umwoben vom flatternden Gesang der Musiker. Ein Einsetzen von March Drums und Einar Stray wirkt wie ein enthusiastischer Kavallerist der sich begeistert, schmerzangstlos auf seinem Pferd in jedes Getümmel stürzt um irgendwen zu retten, dabei aber auch den Wert des Gefühls eines um sich entfachten Galoppwindes an sich durchaus zu schätzen weiß. Dann wiederum tief über sein Nord Piano gebeugt, mit dem Kopf unter die Pianolinie getaucht, nur die Arme greifen nach oben, als würde er darin verschwinden und damit verschmelzen wollen. Das alles trägt sich zu, umgeben von einer Cellistin, einer Violinistin, einem Bassisten und dem Schlagzeuger, die alle so sehr dazugehören dass ein ohne sie unvorstellbar ist.
Præget. Welcher Mensch läßt sich nicht gern von seinen gesammelten und gehüteten Klischees ein phantastisches Kopfkino aufdrängen. Man weiß Einar Stray kommen aus Norwegen. Man denkt an zerklüftete Fjorde und gewaltige natursatte Landschaft. Man steht in einem Raum und hört von Vielfältigkeit getränkte, von allen guten Instrumenten besessene Musik. Und man fühlt, als stände man neben einem tosenden Bach, dazwischensprenkelnde Klänge, weicher Gesang wie Sonnenlicht, und es ist natürlich klar, dass diese Musik nicht anders entstehen konnte, als dass sich jemandem diese Kopflandschaft tief aufgeprägt hätte. Wie sollte es auch anders sein, als dass da ein Zusammenhang bestehen muss.
Die Schlagzeugstäbe klacken einen treibenden Rhythmus, die Violinsaiten werden dazu angezupft, und vereinzelt schlägt auch das Piano in Stücke ein die, bis hin zu dem fließenden Plätschern in das sie übergehen, klassisch durchkomponiert wirken. Aus dem von Klischees vollgesogenem Geist ruft es Edward Grieg. Nicht dass man ausreichend von ihm kennen würde um Vergleiche anzustellen. Wie kann sich ein Geist aus dem Drang zusammenzufügen befreien? Das Plätschern und der Gesang fließen weiter bis hin zu einem einzeln abgesetztem barock klingenden Pianopart der dann in Streichklängen untergeht. Die Klangfarbe kurz dem fernen Jahrhundert angepaßt. Als würde Einar Stray ein Resumee ziehen.
In den Pausen ist Herrn Strays Englisch bar jeden Akzents. Doch in den Liedern ist hin und wieder der norske Zungenschlag herauszuhören wodurch sie auf charmante Weise nordisch fabelhaft entrückt wirken. Schon in einer der ersten Pausen merkt Herr Stray auch endlich das an, was man vorher bei Me and My Drummer schon beinahe schmerzlich vermißt hat, aber von jeder Band im UT zu erwarten gewohnt ist. Er würdigt die würdevolle Räumlichkeit des UT mit den Worten This is beautiful all this … die in einer weitausholenden handwedelnden Decke und Saal einschließenden Geste enden. Die Anspannung bis dieses Ritual erfüllt wurde war greifbar und kaum auszuhalten.
Ein neues Lied, ein neuer Einar Stray. Showtunesbonbonfeuerwerk. In der Fluffigkeit wird die stimmliche Ähnlichkeit und musikalische Nähe zu Sufjan Stevens auf einmal so frappant, dass es einem unmöglich ist zu erkennen an wen man sich erinnert fühlt. Tagelang trägt man ein hübsches Nagen in sich herum, bis man irgendwo den Vergleich aufschnappt und ein suchender Geist endlich wieder Ruhe finden kann.
Pompöse und gewaltige Klangstücke überwältigen einen manchmal schier. Es ist ein Eintauchen und Einswerden mit etwas Großem. Doch interessanterweise sind es die zarten aus Einzeltönen bestehenden Aneinanderreihungen von ausgesuchten Tönen die einen in ihrer zerbrechlichen Schönheit bis ins Innerste zu erschüttern vermögen und ans Herz fassen. Wenn die Töne immer vereinzelter werden, und stolpernd kurz vorm Versanden und Verstummen sind.
Denne enestående momenten. Und dann gibt es da diesen Moment, in dem Einar Stray sich von seinem Piano wegbegibt. Und diese Menschen die auf so unverschämte Weise alle singen können in einen Chor einstimmen. Und es ist als würden die Stimmen umeinander tanzen. Sich natürlich wie es der sprachliche Spannungsbogen verlangt dabei immer weiter nach oben aufschwingen, wohin man ihnen unwillkürlich mit den Augen folgen will, und einem dabei hübsch langsam das Herz auswringen.
Noen sier at musikken er det høyeste av alle kunstene. Etter en konsert kvelden som det, føler man særlig at det er sann.
Kanskje, i det annen kunstene, malerien, literaturen, man føler det utførende mennesker ikke så umiddelbart. Det kunne være en grunn. Det er som om mennesker er bort etter han har skappet kunstverket. Kunstverket er fantastisk for seg selv naturligvis. Men man savne det Mennesker i det. Men ikke i musikken, man kan jo høre at det må være noen som spiller det akkurat da man kan hører det. Og helt sikker ikke hvis du kan se mennesker i konserten som finnes seg i denne gjengiende momenten av skapeprosessen. Se på denne, og høre det.
Vielleicht liegt es daran, dass man in den anderen Künsten, in der Malerei, der Literatur, den ausführenden Menschen nicht so unmittelbar spürt. Das könnte ein Grund sein. Es ist als wäre der Mensch verschwunden, nachdem er das Kunstwerk geschaffen hat. Weg. Natürlich ist das Kunstwerk für sich selbst genug. Aber man vermißt den Menschen darin. Aber nicht in der Musik, man kann ja hören dass da jemand sein muss, der es spielt, in dem Moment, in dem man es hört. Und ganz sicher nicht, wenn man die Menschen im Konzert sehen kann, die sich im wiederholenden Moment des Schaffensprozesses befinden. Man sieht sie, und hört es.
* Erste Zeile eine freie Erinnerung an einen Satz von Karl Ove Knausgård, Min Kamp
** natürlich von Norwegen kommend
The Passage » Therese Aune ::: Einar Stray | 12.10.12 | UT Connewitz · November 4, 2012 @ 12:40
[...] Nach nicht langem Warten betreten die Musiker von Einar Stray die Bühne. Es ist wie eine wunderbare Wiederholung des Konzertabends im Januar, nur dass einem die Künstler dort oben in der Zwischenzeit noch mehr ins Herz gewachsen sind, man sich noch mehr an ihrer Freude mitfreut. Nur das man diesesmal schon wusste, was mit einem geschehen wird. In welchen Zauber einen die jungeingesessene sockendynastische Musikfamilie entführen wird. Und es geschah … [...]
The Passage » Me & My Drummer ::: Enno Bunger | 7.02.13 | Werk II · March 3, 2013 @ 13:48
[...] Jahr waren Me & My Drummer als Vorband von Einar Stray im UT Connewitz zu sehen, und haben die Wände vor der Welt klangweit werden lassen. Diesmal sind sie und Enno Bunger im Rahmen der TV noir Konzertabende im Werk II zu [...]
The Passage » Einar Stray ::: Me and My Drummer | 10.05.13 | Parkbühne Geyserhaus · May 11, 2013 @ 15:47
[...] hervorzutauchen, sind sie jedoch ganz und gar Einar Stray, wie bei den beiden bisherigen Konzerten (I, [...]