Motorpsycho & Ståle Storløkken | 19.04.12 | Conne Island

Sie stehen in ernster Anschauung symmetrischer Prinzipien auf der Bühne wie eine Zusammenrottung von Elementarteilchen und tragen ihr Konzeptalbum The Death Defying Unicorn vor, das einem schon auf Album wie ein Jahrtausendwerk im Bewußtsein klingt.

Innen die zwei langhaarigen Nuclei in schwarz. Solide, felsenfest, rockend. Auf der äußeren Schale der Schlagzeuger mit seinem kunststoffleuchtenden weißen Trommeln, ihm gegenüber, leicht erhöht schwebend, der solide, schwere Masse ausstrahlende, Holzorgelkörper, der wie aus einem Zeitriß aus der Vergangenheit gefallen zu sein scheint. Hinter der Holzorgelmasse flimmert dem Verständnis entzogen ein Oszillatorgerät. Um die Symmetrie zum Schlagzeug aufrechtzuerhalten trägt der elfenschmale Ståle einen transparent schimmernden weißen Umhang, die Kapuze zurückgeschlagen.

Beide, Ståle und der Schlagzeuger flirren in ihrem Spiel in photonenschneller Aufenthaltsunbestimmtheit. Ståle, sitzend, stehend, verschiedene Niveauebenen der verschiedenen Tasteninstrumente bespielend, die der Holzkörper birgt, wilden Jazz auf die Tasten schlagend und sich dabei wie ein alter Elf der sich einmal wieder richtig austoben darf, freuend, dann wieder Tasten lange drückend, der Klang der Orgel verliert sich und findet sich in den Gitarren wieder.

Die Bühnenerscheinungen sind so signifikant, dass man nicht umhin kommt sich zu fragen ob den Akteuren in der Meta-Ebene verschiedene und wechselnde Rollen ihres sagenhaften nautischen Stücks zugeordnet sind. Der Gittarist, trägt er seine zweihälsige Gitarre, das sagengestaltbewohnte Meer? Ansonsten der Captain? Auf seinem Jäckchen blitzen die Knöpfe. Der weiße Kapuzentod. Gelächter als er sich mit aufgeworfener Kapuze schelmisch in Positur stellt, und einen Monolog trägt. Der Erzähler, der Sterbende. Trolle, Elfen, Kobolde, Flederengel. Der Bassist verheddert sich ständig in seinem güldenen Kurzumhang, und einmal kann man ihn ins Mikrofon murmeln hören, »… still get used to these crap. Never wear wings!«. Die Spannkraft seines lang geschüttelten Haares wird bewundert. Merkwürdige Geräusche, wabernd, hoch, stellen sich als seine Stimme heraus. Der Schlagzeuger als der Junge vom Ausguck.

Es ist schwer zu sagen, was faszinierender ist. Wenn der Jazz von der Orgel auf die E-Saiteninstrumente übergeht, oder wenn der Rock auf die Orgel schwappt. Und dann gibt es in all dem bombastischen Krach, den man nie genug rühmen kann, diese eine Stille, in der nur das Schlagzeug klackert, und darin liegt eine ganze Welt.*

Zugaben. Chorgesang. Die Zeile Loneliness before me schwebt allein über der Bühne und wird in mehreren Echos verdichtet. Es sind beinahe volkstümlich anmutende, traditionelle Anklänge. Blues wie das Meer.
Die letzte Zugabe ist wieder rockiger, jazziger, gibt Gelegenheit für ein Schlagzeug Jazz-Solo und die Besucherelektronen in den ersten Reihen geraten in wilde Molekularbewegung.

Mögen die Quanten Motorpsycho und Ståle nie mehr trennen.

Denn sie haben ja so sauber gespielt, nicht war Frau Möws? Immer schön zusammen. Genau auf den Punkt. Es war eine Wucht.

* Herr Walte merkt an, dass es nicht verwunderlich sei, dass der Schlagzeuger den Jazz so beherrscht, schließlich käme er ursprünglich aus dem Jazz.

2 Kommentare
  1. Petra · June 6, 2012 @ 16:54

    Rockmusik ist das. Ganz klares JA! (Pink Floyd und der Synthy-Mann hatte ein bisschen was von Ray Manzarek). Aber Jazzmusik im Leipziger Sinne war das nicht. Musste es auch nicht, denn es war auch so superklasse!!!

  2. admini · June 10, 2012 @ 18:57

    bei meiner intensiven Weiterbildung infolge Deines Kommentars bin ich über dieses hübsche Video eines beneidenswert jungen Pianofähigen gestoßen:

    http://youtu.be/2qz7l30J9l0

    Ray Manzaraks Slidetechnik über die Tasten. Ein Traum … äh ich muss mal schnell was probieren gehen :-D

Kommentar schreiben:

Der Kommentar muss möglicherweise erst freigeschaltet werden, bevor er hier erscheint ...