Yannis Kontos | Photojournalist
National Geographic im Abo – ein Wettlauf mit der Zeit
Es ist mal wieder National Geographic-Zeit. Das Magazin, das in vielen Romanen die ich zu Schulzeiten gelesen habe eine ständige Kulissenpräsenz inne hatte, hat für mich dadurch eine nahezu mystische Aura des Großen und Monumentalen angenommen. Als dann ab 2000 die deutsche Ausgabe erschien nutzte ich die Möglichkeit endlich daran teilzuhaben und beziehe die gelben Heftchen seitdem im Abo. Ob National Geographic sich der Macht ihres Botschafters Stephen King bewußt ist (immer vorausgesetzt ich bin kein Einzelfall)?
Wie dem auch sei, hat sich seit Jahren ein Wettkampf zwischen mir und den monatlich eintreffenden Heftchen entsponnen, den ich wohl lange Zeit nicht gewinnen werde. Aber eines Tages, wenn ich in Rente bin, werde ich der Flut herr werden, werde ich mit dem Lesen der Letztausgabe lange vor Erscheinen der nächsten Ausgabe fertig sein. Auf lange Sicht werde ich gewinnen, zumindest für mich persönlich. Doch momentan führt das Magazin mit 17 Ausgaben, die sich durchgeblättert und bildbesehen doch ungelesen auf meiner Leseablage neben dem Bett türmen. In Jahren ausgedrückt hänge ich also fast eineinhalb Jahre hinterher, wobei der Abbau nicht chronologisch erfolgt. Mag gut sein, dass sich in dem Stapel noch Hefte von 2006 befinden. Von diesen Heften geht dann ein nahezu archäologischer Reiz aus.
Wieso ich das Abo nicht kündige? Aufgeben? Nein. Nie.
Alle zwei bis 4 Monate kommt dann meine National Geographic-Zeit. 3 bis 4 Tage in denen ein beträchtlicher Teil des Stapels (ganze 2-4 Hefte) abgebaut und gelesen werden. Bis ich mich wieder nach einer längerfristigen Bindung zu Geschriebenem sehne und zu einem Buch greife.
Das Magazin verfügt auch über ein relativ breites, kurzweiliges und interessantes Onlineangebot, auf das im Heft immer wieder verführend hingewiesen wird. Und auf magazinfremde Websites: Weitere Informationen, noch mehr, mehr Zeit, verliere Dich!
Wie ein normal eingebundener Mensch diesen Zusatznutzen bewältigen soll, ist mir zwar ein Rätsel, aber hin und wieder gehe ich dem nach, und finde. Finde zum Beispiel diese schöne Seite des Photojournalisten Yannis Kontos der im Magazin anläßlich seiner Nordkorea-Reise vorgestellt wurde.
Bilder ohne Erklärung
Im Magazin erzählt er, dass er 3 Jahre lang vergeblich ein Journalistenvisum für Nordkorea beantragt hat. Neugierig auf das »militaristisch-kommunistische Überbleibsel einer anderen Zeit«. Schließlich reiste er als Tourist, und dadurch beschränkt auf 2 Kompaktkameras, mit denen er häufig »aus der Hüfte« fotografierte. Das Ergebnis läßt sich in 60 Bildern auf seiner Seite bestaunen, und zeigt eine Welt die mit wuchtigen Arbeitermonumenten, Statuen und kommunistischen Symbolen durchsetzt, und mit motivierenden Plakaten durchwoben ist. Die Menschen auf den Bildern scheinen unnahbar, undurchschaubar, wirken glücklich und zufrieden oder auch nicht. Was sie fühlen, denken, glauben? Yannis Kontos weiß es nicht, »ich durfte ja keine unangenehmen Fragen stellen, und die meisten Menschen hüteten sich, mit uns zu reden«.
Die Bilder auf seiner Seite sind alle ohne Kommentar, ohne eine Erklärung versehen. Es ist kein Reiseführer, der auf dieses oder jenes Gebäude hinweist, oder die abgebildete Szenerie erklärt. Und so scheint das porträtierte Land für mich fern wie ein Phantasiegebilde aus einem Science Fiction-Roman (mag sein dass der Eindruck allein aufgrund 27/60 rührt). Wären da nicht Gebäude und vor allem Gebäudeschmuck, der zum Beispiel an das inzwischen abgerissene Leipziger Unigebäude am Augustusplatz erinnert (7/60).
Und so sitze ich hier in Leipzig, und frage mich, wie diese Bilder auf jemanden wirken der in dieser Stadt um 1980 rum aufgewachsen ist. Genauso fremd? Etwas weniger? Anders fremd? Verdreht nostalgisch oder unangenehm? Von allem etwas, einzelnes vertraut, und andere Elemente nicht? Oder sind es einfach nur Bilder, die an einem vorbeiziehen?