Bad Religion | 10.06.08 | Werk II
Zu manchen Konzerten macht man sich mit einer kleinen Wunschliste im Herzen auf. Eine Wunschliste mit den Liedern die man zu hören hofft. Das wird nicht der Fall sein, bei Bands die gerade ihr 2. Album umtouren. Hier wird man sowieso in den Genuß aller Lieder kommen. Bei einer Band, deren erste EP von 1981 stammt und die letztes Jahr ihr 14. Studioalbum herausbrachte, jedes im Schnitt mit etwa 15 Liedern, ist diese Hoffnung ein sehr verzagtes, selbstbewußtloses Lebewesen, das nicht auf Erfüllung hofft.
Gut, es kann versuchen seine Lebenschancen zu verbessern, indem es sich rein zufällig den allgemein anerkannten und geliebten Hits verschreibt. Und so kommen wir zum ersten Mal und damit recht spät zu des Musikenthusiasten liebstem Spielzeug:
1. American Jesus
2. 21st Century Digital Boy
3. Atomic Garden
4. Sorrow
5. Epiphany
5 aus über 200.
Und so stapft es mit gemischten Gefühlen Richtung Süden ins Werk II — getragen vom Gefühl an diesem Abend nichtsosehr eine Band zu sehen und die Lieblingslieder zu hören, als eher eine erhabene Institution erleben zu wollen.
Im Werk II werden die Karten gelöst, und danach die Wartezeit in der Connstanze bei Wein und Fußball überbrückt. Da Alex zu lang auf seinen kleinen, lebensstilverändernden, gesundheitsbewußten Salat warten muss, verpassen wir die Vorband. Ob leider oder nicht, ließ sich nicht sagen, da wir sie ja verpaßt hatten … Ein Blick in die weitvernetzte Welt läßt es mich nun tatsächlich bedauern die putzigen Neuseeländer nicht gesehen zu haben. Banderleben und kleine Salate stehen für verschiedene Lebensweisen und schließen sich offenbar aus.
Direkt am Eingang treffen wir auf einen in eigener Sache Flyer verteilenden BB-Uwe. Das umworbene Openair-Ereignis scheint fern und unnahbar, doch er tröstet mit der hübschen Information, dass er samt Band auf dem Gautschfest sein wird. Wir nehmen ihm die letzten zu verteilenden Flyer ab, sein Auftrag ist erfüllt, und wir begeben uns nach drinnen.
Dort wird unser kleines Pflänzchen Hoffnung gleich total verdattert und aus dem Konzept gebracht werden, weil das erste Lied das gespielt wird nicht wie so meist der Aufhänger des aktuellen Albums, sondern Lied Nummer 2 auf der Hörenmöcht-Liste ist. Es schlägt aus, treibt neue und stärkere Wurzeln und fühlt sich quietschfidel. Natürlich kann es nicht so weitergehen. Es folgen in rascher Abfolge, die selten Zeit für Applaus läßt, dem Pflänzchen unbekannte, vage bekannte und auch wohl bekannte Lieder. Am Schluß des Konzertes von Patrick zusammengefaßt: »Verschiedene Lieder? Sie haben doch nur Zwei. Ein schnelles und ein kurzes.«
Und trotzdem ist es ein sehr schönes, angenehmes Konzert. Keines das einen umwirft, aber Eines, das einen daran erinnert was es im Universum von Bad Religion zu entdecken gibt, welche Lieder man schon lange nicht mehr gehört, und welche Texte man schon lange nicht mehr durchdacht hat. Die Sehnsucht wird neu geweckt. Infect. Denn hier, im Zusammenspiel der Texte auf die Melodien, die sich hauptsächlich im Gesang und im Schlagzeug tragen, in der fein formulierten Gesellschaftskritik, und in dem Gefühl, das alles gut und richtig werden könnte, hier liegt die Macht, Bedeutung und die poetische Schönheit von Bad Religion. Und hierfür muss man genauer Hören als es im Konzert möglich ist. Am besten zu Hause. Mit Booklet. Und diversen Lexika. Und vielleicht einem kleinen Salat.
In der Zugabe American Jesus und Sorrow. Schon auch toll das live zu sehen.
»Well, then I do imagine…
There will be Sorrow
Yeah there will be Sorrow
And there will be Sorrow, no more«
Brett Gurewitz