Ribozyme ::: And You Will Know Us By The Trail Of Dead | 30.03.13 | Conne Island
Vorausschickend dass seit dem Rolling Stone Weekender kein bassorientiertes Konzert mehr besucht worden ist. Das war im November. Nun ist es Ende März, und die Verzückung sogleich in den ersten Klängen von Ribozyme vor allem dies eine, den Bass, wahrzunehmen, nicht fade wummernd, sondern in diskreter wohltuend durchdringender Pracht, ist wohl verständlich.
Auch die begabte Wucht mit der der Schlagzeuger aus lockerem Handgelenk die Becken, Zimbeln und Trommeln beackert ist vollkommene Erquickung für die momentan vom Zauberberg beinflusste Seele. Der Gitarrist befleissigt sich des Spiels sehr schneller und fingerbrecherisch kompliziert aussehender Melodien. Dass man den Gesang kaum wahrnehmen kann stört live nicht allzusehr, auch wenn er im Nachhören durchaus viel beizutragen hat, der Bass, das Schlagzeug und auch die satten Gitarrenklänge mögen erstmal vollauf genügen. Die einzelnen Stücke sind abwechslungsreich, offenbaren diverse Kniffe und schräge Lagen, wobei die mit tanzanimierenden schnellem Takt Versehenen der Band besser stehen, als die Balladesken. Tänzerisches Kopfgebaren, die Stücke an sich und die friedlich glückliche Zuhörfreude die sich unmittelbar einstellt erinnern an Bul Bul, auch Erinnerungen an Blackmail gesellen sich dazu. Die Band ist prächtig gelaunt, irgendwann wird das Glas dem Publikum zu einem lautem Skål entgegengereckt, denn ja, hin und wieder kann sich diese Gesangsstimme dann doch über die Soundtechnik durchsetzen, kräftig genug ist sie, wenn sie schreit. Und ja, Skål, wir haben wieder das ins rein persönliche ragende Vergnügen eine Band aus dem schroffen Eiland zu erleben.
Wieder den gewohnten Übersichtsplatz am äußeren Rang erklommen, sitzen wir mit Blick auf die später unter uns tobende, springende und vereinzelt über den Menschenköpfen mit schlenkernden und besorgniserregend verrenkten Gliedmaßen surfende Menge, froh in unserem Alter am Geländer lehnen zu können. Wir sind eingestimmt. Im Rückblick auf das was nun kommt möchte man fast sagen, wir sind jetzt ansatzweise vorbereitet, wieder hochgetrimmt, auf das brachial tosende Grundarrangement von Trail of Dead.
Nach dem traditionellem Intro Ode to Isis wird als Erstes ausgiebig in ein bei anderen Bands erst viel später übliches Gitarrensolo eingeschwenkt. Wozu warten, wenn ein Wesentliches auch gleich geschehen kann. Noch konzentriert sich die Aufmerksamkeit auch auf die Saiteninstrumente, doch schon beim nächsten Lied wird der Großteil vom abwechselnd von den beiden Zweitgitarristen bespielten Schlagzeug in Bann genommen, wozu mehrere ausgiebige Stücke, die um das Schlagzeug herumdrapiert wurden, Gelegenheit geben.
Bei beiden Schlagzeugern ist es mehr als Begabung, sie bedienen sich der Drum Sticks und der um sie herumstehenden Möglichkeiten zur Blechklangkunst so selbstverständlich, dass man darin die Verlängerung einer über dem Herzschlag energieüberladenen klopfenden Seele wahrnimmt. Es ist eine Möglichkeit zum Ausbruch durch den Körper. Dabei bannt vor allem die Ausstrahlung des aus der Ära von Johnny Cash scheinenden Schlagzeugers in seiner kraftgesammelten, in sich ruhenden Nüchternheit die Aufmerksamkeit. Nächtlich wilder Rundtanz mit einem zur symbolischen Keule, mit der man sich abwechselnd gegenüber dem Boden und den Naturgewalten des Himmels in trotzigen Drohgebärden ergehen kann, umdeklarierten Gegenstand um einen Feuerplatz scheint angebracht, die Drum Sticks verschwimmern in ihren Bewegungen, aus weiter Höhe krachen die Arme herab und erzeugen einen durch diese Fallhöhe fühlbar im Bombast angereicherten Klang, zelebrieren Ewigkeiten lang dieselbe kunstreiche Schlagfolge, rundherum der Gesang, wabern Gitarrenklänge galaktisch durch die Athmosphäre oder schrammeln das ihre in ebenbürtig genialer Besessenheit dazu, oder sind einfach nur stumm. Das Trommeln hält an, und verliert sich in sich selbst.
Neben dem Urwonne erzeugenden Urtrommeln der Seele verfangen sich in anderen Stücken verfitzte Beats in den Highhats, die ebenso mit einer perfekt ablaufenden inneren Mechanik und großem Grinsen im Gesicht abgewickelt werden, aber auch den Gitarren wieder mehr Aufmerksamkeit gönnen.
Der Roadie darf sich bei jedem Stückwechsel einmal quer über die Bühne schlängeln um die beiden Gitarristen mit der jeweils notwendigen Gitarre zu versorgen. Man möchte ihnen einen Gitarrenständer wie Jeniferever ihn haben spendieren. Sein Unternehmen hat immerzu etwas waghalsiges, bei all dem wilden Herumgespringe, Getanze und Durcheinander auf der Bühne. Augenaufmerksamkeit zieht auch die wirbelsäulenfreie Biegsamkeit des schlacksigen Bassisten auf sich. Die eigene Wirbelsäule wimmert leise wann immer sie dessen ansichtig wird. Seine Ansagen kann ich nicht verstehen doch fantasiere ich mir aus einer zusammen dass sie sich freuen ein Punklied in Hannover aufgenommen zu haben, dass sie auch sogleich in historisch verbürgter Manier zum besten geben.
Die einzelnen Momente des Konzertes von Trail of Dead können so sehr für sich stehen, dass die Gesamtheit des Stückes live beinahe zur Nebensache wird. Wirken die Stücke auf Album sehr theatresk verschnörkselt, durchaus anstrengend, mit stark zugrundeliegendem Gesamtkonzept, so gehen sie live alle wohlgehörig und eingängig ineinander auf. Die mit erkennbarer Melodieführung ebenso wie die, die in reinem Geräuschlärm festlich vergehen. Es ist eine derart kolossale Akustik dass es nun nicht länger verwundert, warum alle Livevideos so schal und verbraucht wirken. Die Musik des Konzertes ist keine, die in die musikalische Konserve gepackt werden kann. Auf Album muss daher geradezu etwas dem Wesen nach anderes aufgenommen werden, Livemitschnitte können diese wunderbare Klangorgie nicht wiedergeben, digitale Amateurtechnik ist den stürmischeren Nuancen darin nicht gewachsen, ebensowenig wie die Alben es trotz besserer Technik können. Die Erinnerung steht bangend auf schroffem Eiland.