Einar Stray ::: Me and My Drummer | 10.05.13 | Parkbühne Geyserhaus
Ein neuer Ort. Musik umgeben von grünem Geblätter und Vogelgezwitscher. In den Facebookkommentaren wird unter die Fotografie des Aufbaus die Frage gesetzt ob es sich um ein Kurkonzert handle. Und wirklich allzu reizend leicht zu verklären sieht die kleine gelb gestrichene Gebäudegruppe mit den märchenhaushaft abgerundeten Ecken und Förmchen aus, die die Kulisse für die Bühne bildet. Davor ein kleines sacht ansteigendes Halbrund mit Sitzbänken auf denen man sich ungedrängt niederlassen kann. Man hat eine abgeschiedene Welt betreten.
Es ist mehr oder minder Frühling. Die Vögel kreisen, flattern und tirilieren nach langem Warten ausgelassen um ihn herum, ekstatisch, hingebungsvoll, voll Glück durchsegeln sie die regenfrische Luft. Wilde Verehrung und Anbetung. Das Glück des Lebens kaum auszuhalten für so eine kleine Seele.
Und nicht minder möchte das Herz mit ihnen um die Bühne flattern und kreisen wenn die Musik von Einar Stray in diesem grünen Idyll bei wunderbar die Umgebung ausfüllender Akustik unter freiem Himmel erklingt.
Die Musik setzt an diesem Ort mit einem Schauer ein, der sich kurz in Gänsehaut auf dem Körper niederschlägt. Die meisten Stücke sind neu, und in ihren vielen Details nicht mit einem Mal zu erfassen und zu erinnern. In ihrer Beschwingtheit und Leichtigkeit, die immer mal unvermittelt in brausenden Tumultgeräuschen untergeht, um dann mit neuer Klarheit daraus hervorzutauchen, sind sie jedoch ganz und gar Einar Stray, wie bei den beiden bisherigen Konzerten (I, II).
Einzelne Details treten hervor und werden bewusster wahrgenommen. Die Textzeilen we are on the peak of our youth, we are on the peak of our happiness zum Beispiel, die in dem Lied mit dem so traurigen Text das trotzdem fröhlich gesungen werden soll »Will I die inside before I die?« die innere Ausgangslage vor dieser Fragestellung umreißen. Den Streichinstrumenten werden wie eh unterschiedlichste Töne und Facetten entlockt, dumpf wie aus einem tiefen Brunnen hallt eine fein getaktete Zupffolge von den nicht vorhandenen moosbewachsenen Gemäuer wieder, rauh schlingen sich geigensüße Streichtöne darum. Und durch all das geleiten einen Stimmen, bei denen es einem nach wie vor nicht fassbar ist, wie gut sie singen können. Ein Lied endet mit einer Abfolge von an- und abschwellenden langgezogenen Ahhhhh-s, wie Meereswogen, als es verklingt, quitschert ein Vogel hinein, und erinnert daran wie diese lebendige Musik geradezu für einen solchen Ort geschaffen scheint.
Im Aufbau der Instrumentschaften von Me and My Drummer wird bemerkt, dass aus den bisher, wie von vielen Tastenmusikern verwendeten Doppel aus zwei aufeinanderliegenden Tastaturen, derer drei geworden sind. Ein kleiner Turm der sich schon recht beachtlich in die Höhe schraubt und in seiner metallständerlichten Bauweise doch unweigerlich an eine Orgel erinnert. Der Aufbau wird auch sogleich von der Sängerin kommentiert und als die Lösung des nicht näher erläuterten 3-Tastenproblems präsentiert. Wenn man bedenkt wieviele Einzelteile einen Schlagzeuger umgeben, ist es aber nicht unverständlich dass es auch den Pianisten danach sehnt, ebensoviele Schlagflächen um sich zu scharen.
Auch Me and My Drummer sind aus vergangenen Konzerten (I, II), das erste davon zusammen mit Einar Stray, bereits ausufernd beschrieben. Den freien Himmel füllen sie ebenso aus, wie die damals kleineren oder größeren Räume. Die Verliebtheit in das unerschöpfliche Reich der Synthklänge nimmt zu. Der Zwischenklamauk, in denen der Geist von Helge, den irrsinnigen Möglichkeiten menschlichen Humors, der am meisten in der Begeisterung um der eigenen Verwirrtheit und Unvollkommenheit brilliert, huldigend zugegen scheint, wird ausgedehnter. Man möchte fast sagen der Ulk sitzt dem Fräulein Charlotte wie ein Hulk im Nacken. Der Drummer hin und wieder dadurch ans Ende seiner Contenance gebracht muss halt- wie fassungslos ob der Albernheit der Darbietung mit dem Publikum mitlachen. Die Würde dieses Humors funkelt in wunderbaren Kontrapunkt zum popbombastischen und stimmgewaltigen Arrangement der einzelnen Stücke. Wobei sie vor allem im ersten Stück, dem in sicherlich mühsamer, und an einigen Stellen gesanglich kaum zu meisternder Kreativität der Verzweiflung, die deutsche Übersetzung des ursprünglich englischen Textes eingepaßt wurde, auch ständiger Begleiter der gesanglichen Darbietung ist.
Stücke die sich von einem Moment auf den anderen komplett verwandeln können, kurz aus dem Eigentlichen ausbrechen, Klaviertöne klimpern dazwischen wie eine plötzliche Erinnerung aus der Vergangenheit, vollkommen anderer Takt, andere Klangwelt, ein Augenzwinkern, dann ist das Stück wieder wie zuvor. Wiederhergestellt.
Etwas Neues in all den Rollen die die Stimme der Sängerin ausfüllen kann, einer Stimme die laut herausschreien kann, und dabei doch immer klar bleibt. In besonders episch langen Passagen erinnert die Stimme nun hin und wieder an die unwirkliche Elfenstimme von Therese Aune. Es ist die Verlautbarung eines Menschen, der die glückgebende Exaltiertheit besitzt, in allem was er tut vollkommen aus sich herausgehen zu können. Was könnte einem mehr Selbstvertrauen geben, als sich selbst nicht ernst zu nehmen.