The Devil Makes Three | 5.04.15 | Conne Island

MischionSchwabnWaschBieten. Spanische Schwaben über Ostern in Leipzig, zum Glück hat die Informantin gerade für diesen Samstag vor wenigen Tagen ein weiteres Konzert inseriert, und so begeben wir uns, vom konzertausgehungerten Don und seiner Verlobten chauffiert ins Conne Island, um — hier ist es vor allem der Band selbst wichtig vom Country zu differenzieren — Bluegrass unsere Beine umwippen zu lassen.

Die Fahrweise des Don soll hier mit fünf Adjektiven umrissen werden. Miss Pili beschreibt sie vorsichtig mit 01 gut. Weitere Adjektive stehen zur Diskussion 02 schwungvoll 03 vor Lebensfreude sprühend 04 überschwenglich 05 aahhhhhhoohneinwaahhhhh … wobei die Hinfahrt weniger Gelegenheit zur Bewunderung bietet, als die Rückfahrt durchs engbeparkte Waldstraßenviertel.

Vor dem Konzerteinlaß ein Plausch im Cafe Conne Island über zeitgeschichtlich relevante Themen. Was trägt Mann zur Hochzeit, und die Wichtigkeit diese Entscheidung nicht ohne seinen persönlichen Anzugcoach zu treffen. Schließlich will man auf einem Schiff dass auf dem Cossi kreuzt eine gute Figur machen. Der Vorschlag den Captain höchstpersönlich die Trauung vollziehen zu lassen wird zum Bedauern der Leipziger abschlägig behandelt.

Die Vorband The black Harlekin ist in ihrer Seriösität schwer einzuordnen. Es wird sehr solider Country-Folk geboten. Doch ist trotzdem fraglich ob sich echte Country-Fans einem leicht am Unbewussten nagenden Gefühl veralbert zu werden erwehren könnten. Vom Bassisten der gerade wie ein zurückgebogener Stock aufragt werden die Songs mit tiefbrummenden Rufen untermalt, die diverse Western, die meisten noch schwarz-weiß, am inneren Auge vorbeiziehen lassen. Auch vom Sänger stammende Hei-yaaahs fehlen nicht zum nostalgischen Glück.

Nicht nur in den übersprudeldenden Ansagen, die liebsten Lieder von der eigenen Platte besonders hervorhebend, die in ihrer Posierlichkeit Kontrast zum Songmaterial bilden, scheint es, als würde die Band doch eine gewisse ironische Distanz zu ihrem eigenen Schaffen wahren, die unweigerlich an die leider nie live erlebte Butch Meier Band erinnert, und wohl in der Übergangsphase noch unabdingbar ist, um mit reinem Country durchzukommen, bis die Gesellschaft endgültig überfordert von der Komplexität der Moderne mit wehenden weißen Fahnen, begleitet von einem Kavallerie-Regiment, den Rückzug mit reinem, von geschmacklichem Schuldbewusstsein entlasteten da alles verdrängendem Herzen vollziehen kann, und die gesamte, wie gerade hier und heute im Conne Island versammelte, exemplarisch durchmischte Bevölkerung, von den alten Herren über die Fashion-Nerds, Dandies und New-Hippies bis hin zu den Fitnessschränken mit Kurzhaarfrisur, ohne Gewissensbisse selig im Vergessen schunkelnd vor sich hindämmern läßt — nein, auch während der Songs selbst, wird durch unmerkliches Zucken der Mundwinkel, und die zu sehr gemimt wirkende stimmige Haltung das eigene musikalische Schaffen durchbrochen.*

Das gesangliche Spektrum fällt dabei durch Variantenreichtum, Ausdrucksstärke, in einem auf deutsch-texanisch vorgetragenen Lied durch stimmliche wenn nicht gar emotionale Nähe zu Roy Black, sowie dem gewissen Cowboy-Klang auf, der sich gut in Western-Szenerien einpasst, auch die Rollin’-Rollin’-Rollin’-Darbietung aus den Blues Brothers weht kurz als Vergleich vorbei, und die Musik sowie das durch die beiden Herren auf der Bühne erzeugte Spaßambiente macht — mit dem nötigen wie bereits erwähnten ironischen Abstand um vor sich selbst das Gesicht zu wahren — nicht wenig verwirrte Laune. Bier!

The Devil Makes Three besticht nicht nur durch den Klang des Bandnamens. Eine Baßgitarre, wechselnd mit einem Banjo, E-Gitarre, ein femininer und wunderbar dumpf präsenter Kontrabaß und dazugehörig drei Leadstimmen bilden den Kern der Gruppe. Im schon fortgeschrittenen Abend kurzer Eindruck einer Halluzination als wie durch Geisterhand noch ein Violincello und eine Fiedel das Bild flankieren. Die meisten Stücke getragen vom Schwung des schnellwippenden Takts und emporgehoben vom mehrstimmigen Gesang, Underblues, und dabei mit nicht wenig instrumentaler Wucht vors Auditorium gesetzt.

Wie im Vorfeld geahnt natürlich auch eine den Geist hin und wieder hinwegtrudelnd sendende Gleichförmigkeit — oder es fehlt der Seele die Übung sich ganz und gar in dieser Musik zu versenken, die eine ganze Ära vor dem Geist ausbreitet, Klischees auffächernd, und darunter etwas Authentisches vermutend. Die bisweilen gleichförmig wirkende Musik wird dafür aber auf hohem Niveau dargeboten, sehr tanzbar, man sieht sich nachts bei ausgelassen vergnüglicher Stimmung auf einem Boot in New Orleans mit einem Whisky-Likör in der Hand schaukelnd, und einem in leichter Ausgelassenheit hüpfenden Herzen in der Anderen. Grandiose, wildere und ruhige Momente setzen Klanglichter. Am Kontrabass bricht hin und wieder eine ziemlich vertrackte Klangfolge aus, der Takt spielt einmal zum Walzer auf, und lädt ein paar osteuropäisch anmutende Klänge ein. In einem ohnehin schon mit Gesang und Saiteninstrumenten übervollgepackten Moment sägt sich die Fiedel mitten durch alles hindurch und trifft dabei empfindlich mehrere wonnejauchzende Gehörnerven. An wenigen wohlüberlegten Stellen wechseln, stocken und sprinten Taktwechsel von einem Musiker zum Nächsten, so unscheinbar wie selbstverständlich dass das Ohr noch eine ganze Weile in stiller Bewunderung mit Hinterherhören was da gerade geschah beschäftigt ist. Melodien werden wild übereinandergestapelt, und wenn eine der beiden männlichen Gesangsstimmen vom weich vibrierenden Klang der Sängerin untersäumt wird, ist das in jedem einzelnen Fall absolut zauberhaft.

Nun gilt es nur noch die Heimfahrt hinter sich zu bringen. Waaaahhhaaneiarrrr…

* Natürlich könnte ich selbst wiederum diesen Schachtelsatz nun in Kleinere aufbrechen. Möchte aber gerade nicht.

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