Pianos Become The Teeth & Milk Teeth | 8.10.15 | 4 Rooms
Das Rauschen der Gezeiten wurde mir ins Ohr gesetzt.
I took the boat out on the lake, and I was okay,
need to get that feeling back, once in a lifetime, ripple water shine
…
but it’s a size I can’t teach
(ripple water shine)
Treffe mich bei ausgezeichnetem Konzertpilgerwetter mit dem pendelnden Kollegen A. an der Zentralstation. Der Regen ist von allerfeinster Nieselqualität. Das ausgeprochen humide Klima mag die Sound-Heimsuchung von der der Kollege aktuell befallen ist noch verstärken. Das rauschanschwellende Anbranden und wieder über den Sand fließende Zurückgleiten der Wellen des Nachtstrandes Nojas breitet sich wie eine Art beruhigender Tinitus durch seine Tage aus. Die Heimsuchung ist gelinde ansteckend. Wann immer sie im Gespräch Erwähnung findet, bauscht und schwappt es auch in meinen Ohren. Als begleitenden Unterton einen ganzen Ozean in unseren ohnehin größtenteils mit Wasser gefüllten Säcken, die wir Körper nennen, tragend, begeben wir uns also zum Konzert.
Die Vorband Milk Teeth ist live mehr Postrock und hardcore-Schrei als die Songs auf bandcamp vermuten ließen. Das erste Lied dort weckt immerzu die Erinnerung an das frühlingshaft leicht springende Punkgefühl von Dover. Das mag zum Teil an der stark verwaschenen Akustik des Raums liegen, in der die leitenden Melodien nur schwer herauszuhören sind. Die im Gegenzug aber, wie im nachhinein übereinstimmend festgestellt wird, das ebenfalls sehr zufriedenstellende Gefühl eines dreckig unperfekten Garagenkonzerts hinterläßt, dass auch durch andere räumliche Begebenheiten, zum Beispiel dass sich die Band auf gleicher Fußbodenhöhe wie das Publikum befindet, verstärkt wird. Manch einer würde ihr obgleich einen etwas erhabeneren Ort im Raum wünschen.
Pianos become the Teeth gelingt es aufgrund meist prägnanterer Arrangements etwas besser durch die akustischen Begebenheiten hindurchzudringen. Allem voran durch das deutlich hervorklingende Schlagzeug. Unterschiedlichste Anklänge treiben Erinnerungen anderer Bands in den horizontweit angelegten Stücken vor sich her. Die Stimme des Sängers schwebt pathetisch über wirbelnd geschlagenen Highats und erinnert dabei an My Chemical Romances Black Parade. An anderer Stelle türmen sich die Gitarren zu einer immer stürmischer werdenden Geräuschkaskade auf, und die Erinnerungen wehen zu Loghs Raging Sun, Lied Nummer 6. Die Stimme erinnert hin und wieder an Conor Oberst, durch Dialekt oder exaltiert über sich brechender Dynamik. Und an anderer Stelle wird aus dem Klang der Gitarren der schwebende Moment des Sternenhimmels der Spring Tide von Jennifer Ever gewoben.
In den ersten Reihen zeigt sich das gleiche textsichere glücklichbeseelte Bild, dasselbe Einvernehmen zwischen Band und ihren Fans wie bei La Dispute. Hochgereckte Arme sind heute allerdings das einzige was sich hin und wieder dem Richtung Bühne sichtenden Blick bietet.
Eine kurze technische Panne gibt Zeit für einen kurzen belebenden, noch ganz im Bann von Altamira stehenden, Diskurs über die verschiedenen zeitlichen Schichten die die Deckenmalerei preisgibt. Als unterste Schicht wird eine bewusst primitiv gehaltende Homage an das Computerspiel Pacman ausgemacht. Im späteren Verlauf wurden kleine rechteckige Kunstgrassoden auf das ursprüngliche Tableau aufgebracht, sowie diverser Aluminiumflitter und anderer Zierrat. Ist der Zierrat ein Versuch die zum Teil aus der Decke hervorspringenden Rohre der Wahrnehmung zu entziehen? Besonders irritiert bleibt die Aufmerksamkeit an dem seiner Natur nach frei schwebenden orangenem Monster, das nun aber auf dem Kunstgrassoden zu sitzen scheint, hängen. Eine tiefere Bedeutungsebene kann in diesem Moment der Erstbegegnung mit dem Kunstobjekt weder auf- noch ausgeschlossen werden.
Wenn man das Meer von einer Klippe aus beobachtet, sieht man sich der Unwägbarkeit der heranrollenden Wellen ausgesetzt. In der Erwartung hingehalten das plötzliche Aufgischten und Zerspringen, das man eben nur aus dem Augenwinkel beobachtet hat, gleich noch einmal zu sehen. Auch wenn sie in ihrem Herannahen mächtig und riesig wirken, zeigen die Wellen meist bei ihrem Aufprall an den Felsen nur ein verhaltendes Anschmiegen und Umspielen der Felsen. Welle um Welle vergeht bis zu dem Moment in dem eine der Wellen wieder mit solcher Wucht gegen den Felsen springt, dass alles in einem Wassertropfenschleier zerstiebt. Es ist ein so anspannendes wie entspannendes Gefühl im geduldigen Vergehen der Zeit.
Dieses Gefühl zieht sich auch durch viele der Stücke von Piano become the Teeth. Zum Beispiel auch durch das Stück von dem in der Ansage nur trampoline* verstanden wird, was natürlich zu einer gänzlich anderen, ebenso funktionierenden und befreienden Assoziation führt, und mit dem der Abend mit einem beschwingt hüpfenden Glücksgefühl endet.
* Repine? Hiding?