Emma Ruth Rundle ::: Wovenhand | 22.09.16 | UT Connewitz

»christlich-schamanistische Fundamentalisten spielen Metal auf Country-Basis«
(Hr. Walte)

Ein Dröhnen und Bohren begleitet den Weg aus dem Reich des Schlafes in die Welt die wir die Wirkliche nennen …

Emma Ruth Rundle. Ein zierliches Wesen dessen Stimme weit in Raum und Zeit greift. Der Gesang der anfangs nur von einer verstärkten Akustikgitarre, aus der immer wieder unvermittelt dröhnende aufhallende, klaffende Akkorde gesetzt werden, begleitet wird, ist wie das Meer das an einen Strand anschwappt, Welle für Welle sich anhebend und sich dann leise verschwindend zurückzieht, und darüber der Gezeitenwechsel. Oder wie der Wind der mal sachte knisternd Blattwerk durchraschelt und sich im nächsten Moment anschickt alles zu entwurzeln. Er ist wie das Ein- und Ausatmen des Lebens. Zugegeben mehr an von Menschen fernen, von Nebel umgebenen Orten. Man sieht Küsten und Lichtungen im Morgengrauen, keine Großstädte, nicht den hektischen Puls großer Menschenmengen. Das war vielleicht einmal, und mag auch wieder sein, wenn sie Bestandteil der Marriages ist. Man sieht die gedankenvolle Einsamkeit einer abgeschiedenen Seele. Der an- und abebbende Effekt der Stimme wird durch vor und zurückwiegenden Tanz um das Mikrofon verstärkt.

Zu drei Liedern Begleitung durch Violine, in lang und klargezogenen Strichen, und Wechsel auf e-Gitarre. Die Violine setzt in den Zeitlupentanz mit ein, mal begleitend mal kontrastierend und im entzückendsten Augenblick wie in einem langsamen Abwärtsstrudel treidelnd.

Es scheint es ist der Gegensatz von Zartheit und daraus ausbrechender Naturgewalt, ausgebreitet auf nahezu unterschwelligen Melodien, die wie ein Windhauch vergehen, der eine nahezu tranceartige Stille im Publikum erschafft.

Wovenhand. Die, wie später bemerkt, nahezu tadellos aufgeräumt wartende Bühne, deren Boden wohlweislich keine Stolperfallen für plötzlich dahingleitende Schritte von, dadurch wie in geisterhaften Kurzstreckenbeam-Flimmern delokalisiert scheinenden, Sängern, bereithält, steht bereit. Diesmal nur ein Mikrofon, an dessen Hals ein weißes und ein rotes Band baumeln, man mag sie aufgrund mangelnden besseren Wissens als Gebetsbänder bezeichnen. Die erste Vermutung es wären abgetragene Stirnbänder des Reverends wird sofort abgetan als dieser die Bühne betritt und unter dem sandgetöntem Cowboyhut ein ziervoll gemustertes Tuch hervorsticht. Die fast zerfleddert zu nennenden Bänder am Mikrofon wären offensichtlich nicht dazu angetan gewesen die Stirn des Meisters zu schmücken.

Das nun ausbrechende Konzert, tosend, elektronisches Metallgewitter, entspricht akustisch in etwa dem Gefühl von tagelangem Wolkenbruch. Gewaltig, beeindruckend und bis ins Innerste in naturehrfürchtiges Zittern versetzt, doch auch Geist und Sinne in einer Weise durchrüttelnd und aufwühlend, dass man sich nach ein klein wenig Ruhe, ein kurzes helles Aufbrechen der Gewitterwolkenmasse am Himmel, einer Andeutung von Sonnenscheinmöglichkeit, sehnt. Zitternd, durchnässt und in ganzer Seele schlotternd. Andeutungen dies könnte einerzeit geschehen werden wohl kalkuliert spärlich gestreut. Erinnerungen an bisweilen in Seelenruhe leuchtende Passagen vergangener Konzerte kurz geweckt. Doch noch, so scheint es, ist die Zeit nicht wieder reif dafür. Noch hält der tosende Sturm an, und es obliegt nicht dem sterblichen Menschen zu entscheiden, wie lange er noch zu toben hat. Noch ist es nicht soweit, noch ist der Sturm nicht ausgetobt. Der Wegfall des Verzerrmikrofons, ein Zeichen hin auf ruhigere Tage die anstehen?

Doch in diesem Gewitter stehst du nicht allein. Ein Hirte ist dir gegeben, seine Stimme weht hin und wieder stärkend und beruhigend durch den lärmenden Tumult zu dir heran, spricht Zuversicht und Stärke. Sie allein gibt die Kraft allem Stand zu halten und spendet Trost. Der Zweitgitarrist und scheinbar Seelensohn verstärkt oft wie ein Echo die singenden Worte. Doch, noch viel wirksamer, um die lärmende Gewalt des Gewitters zu durchdringen, ist natürlich das Ausweichen auf ein anderes Übertragungsmedium. Sind die Signale die ungehindert durch den physischen Aufruhr in der hörbaren Welt dem Auge zugesendet werden.

Was sagen sie uns? Ein über dem Hut ausgewrungener Schwamm. Ein irgendwie anklagendes Deuten auf eine Stelle des Bodens. Ist er schmutzig? Müsste mal gewischt werden? Oder ist es dort nass? Diverse hoffentlich metaphorische Bilder des gewaltsamen Verlebens, Ersticken, Schläfenschuss, aufgeschlitzte Kehlen und der Gehenkte. Doch steht nicht auch im Tarot der Gehenkte nicht lediglich für Veränderung? Ein aufsteigender Vogelschwarm. Eine verschluckte Wespenschar die sich im Körper summend ausbreitet. Ein pupillenloser Blick gen Himmel. Mehrmals, scheint es, ein Niesreiz oder Gähnen muss hinter zum Gesicht geführter Armbeuge verborgen werden.

Neben diesem schamanistischen Schattenspiel gibt diesmal der Blick auf den Trommler besondere Freude und Halt. Neben diversen metallschallenden Schlagflächen gibt eine kleinere Trommel ein helles und doch verzückend dumpfes Klacken, beinahe wie auf Holz, von sich.

Zwischen all den Klangräumen des amerikanischen Kontinents erinnert ein Stück auch im Rhythmus an türkischen Tanz und Ausgelassenheit, in verschiedenen Interviews wird auf weitere Einflüsse aus aller Welt verwiesen, traditionelle irakische und mongolische Musik, er würde nichts aus seiner Musik fern halten wollen, denn das sei das Leben, sobald du raus gehst, die Menschen auf die du triffst, alles verändere dich, und so scheint es, der Sturm umtost nach und nach die ganze Welt, gibt das seit Urzeiten stetig weiter Wirbelnde alles Lebens wieder … bis man schließlich langsam wieder wach wird. Reverend Edwards bewegt sich in Seitwärtsschritten von der Bühne, dabei die Hand mehrmals wie im Handschlag auf und ab bewegend. Als würde er sich von jedem einzelnen der versammelten Gemeinde verabschieden. Manch einer spricht gar versonnen von einer Segnung …

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Zurückliegende Eindrücke von Woven Hand 2008, 2010 und 2015.

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2 Kommentare
  1. Alex · May 29, 2018 @ 17:58

    So langsam könnte Herr Edwards auch mal wieder seinen hageren Schatten auf heiligen UT- Boden werfen.

  2. admini · May 29, 2018 @ 20:23

    An warmen Tagen denkt man bisweilen zu bildlich, man stelle sich vor, Herr Edwards könne seinen Schatten wirklich hinwerfen wohin er will, ihn anderen Menschen zuwerfen … Moment, vielleicht tut er das ja gar! Sein Schatten liegt auf uns allen, die wir ihn auf der Bühne schamanen sahen … und ja, schön wäre es wenn der geworfene Schatten einen frischen Anstrich bekäme!

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