All them Witches | 15.10.16 | White Trаsh Fast Food
Berlin, Friedrichshain. Ist ja alles in Laufweite hier. Hr. Walte weist auf den Jahrzehnte alten Müffgeruch der aus U-Bahn-Tunneln steigt hin. Warschauer Brücke zufriedenstellend noch viel großartig grauschmutziger als in der Erinnerung. Möwen kreisen über der innerstädtischen Müllkippenbrache und den aufgegebenen Gleisgeländen als wäre alles am Meer.
Der neblige Dunst hoher Luftfeuchtigkeit verstärkt sich zur erinnernden Illusion man wäre wieder in Bansin oder Porto und blickt aus dem Fenster in morgenfarblosen Himmel. Doch Berlin Friedrichshain & Kreuzberg sind selbst an grauen Regentagen bunt und Straßenzüge voller wild gepflanztem Urwald an Baumscheiben wetteifern mit Balkonen die über und über mit Grün bestückt sind. Hängende Gärten. Farbrauschbunt bemalte Hauswände, Botschaften fürs Leben und für die Gesellschaft. Kreativer Konkurrenzdruck der hippalternativen Läden ist so groß dass sie sich in einem wilden Wettbewerb immer weiter übertrumpfen, was irgendwie ganz und gar großartig ist, aber auch knapp an der introvertierten Überlastungsgrenze an verarbeitbaren Eindrücken schrammt.
Zeit in einem trist gestalteten abgeschiedenen Park desensorisch zur Ruhe zu kommen, den man sich mit vereinzelten Grüppchen von gesellig geschäftigen Menschen teilt, und sich dann im behaglich stillem Hinterzimmer des New Deli Yoga mit einer Freundin zu treffen, bevor man in die allerorts gleich vertraute beruhigende Atmosphäre eines Raumes eintaucht der voller Menschen und Musikerwartung ist. Noch vertrauter wird’s dadurch dass die Staffage des in und aufwändig zusammengezimmerten White Trash Fast Food Restaurants wie auch des Konzertraums opulent an die verrückt überladene Gestaltung der Leipziger Bimbotown erinnert. Nur ohne sich bewegende Möbel.
The Great Machine. Der Gitarrist entblättert sich von Lied zu Lied erst von seiner Taucherbrille, dann von seinem schrillgemustertem Hemd, hört danach aber auf. Als späte Assoziation wird eine Ähnlichkeit mit Christoph Maria Herbst wahrgenommen, nur tätowiert und die mittleren Haare stehen lustig im Gegenlicht des Bühnenscheinwerfers illuminiert. Der Bassist und Hauptsänger scheint mit seinen dunklen, lockig wuchernden Haaren und dickrandiger Brille und in indisch elegant geschnittenem mit Mandalas gemustertem Hemd direkt aus den 70ern gefallen zu sein. Der Schlagzeuger ist im Nebel kaum auszumachen, trägt aber ein ähnliches Hemd.
Gespielt wird munter-hypnotischer Stoner Rock, mit ein bisschen Roll, und an Bul Bul erinnernder leidenschaftlicher Craziness, jedoch etwas gesetzter. Die Musik enthält hell vor sich hin wabernde hypnotisierende Klänge und auch alles andere was man aus einer e-Gitarre an Schall hervorzaubern kann. Die Lyrics des letzten Liedes stehen sicher exemplarisch für das Sendungsbewusstsein das die Band antreibt. Love is the answer, Love never die.
All them Witches. Sehr dichter, durchdringender Blues umspült und durchdringt alle Seelen. Es ist ein wenig als würde Reignwolf auf der Bühne stehen. Nur etwas weniger triefend. Dazwischen Americana-Passagen und Balladen die sich nicht selten zu seelenberührenden Hymnen steigern, Stoner Rock voll psychedelischem Schrammeln, tänzelnder Weltraumorgel, berauschtem Taumel, musikangefülltes Glück im Wechsel zwischen beinahe-Stille und ausfüllendem Krach, dahintreibend wie Laubblätter vor dem Wind, darin wie sich der Gesang mit allen anderen Instrumenten in einem fein abgestimmten Reigen aus tausenden kleinen perfekten Momenten befindet. Ein Yin und Yang aus Bewegung und Ruhe.
Der Schlagzeuger, ein wenig an Freddy Mercury erinnernd, ist im Nebel kaum sichtbar, darf aber am Ende vor der Zugabe eine Trommelstrecke absolvieren auf die er sich sicher schon den ganzen Abend gefreut hat, und währenddessen der man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, wenn es nach ihm ginge, würde er so schnell nicht mehr damit aufhören.