Run on Sentence ::: The Builders and the Butchers | 19.05.17 | So & So
… nachdem Run on Sentence und Builders & the Butchers
die Gehörgänge fachgerecht zerlegt haben, wird
Käptn Peng morgen unser Gehirn aus-ein-
ander-schrau-ben. Das wird ein Spaß!
Auf dem Gelände des TV-Clubs betritt man durch einen holzgezimmerten Vorbau einen fürsorglich begärtnerten und dezent mit industriellem Zierrat dekorierten und mit verschiedenen Sitzgruppen ausgestatteten Hinterhof, in dem Leute mit Getränk, Geräuch und Plauderei die Zeit bis zum Konzert vergehen lassen. Wir sitzen neben einer Winden-Pflanze die porzellanene kleine werdende, noch hellgrüne Blütenansätze aufweist, ein Blick nach oben in zwei blaue Blüten zeigt mir, dass dies meine erste unverhoffte Begegnung mit einer Clematis ist. Ein Traumfänger hängt von einem Holzgerüst das einen jungen Baum umgibt, sowie ein kleines mit grünem organischen Material gefülltes offenes Fläschchen. In einer Ecke ein Tank, in Ansätzen von Efeu berankt, obenauf ein Glaszylinder, ebenfalls von einer neongrünen vor sich hin modernden Flüssigkeit ausgefüllt. Ein Schnurtelefon an einer Holznische. Eine Affenmaske mit rot leuchtenden Augen die den Eingang nach drinnen überspannt, als wäre es das Bergwerk von Monkey Island. Zwei ältere Herren in Karohemden. Tätowierungen. Barfüßigkeit. Darüber ein wunderbarer vorgewittriger Abendhimmel mit immer neuen Wolkenmustern, meist einzeln schemenhaft dunkleren Wolkenflecken vor gleichgetöntem Grund. Es läuft beschwingter Soul.
Drinnen eine Bautreppe und dunkel ausgekleideter Raum, weitere Sitzmöbel, Kinosessel, geschreinertes, und eine aus mehreren nebeneinandergestellten Klavieren bestehende Bar. Noch weiter nach innen wird der Konzertraum entdeckt, dessen Bühnenhintergrund aus den eng aneinanderliegenden Kreisformen von Trommeln besteht, momentan in groovy Pink ausgeleuchtet, aber an sich in verschiedenen Farben ausleuchtbar. Davor eine angedeutete Waldreihe von Birkenstämmen. Jeder Moonatics-Mondbar wäre es ebenfalls eine Zier.
Run on Sentence. Die Bühne wird von einem Schlagzeuger, einem Bassisten und einem Gitarristen, der zum Einstieg ein, zwei perlende Surfschrammen aus seinen Instrument hallen lässt, betreten, doch sogleich wird die Musik von energischem schwer mit Blues und Soul getränktem Bluegrass, wildem Getrommel und sich dicht ineinander verschwimmenden Saitenklängen überspült, und der sehr bebärtete Sänger schlappt barfüßig auf die Bühne, und setzt, innerlich wie ein ruhender Fels scheinend, mit wild um sich werfender Stimme mit ein. Es wird bereits mächtig in diesselbe Kerbe geschlagen die Builders and the Butchers später gänzlich zersplittern werden.
Anders ist, dass vom Sänger eine nahezu hawaiianisch entspannte Aura ausgeht, wie Wellen schwappen seine Textzeilen erst sehr ruhig in vielfachen melodischen Bögen heran, die Musik hat sich weit zurückgezogen, setzt nur hier und da einen kleinen Gitarrenklang, um mitten im Jetzt auseinanderzustieben, von Schlagzeug, Saiteninstrumenten und Stimme durchpflügt zu werden. Dustin Hamman singt, jault, heult und schreit aus innerster Seele sein Wesen über den wunderbar glücklichen, melancholiegetränkten Lärm hinweg, und einzelne Textbruchstücke umhüllen in tiefem Einverständnis das oft von weltenumspannender Müdigkeit umschlungene Selbst, I am tired of moving, … I just want to rest with my head on my chest …, während in anderen Songs, insbesondere in Albion, immer wieder I am Easy im Ohr widerhallt.
Beim morgendlichen Hören des erworbenen Albums, das mit weiterer Instrumentierung, weiten sphärischen ruhenden Momenten und noch mehr chilliger Atmosphäre, einer transluzenten Leichtigkeit, noch eine ganz andere Magie entfaltet, und dabei im Gesang so sehr vom Blues getragen, den Gedanken herbeiruft, dass ein jedes Musikstück auf eine lange Reihe verschiedenster Ahnen beruht und eine Abstammung hat, evolutionäre Entwicklungslinien, und jede einzelne Linie hallt in ihm wieder, und trägt zu seinem Wesen bei. … Daraus mag das bisweilen historische ergriffene Moment das einen umfängt, während man etwas durchfeiert an einem noch konzerttrunkenen Frühstückstisch sitzt, rühren.
The Builders and the Butchers. Ein Umbau ist aus sich erklärendem Grund nicht notwendig. Auch dass die Vorband, insbesondere der Schlagzeuger, irgendwie so vertraut schien, ergibt vollkommenen Sinn, denn sie sind Teil von Builders and the Butchers und unterstützen Dustin Hamman für diese Tour. Hinzu kommt nun der zweite Schlagzeuger und der Sänger der Builders and the Butchers mit Akustikgitarre. Das immer noch wie verloren dastehende Nord Piano, wird zu wenigen Einsätzen kommen, hin und wieder für im Gehagel der anderen Klangquellen kaum auszumachenden Synthteppichen, und zum Schluss minimal prägnanter und nicht weniger beglückender zu ein paar Weltraumorgelklängeleien.
Die Show, die Wucht der zweifachen Trommelausstattung, der Drive, die mit unvergleichlichem Sog voranstürmenden und sich überschlagenden Melodiebögen, die jeden Lullaby mit sich atemraubend hinfortjagen, Gitarrentumult, stompede abhakende Brüche und Einsätze, oder langsam verebbenden, versandenden, beinahe schweigenden und wieder beschleunigenden Passagen, die Schönheit der wie in einer Schlucht pfeifender Windströme mit leicht dissonantem Klang durcheinanderwirbelnden Backing Vocals, die vielfachen Klangfarben die bluegrass Blues aus den Instrumenten jagen, das schiere Glücksgefühl der Geschwindigkeit, und allen voran die überschlagend mitreißende Energie des Sängers, ergeben einen der frenetisch ausgelassensten tanzenden, mitsingenden, dankesjubelnden, energiebrizzelnden Konzertabende Leipzigs, und eine Band die nach der geplanten Zugabe, als bereits die Musik von Band einsetzt und das Konzertende signalisiert, nicht anders kann als im nicht endenden Applaus gerührt mit vielfachen amazinging love yous noch einmal für ein weiteres Lied auf die Bühne zu treten.
Nobody knows, where we go, when we die, but I can hear the answer on the wind …
Bei beiden Bands tragen symbolmächtige Worte die die ersten und urgründigsten Lebenserfahrungen unserer Spezies bezeichnen, sun, burning, hell, lullaby, moon, bone, blood, wind, mountain so high, dying, rain, down, dust, the sea, darkness, blackness in your eyes, thunder, trees, zur durchdringenden Wirkung und dräuenden Atmosphäre der Musik bei, den äußeren Elementen im Inneren verhaftet, und geben dem nicht unvorhergesagten Schauerregen und der dunkelschwarzglänzend im Laternenlicht spiegelnden Teer, Pfützen und Kopfsteinbeplasterung noch einen schamanisch verklärbaren Erlebniskontext. Texte die sich um unser aller Leben drehen. Die Seele von jeglichem Alltagsschrott bereinigt und geläutert.
… when the rain uncovers the earth … this rain will come and chill you to the bone … oh rain come … when the rain came down … took them down to the river and they washed them all away … no one makes it rain the way you make it rain … I’m bringin’ home the rain … and the rain, rain, rain _ it fell from the sky … we burn, in the sun, to hell, the rain will come … come sing me down the rain … it all comes burning down … tonight!
… I awoke to the sound
of the sky falling down in the morning
and it’s shaking panes
and it’s shuddering the walls
…
when it rains
when it rains
let it wash us both away