PGI Expeditionsbericht & Trivialnotizen | España del Norte | 18. bis 28. Sep 2015
Keine Postkarten! Keine Bilder.
Rückreise, Segovia, Fliegen
Meergestärkt und bereit für die Rückreise durch das karge Land verlassen wir Noja spätvormittags an einem sanftsonnigen Tag ohne nennenswerten Wellengang. Es wäre perfektes Badewetter.
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Selbstauslöse-Gruppenbild auf dem Grashang mit Blick auf das Meer; mit Bank, Tamariske (Tamarix), und links im Bild einem leicht bauchigen mittelaltem Spanier der uns beobachtet, oder auch nur versucht nicht in unser Bild zu laufen
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Auf dem Weg nach Segovia. Die Wolken hängen getüpfelt und wie angepinnt am Himmel, so wie es eigentlich eher dem norwegischen Himmel vom wissenschaftlichen Beirat Prof. Hennecke als typisch attestiert wird. Der Blick über die weite Ebene scheint weiter zu gehen als in Mitteleuropa, oft von einem leicht erhöhten Punkt über eine weitgedehnte abfallende Fläche bis hin zu den umgrenzenden Bergketten.
Die Versuchsreihe von T.h.e.o. mit verschiedenen Mischungsverhältnissen aus Speichel und Kekskrümeln eine mörtelfeste und auf allen Materialien unlösbar haftende Masse zu erreichen nähert sich ihrem erfolgreichen Abschluss. Klanglich bewundere ich wie das aus einem anfänglichen Gequengel sich ausweitende Geplärr wiederholt in ein zufriedenes Keksschabgeräusch übergeht.
Am Aquädukt in Segovia eine größere Menschenansammlung, die den Platz davor für Gesangsdarbietungen frei lässt. Es gibt Postkarten. Wir kehren dem Geschehen am Platz des Aquädukts den Rücken zu, und streben ein ruhiges Plätzchen fernab des Trubels an, um in einem Café etwas zu trinken und zu essen. Folgen einer der von Cafés gesäumten Straßen bergauf. Der Institutsleiter schildert später dass er vermeinte seitlich von sich folgend wiedergegebene Unterhaltung zweier Segovianer gehört zu haben, als er T.h.e.o. huckepack tragend an diesen vorbeiging. »Es muy grande, eh?«. »Si, es locco, eh?«.
Es ist heiß auf der gepflasterten Straße. Wir stehen unvermittelt vor dem Beginn einer kirchlichen Prozession. Begeben uns so verdattert wie respektvoll zurückweichend mit dem Rücken an die ebenfalls Hitze verströmende Hausmauer. Der Weg ist eng, an ein Vorbeikommen ist erstmal nicht zu denken. Eingeklemmt zwischen Hausmauer und Pietät nehmen wir die Szenerie weiter in uns auf. Hinter dem kreuztragenden Priester folgen vier ältere Damen komplett in schwarze Spitze gewandet und in Stöckelschuhen. Alle sehen sehr ernst aus. Es folgt ein Heiligenwagen begleitet von olivgrünem Militär im Gleichschritt. Plötzlich ertönt eine Kapelle, erst schwertragend, plötzlich in eine leichtere Weise wechselnd. Ein weiterer Militärzug hält vor uns an. Herr Walte bemerkt offene Schnürsenkel. Der Institutsleiter veraltete Bewaffnung und bärtigen Wildwuchs. Beide weisen auf ungeputzte Schuhe hin. Meine Wahrnehmung ist noch von dem Unvermitteltem der Begebenheit an sich beschäftigt. Der Zug scheint kein Ende zu nehmen. Von der Hitze langsam mürbe beschließen wir uns weiter an den Hausmauern entlang vorbeizuschieben was schließlich auch glückt. Der Zug begegnet uns später am Aquädukt in Draufsicht noch einmal.
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überall fein zurechtgemachte Menschen, unter denen vor allem die Senioren elegant hervorstechen; auf den Zinnen die zum Aquädukt hinabblicken stehen Menschen aufgereiht nach unten blickend vor mir; im Nonnenpunktspiel setze ich zu einer wilden Aufholjagd an, als eine weißgewandete Nonne vor mir mit wehendem Gewand die Treppe hinabtänzelt, dann erspähe ich unter mir 3 Nonnen in einem warmen Grauton, und oben auf den Zinnen eine in schwarzweißer Tracht; doch Herr Walte sichtet natürlich 5 Priester bevor ich sie erspähe, von denen ihm jeder 3 Punkte einbringt, und auch der Bischof der Stadt der die Prozession hinter dem Heiligenwagen begleitet, wird zuerst von ihm erblickt (8 Punkte); da helfen auch weitere Einzelnonnen von oben auf den Zug blickend nichts; oben ein von einem Aquäduktpfeiler geteilter fliegender Blick auf die zwei Hälften der Stadt; enge Gassen; das Blechbüchsenzwillingshaus, ein riesiger Hund, der Platz mit dem Saxofonisten, die fast arabisch wirkenden Muster der Häuserfassaden, der Brunnen mit dem spuckenden Fisch, über uns Tauben, ein Bild auf die anderen Institutsmitglieder mit Theo, sitzend auf der Terrasse über dem Festplatz, rechts im Vordergrund der seltsame Junge der mich anstarrt und Theo geärgert hat, Spatzen, verzierte Straßen- und Hausschilder, auf dem abgeschiedeneren Platz ein eher studentisches Flair, man fühlt sich fast heimisch, ein überaus sehenswertes Städtchen
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Ornithologische Notiz: Spatzen (Passer domesticus) und Tauben (Columba livia f. domestica)
Weiter nach Madrid. Plötzliches Chaos als die Autopista in einen weiten Platz vor einer Mautstation mündet, sich sämtliche Fahrbahnbegrenzungsmarkierungen mit einem leichten Wimmern auflösen, und alle Autos in waghalsiger Choreografie kreuz und quer durcheinander fächern. Mit einem beklemmten Schlucken entringt sich dem ein oder anderen von uns eine wohlbekannte Lautfolge. Über unseren Köpfen kreisen 600 Piepen wie Geier. Ein riesiger Mond geht über den Bergen auf. Noch über die Schönheit des Himmelskörpers staunend geraten wir in den zähflüssigen Verkehr bis Stau auf den wild verzweigten Autopistas um Madrid, die Lichter der Stadt nehmen den gesamten Horizont ein. Der Weg zum Hotel wird dank der überlegenen Fähigkeiten unseres Navigators Adlerauge Füten auch ohne Navigationsgerät spielend gefunden. Der Adrenalinpegel steigt noch ein weiteres Mal, als Rezeptionist eins unsere Reservierung nicht anhand der vorliegenden Nummer finden möchte. Doch auch diese Hürde ist schließlich genommen, wir wandern durch nicht enden wollende Hotelgänge, erkunden nach der Inzimmernahme noch einmal Treppen- und Fahrstuhlwege vergleichend die Örtlichkeiten um den nichtfunktionalen Getränkeautomaten, und sinken schließlich in einen schnellen Schlaf, in dem der Institutsleiter im Geiste bereits mit von gestauter Wut geleiteter Verve die Hotelbewertung verfasst.
Auf dem Rückflug Wolkenseen die in den Pyrenäen nicht über die Gipfel kommen und so zwischen ihrer Bergumgebung eingeklemmt sind. Tüpfelwolken über Mitteleuropa. Die Landschaft verändert sich zu sattem grün bei gleicher Feldflächenaufteilung, und dann dieser ewig weit ausgedehnte, wenn auch merkwürdig rechteckig unterteilte Wald um Berlin, und die Seen, ein hübscher Anblick. Beinahe Zuhause. Wir fahren gerade nach Leipzig ein, als T.h.e.o. sich zu einem »mannmannmann« hinreißen lässt, das die gesamte Reise zusammenzufassen scheint. Nach all dem vergeblichen Bemühen ihn für neue Worte zu begeistern, weder Blume noch Wolke schienen zu gefallen, verbuche ich stolz diesen Erfolg.