Bloc Party | 25.06.19 | Parkbühne
Abays Postband Razz ist diesmal Vorband. Sehr vernünftiger 00-Jahre-Retro, Reminiszenzen an Interpol et al.
Die erwartende Spannung. Das Publikum in der Zwischenpause ist trotz alles belegender Hitze hibbelig, die eine Hälfte hüpft immer mal wieder auf und ab, die andere wippt mit einem Bein. Und irgendwann ist es soweit, Bloc Party in halber damaliger Besetzung, neuen, vermutlich nicht mehr ganz neuen Bassisten und Schlagzeugerin betreten die Bühne. Beginnen mit einem der ruhigeren Lieder, unklar ob der Sound sich noch einspielen muss, oder nein, oder doch, Änderungen an den Arrangements vorgenommen wurden. Hie und da Abzweigungen in der history lane genommen werden. Hr. Walte berichtet aus späterem Forenstudium von der überzeugenden Vermutung das Album sei rückläufig abgespielt worden. So beginnen wir mit two more years, treiben über little thoughts und compliments* weiter zurück, und immer weiter zurück und entdecken das nie Vergessene neu. Die übereinander und oftmals auf so schwer nachvollziehbare Weise ineinandergehenden Layers der Songs treiben durch die mit Mückenspray durchsetzte Sirupluft wie verlangsamt auf einen zu, während einen das Grün der umstehenden Bäume umringt, und den Blick immer mal wieder abfängt. Und man kann sich eine Weile vollauf damit beschäftigen diesen so speziellen Bloc Party-Effekt auszuloten, den man immer unbewusst mitfühlt, wann immer man an ihre Musik denkt, aber live nochmal neu, unmittelbar und intensiv wahrnimmt, und die besondere Schönheit ihrer Musik ausmacht.
Die verschiedenen Lagen sind durchsichtig, die Songs haben immer, bei allen harten Einschlägen und Schrammen, etwas darüber und darunter und alles umgebendes schwebend Ätherisches, durch das der besondere Drive von Bloc Party gleitend hindurchmanövriert, die Beschleunigung zwischen vollkommener Ruhe und Geschwindigkeit, Brüche, Abruptheit, sie mögen sich direkt aus dem Herzschlag und Lebensgefühl von Kele Okereke speisen. In ihm und den Liedern von Bloc Party scheint eine nahezu Gleichzeitigkeit an unterschiedlichen Stimmungen zu existieren. Ein stetes Flimmern zwischen Hektik und Ruhe. Silent & Alarm.
Vor allem, nach dem «Verlassen» der Memory Lane**, bei Prayer und Hunting for Witches noch einmal vor den Ohren und vor dem Sinn bewusst gefühlt, wie gewichtig die Texte, wie großartig auch das Songwriting ist, dessen Zeilen wie mit wild querschießender Nadel in die umgebende Klanglandschaft eingewoben sind. In bisweilen gewaltig krachende Songs, wo so vieles auf einmal geschieht, aufeinanderprallt, und immer dazwischen Keles Stimme, die sich selbst wie in verschiedenen Lagen befindet. Hie und da werden Gesangszeilen auch vom Bassisten oder der Schlagzeugerin eingesungen. Jene spielt äußerst fein und präsent. Einzelne Momente perlen besonders an einen heran, Gitarrenzauber, vertracktes, verzerrtes, kristallines, verträumtes, wummerndes. Eine Konfettiexplosion und ein märchenhafter Wirbel aus weißen Papierschnipseln schneit auf das Publikum herab, bis alle Flipflops und Sandalen Zentimeter tief im Schnee stehen.
Es ist erstaunlich dass man sich bei dieser Temperatur tatsächlich tanzend bewegen kann, und unweigerlich muss. Zum Ende hin verkündet Kele die Memory Lane zu verlassen, und neben Prayer et al. wird auch ein letztes, zwei Publikumsmenschen unbekanntes, Stück gespielt. Und dann ist es ohne Zugabe vorbei. Benommen bleibt man zurück im wieder Jetzt und lange versäumten Glück diese Band live zu sehen. All die ineinander verzwirbelten Musikschichten funkeln und glitzern innen weiter fort während man bei nicht dunkler Nacht durch warme Luft nach Hause weht. Und ein Ohrwurm von Algiers stiehlt sich in mich hinein …
* oder auch von compliments über plan und luno, einer anderen Albumausgabe folgend.
** wobei sich der Zeitpunkt dieser Wahrnehmung wohl eher aus dem Nacheinander Verarbeiten von allem was auf einen einströmt ergibt, als aus einem flacherem Songwriting in Silent Alarm. Der Fokus wandert …