wallace ::: besen & system

… »das muss kein individueller Zweck sein, er ist unabhängig von einzelnen Personen. Das Erzählen schafft sich seinen eigenen Zweck. Großmutter sagt, alles Erzählen wird zu einer Art System, das alle Beteiligten kontrolliert. – Wie das? – Durch einfache Definition. Jedes Erzählen bringt nicht nur hervor, es begrenzt auch.« … da ist schonmal das System, und der Besen bestehend aus Stil und Bürste kommt später vor. Der Titel … beinahe scheint er entschlüsselbar, im Kopf ist da so ein Gefühl, doch es fehlt, wie es zu formulieren wäre. Irgendwo geht es glaube ich auch noch um die gefühlte Funktionslosigkeit von Lenore sen. die dieser im Altenheim zu schaffen macht. »Dieses Land bringt merkwürdige Menschen hervor. Verstörte Menschen. … und wenn diese Menschen schließlich alt werden, wenn sie erkennen müssen, welche Folgen dieses seltsame abgeschottete Land für ihr Bewusstsein hatte, und ihren Frieden damit machen … und ihre Erinnerungen darin unterbringen müssen, jenseits aller Eindrücke und Gefühle. Eindrücke der Vergangenheit. Erinnerungen: etwas das existiert und nicht existiert. Der Mittlere Westen: ein Ort und nirgends. Eine flüchtige Mischung. In unserer Einrichtung spüre ich diese Flüchtigkeit seit geraumer Zeit.« … Lenores Vater, im Dauermonolog mit ihr. »Obwohl, der Regen auf dem Fenster ist schön, ich gucke auch gerne raus, wenn ich Zeit habe, also nie.« … »Das Wasser ist eisengrau mit Flächen voller Gischt. Der Himmel ist eisengrau nur heller, und zeigt ebenfalls diese gischtigen Flächen.« … das Psychotherapie-Theater: »Desorientierung und Depression stellten sich ein, als die Familienmitglieder versuchten, Glück und In-die-Welt-Entfaltung auf Dingen aufzubauen, die weder mit ihnen noch der Familie zu tun hatten.« … »Ein heller Tag Anfang September, alles trocken, die Sonne hängt sehr konkret am Himmel, die Wärme kommt eindeutig von dort, der Tag selbst hat, sogar am Mittag einen kalten Kern.«

Die Planung der Wüste. Selten eine effizientere Besprechung erlebt. »Gouverneur: Eine Wüste, Gentleman. Ein Bezugspunkt zur wilden Vergangenheit dieses Landes. Ein wüstes Land. … die harte Seite von Ohio. … ein Ort an dem die Leute allein sein können. Ein Ort zum Nachdenken.« … später werden Ausflugsfahrten in die Wüste beschrieben, eigentlich immer in größeren Gruppen … »aber da leben doch Leute? Und nicht gerade wenige. – siedeln wir um. Das Land wird enteignet. Die Wüste duldet keine Menschen. Passt somit hervorragend ins Gesamtkonzept.« … »Schwarzer Sand ist möglicherweise einen Tick teurer, ich muss mal mit den Jungs aus der Sand-Abteilung reden. Aber ich denke so viel kann ich sagen. Bezogen auf das Gesamtprojekt hält sich der Mehraufwand in Grenzen.« … »Great Ohio Dessert. – Joe, ein Spitzenname, ich ziehe meinen Hut. Ihnen gelingt einfach alles. Der Name vermittelt Größe, Einsamkeit und ein echtes Naturschauspiel. Und man erfährt dass die Wüste in Ohio liegt. Hervorragend. – Dann hätten wir also alles, Gesamtkonzept, Wüste, Farbe, Name. Alles was noch fehlt ist das große Ringen mit der Natur.«

»Nein, sie hatte nur manchmal den Eindruck, also nicht immer, aber in bestimmten, ganz konkreten, überwachen Momenten, als habe sie außerhalb dessen, was sie sagte, tat und empfand, kein eigenes Leben, weil nämlich genau das nicht mehr ihrer Kontrolle unterlag.« … das Anklingen dieser distinkten Momente von Klar-Empfinden, sich selbst spüren, also das mentale Selbst

… die Urgroßmutter. »aber ausgerechnet bei einem durchgeknallten Genie namens Wittgenstein, der die Auffassung vertrat, alles auf der Welt sei Sprache. Im Ernst.« … »Einige dieser Krawatten besitze ich immer noch, steif und farblos hängen sie über ihrem gezackten Halter an der Innenseite der Schranktür und schlagen gegen das Holz, sobald der Wind der Erinnerung durch die dunklen Ecken in meiner Wohnung weht.« … die Philosophie von Hr. Bombardini. »Einer der unmittelbar einleuchtenden deskriptiven Grundsätze der Weight-Watchers besteht zum Beispiel in der scharfen Trennung der Welt in – in meinem Fall – mich einerseits und allem anderen andererseits. Beides zusammen … definiert für jeden von uns das Universum. Das Universum: das Selbst und das Andere.« … und sein Plan durch ungezügeltes Essen ins Unendliche zu wachsen. … »Diese Trennung ist fundamental, sie ist Teil unseres Bewusstseins.«

»Eine Aussicht nach rechts auf suburbane Grundstücksgeometrie und den verdämmernden Himmel« … und was Lenores Zimmer noch alles beinhaltet, akribisch-nüchtern beschrieben und aufgelistet. »Sie machte sie auf. Kaltluft stürzte ins Bad und riss eine Bresche in den Dampf.« … »In Lenores Zimmer war inzwischen alles sehr schön geworden. Fußboden und der untere Teil der Wände lagen im Dunkel, während die Schatten der Bäume weiter oben in einem orangefarbenen See schwammen.« Lenore zu Dr. Jay. »Rick ist Rick. Rick ist die Konstante in jeder Gleichung. Lassen sie Rick aus dem Spiel.« … »Also. Ein Leben das nur berichtet, aber nicht gelebt wird, ist so, als ob das Leben gleichbedeutend mit seiner Verwandlung in Sprache wäre und dass nichts mit mir geschieht, das nicht erzählt würde oder erzählbar wäre.«

… »vermutlich alle zu spät im Seminar erschienen, ähnlich wie ich zu meiner Verabredung mit dem kleinen Ozean meiner Vergangenheit, der sich zwischen den bekrakelten Docks meiner Kindheit erstreckte und einmal mehr den (hoffentlich ungeteilten) Strahl meines Daseins aufnehmen würde … Jedenfalls schwappte meine Gegenwart in die Vergangenheit über und nahm mich mit auf die Reise.« … Erinnerung an ein überpeinliches Missgeschick »… All dies sah ich wie durch das falsche Ende eines Teleskops, bis die Welt gnädigerweise aufhörte zu existieren und auch ich selbst immer kleiner und dichter wurde, ein kleiner schwarzer Stern, peinlich verglimmend in einem inhaltlosen Haufen von Kleidungsstücken und Schuhen. … die folgenden Monate sind in meinem Gedächtnis nicht mehr verzeichnet, ein gelöschter Schrei. Der entsprechende Abschnitt meines Gehirns ist verschmort … und weiter in den verblutenden Wald südlich des Campus. … bis ich mich jenseits der Straße und der heißen zirpenden Felder befinde. … an der meine Initialen die Zeit überdauert haben könnten, was mich mit einer völlig unbegründeten Freude erfüllte.«

… »trotzdem lässt sich sagen dass alles was sie ist, der Akt ihres eigenen Denkens ist – und auch das Einzige von Gewissheit, nämlich dass sie mit diesem Denken identisch ist. … die einzigen Dinge, über die man denken kann, sind Dinge, die nicht mit dem Akt des Denkens identisch, sondern ein Anderes sind … ebenso wie ein Messer nicht sich selber schneiden kann, kannst du dein eigenes Denken nicht denken. … wenn wir also uns selber denken, und also als Gedanken begreifen, dann können wir nicht gleichzeitig der Gegenstand unseres Denkens sein. Q.e.d.« … ein Paradox oder nur ein durch falsche Anwendung von Sprache erzeugtes Problem. Denn der Ausgangspunkt ist eigentlich eine unbewiesene These. … »aber wenn wir uns selbst nicht denken können … dann sind wir zugleich die idealen Gegenstände unseres Denkens. Wir erfüllen somit die Bedingungen des Spiels. Wir sind uns selbst ein Anderes. Denn wenn wir uns denken können, können wir es nicht. Und wenn nicht, dann doch. KBLAMM … in diesem Moment brennen in den Synapsen der Alten die Sicherungen durch. … – bescheuertes Spiel, sagte Lenore, ich kann noch jederzeit über mich selbst nachdenken. Hier, guck. … – bescheuerter Einwand, vor allem von dir. … denkst du denn wirklich über dich nach? Als wen oder was denkst du dich? …«

… »ich glaube er sagte etwas von einer Geschichte über eine Geschichte. Und im Mittelpunkt sollte die Schilderung der Frau stehen … eine Geschichte über die Eigenschaft einer Geschichte, im Grunde nie zu Ende zu sein, selbst wenn alle Figuren die Szene verlassen haben.«

… Philosophen »sind eher wie Mathematiker. Sie spielen nur nicht mit Zahlen, sondern mit Worten, wodurch alles nur noch schwieriger wird. … Du hast es aber mit Wörtern, oder? … wenn es um Wörter geht, wirst du so komisch … als ob du sie ungeheuer ernst nimmst … als ob sie ein großes scharfes Werkzeug wären …«

(David Foster Wallace, Der Besen im System)

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