wallwitz ::: unerhörte begriffswirbel im kopf
Leibniz ging mit der Mathematik um wie mit einem Gott, ehrfurchtsvoll aber nicht immer gewissenhaft. Seine eigentlich Stärke, die Verknüpfung seiner Gedanken, unvorhersehbar wie bei einem Würfelspiel. »Der Zufall, den er nicht aus seinem Kopf bekam, und der den systematischen Fortschritt behinderte, brachte ihn auf eine exzentrische Bahn und förderte zugleich seine Kreativität. Tausende von Mutmaßungen stellte er an, schüttelte die Begriffe und spielte mit ihnen, bis sie entweder einfacher wurden oder bis sie sich zu etwas Neuem zusammenfügten. Da er ganze Bibliotheken im Kopf hatte ergaben sich unerhörte Begriffswirbel. Leibniz wusste dass er in seinem leicht irritierbaren Geist Ordnung schaffen musste, um sich in der Realität zu verankern. Denken war an sich ja nutzlos, wenn es mit dem Denken der anderen unverbunden blieb.
… er saß traurig, aber nicht humorlos, inmitten eines gigantischen Haufens Papier, Buchmanuskripte, Notizzettel, Entwürfe, Sendschreiben, Polemiken, Exzerpte, Abhandlungen, Briefe, Konzepte, die er längst nicht mehr übersah. … in unübersehbaren Haufen von Ideen und Papier fand er sich selbst nicht mehr wieder, seine eigenen Gedanken entglitten ihm und es rächte sich nun dass er nur wenige publikationsreife Stücke produziert hatte. Die Ordnung der Begriffe war ihm abhanden gekommen und damit war ihm genau das passiert was zu verhindern sein Lebensziel gewesen war.« … und so kommt er zur Idee seiner Jugend zurück, die Ordnung der Begriffe.
»Die Schönheit in Leibniz Scheitern bestand darin, dass das Fluktuieren, Assoziieren und Kontrastieren der Gedanken ganz wesentlich zu Leibniz Genie gehörte. Er hatte keine eherne Methode um alles nach demselben Schema zu bearbeiten, er ließ den Dingen und Wahrheiten ihren Atem und versuchte sie von ihrem eigenen Wesen her zu begreifen. Willig ließ er sich von Faktoiden bombardieren, für die er dann geeignete Theorien bildete.«
(Georg von Wallwitz, Meine Herren, dies ist keine Badeanstalt)