fuchs ::: tiamat ark – Universum, Meer aus Zumutungen
»Marduk sah klar: Tiamat hatte Abzu aus Machtgeiz kleingehalten. Abzu hatte Tiamat belogen und betrogen um eine eigene, ebenfalls recht planlose Agenda durchzusetzen, und die Schöpfung war zwischen diesen verpeilten Göttern mehr verpfuscht als geplant zustandegekommen: die makroskopische widersprach der mikroskopischen Ordnung. Wobei die Quanten noch die kleinste Beleidigung in einem Meer der Zumutungen waren … [Marduk wusste warum er hier war] in dieser kläglichen Welt. Um sie neu zu denken. … | … [Abzu] erkannte, dass er das Universum ganz grundsätzlich missverstanden hatte. Es war nichts, dem man seinen Willen aufdrängen konnte. Vielleicht war es sogar falsch, davon überhaupt als Schöpfung zu denken. Vielleicht waren sie es, die die Schöpfung waren, und das Universum spielte sie gegeneinander aus … | … [Tiamat] … es war klar, dass das – Pardon: du – früher oder später passieren und meine Ordnung auf die Probe stellen würde. – Ordnung, welche Ordnung denn? – Genau, lachte Tiamat … | … Was will er? – die Welt. – Wozu? – sie nach seinen Vorstellungen formen? – warum? – weil ich das Einzige bin, was stimmig, schlüssig und ganz ist. – du machst keinen stimmigen, schlüssigen oder ganzen Eindruck auf mich. – … [Sie solle rauskommen damit sie sehen wer der Stärkere ist] – das ist der beste Beweis dass ich es nicht nur mit einem Ding sondern dazu noch mit einem ausgesprochen idiotischen zu tun habe: Das Universum sinnvoll zu gestalten ist keine Frage der Stärke. – sondern? – der Angemessenheit. – Das hier ist ein totales Chaos. Ich bin die Ordnung. – Du missverstehst Ordnung als autonom existierender Begriff. Aber – und Pardon, dass ich jetzt hier so dozierend werde – Chaos und Ordnung sind dialektische Begriffe. Nimm als Beispiel die Gerade und den Bogen. Man kann zwei Punkte mit einer Geraden verbinden, das ist der direkte, der kürzeste, der pragmatische Weg. Der Bogen hingegen ist nicht nur die Entscheidung für einen Bogen, er ist auch eine Entscheidung gegen den Pragmatismus der Geraden. Er ist schön, gerade weil er ein Umweg und im Grund unnötig ist. Dass muss dir einleuchten Marduk. Das Schöne ist nie – Pardon – selten pragmatisch. Das Schöne liegt im Stottern. Im Stolpern. Im Missverständnis. Im Fehlerhaften. In der Veränderung. – ach ja, und warum sollte das so sein? – weil ich das so entschieden habe, sagte Tiamat ganz einfach. … außerdem: in meinen Augen sind das – bis auf wenige Ausnahmen – Anspielung beabsichtigt – ganz runde Sachen. … |
… Marduk setzte sich und wartete. Nein. Das war nicht richtig. Denn dafür bräuchte es ja etwas, auf das man wartete. Er setzte sich und … saß da. …
| … Marduk wäre vielleicht einfach ganz Ding geworden, wenn da nicht die Gedanken gewesen wären, die ihn nicht lassen, die er nicht abschalten und mit denen er nicht, na ja, leben, konnte. Woher sie kamen, wusste er nicht, aber es waren nicht seine. Und weit schlimmer, weil elaborierter und detaillierter: Die Träume. Von Orten die er noch nie betreten hatte. Von Wesen denen er nie begegnet war. Von Bergen, von Seen, Meeren, Bäumen. Ganze Welten. Und immer wieder: ein Tier mit rotweißem Pelz … Er schloss die Augen mit dem Vorhaben sie nie wieder zu öffnen. Vielleicht waren es 100 Millionen Jahre, vielleicht auch nur wenige Sekunden. Was macht es für einen Unterschied, wenn die Zeit nicht mit den Räumen verknüpft ist? …«
(Nis-Momme Stockmann, der Fuchs)