Bul Bul & Diario & Ostinato | 16.03.09 | Conne Island

»They really rocked my life«
Ostinato an ihrem letzten Konzert dieser Tour/des ganzen Lebens,
über die letzten Tourwochen mit Bul Bul

Habe ein hübsches kleines Kommödchen mit drei neuen Schubladen gezimmert. Ein gewagtes Unterfangen wenn man kein Fachmann ist, und so mögen eben jenen die Schubladen vielleicht nicht passend, wackelig und wenig stilsicher scheinen. Dafür ist es selbst geschraubt …

In der Furcht dieses Jahr würde ein karges Konzertjahr werden, ging ich vor ein paar Wochen die Programme derjenigen liebgewonnenen Veranstaltungsorte durch, die sich in der Vergangenheit um einige schöne Konzerterlebnisse verdient gemacht haben … und finde Ostinato im Conne Island. Dazu 2 Vorbands.

Bul Bul > Schublade: Surf Metal
Langes, langes Warten, bis man endlich die ersten Musiker hie und da über die Bühne streifen sieht. Der Pretiosentisch ist prall gefüllt, und wird mehrmals in den Pausen besucht werden müssen, bis man sich auf ihm zurechtfindet.

Idealerweise ist man Vorbands gegenüber ja immer aufgeschlossen, erwartet aber nicht zuviel von ihnen. Das ist die Vorbedingung, um nach dem Auftritt der Vorband diese faszinierende Starre der Verblüffung, diese Stasis der Ehrerbietung ob der Mannigfaltigkeit der man gerade ausgesetzt wurde, dieses Gefühl gerade etwas Kostbares für sich entdeckt zu haben, durchleben zu dürfen.

Gitarrist, Bassist und Schlagzeuger. Von meinem Platz habe ich den Bassisten direkt im Blick. Intro. Rhythmischst hämmernder Sound, der mit surfigem Gezupfe unterlegt irgendwie an eine der Titelmelodien der 70/80erJahre-Serien erinnert. Nennen wir sie Knight Rider.
Bassist setzt stieren Blick auf. Starrt intensiv und evil in eine Richtung. Bei jedem Streich des Schlagzeugs, wendet sich sein Kopf ruckartig, von links nach rechts, von rechts nach links. Mit jedem Schlag schrammt er einmal von oben nach unten über seinen Bass und guckt dabei so böse er nur kann. Und gerade als der stiere Blick eine nicht mehr auszuhaltende Perfektion erreicht, zerbröselts ihn vor Lachen. Und genauso zum Feiern, genauso wahnsinnig und liebenswert spinnert ist die ganze Band. Sie kommen aus Wien. Alles klar.

Surf Metal sage ich, Showtunes schreibt sich Bul Bul auf ihre myspace-Seite. Und eine Show, als ob die Musik allein nicht reichen würde, ist es, die die drei da auf der Bühne geben. Mittendrin jauchzt Prince-artiger Gesang zu den Schrammelklängen. Und dann haucht eine knarzig tomwaitswahnsinnige Stimme zu verdrehten Klängen. Der Bassist übt sich weiter darin böse zu gucken, ohne dabei lachen zu müssen, und als es ihm endlich gelingt streut er im Spiel vor lauter Freude ob des Gelingens noch die typischen »Affe uh-uht und kratzt den Arm über den Kopf stülpend die dem Arm gegenüberliegende Kopfseite«-Bewegungen ein.

Zu einem der Lieder wird ein vermutlich ehemaliges Bandmitglied auf die Bühne gebeten und mit einem Schellenkranz bestückt. Diese schamanische Eleganz, diese Verschmelzung des wild umherspringenden Körpers mit dem Schellenkranz erinnert in seiner rhythmischen Genialität, die sogar ich zu erkennen vermag, an Portugal. The Man. Und so hüpft der Schellenmann über die Bühne, ab und an wird die Schelle gegens Griffbrett der Gitarre gedotzt. Und immer mal wieder greifen sich Bassist und Gitarrist gegenseitig ans Instrument. Wenn nicht gerade der Schlagzeuger mit seinem Werkzeug auf der Gitarre trommelt. Ein wilder Spaß. Und so wild ist die ganze Show. Da erkennt man zum Beispiel bei einem Lied langsam aber stetig dass mitnichten englisch sondern urösterreichisch gesungen wird. Neben surf und metal und Prince sind die Lieder aber meist vor allem aber zweis: raumfüllend krachend laut und so unweigerlich tanzeinflößend wie es die besten Brit-Pop-Franz Ferdinand und Co-Bands gerade mal so eben hinbekommen.

Geschwisterlich bleibt Odysseus und mir danach, sobald die Verblüffungsstarre des Glaubens nachläßt und man sich wieder bewegen kann, nur noch eins. Pretiosentisch. Jeder eine CD gegriffen. Und Herr Walte hält solange die Plätze warm.

Anspielvorschläge myspace:
Shenzhou, Lack of the Key

Video:
Daddy was a girl I liked

Diario > Schublade: Trance Metal
Ich sage Trance Metal. Die Allgemeinheit wird Post Rock sagen. Diario sagen Indie/Electronica/Experimentelle Musik. Davon abgesehen, dass sich auch hier die griffigen Brit-Tanz-Klänge wie ein roter Faden durch alle Songs ziehen, muss man nach Bul Bul vor allem eins. Das eben Erlebte sachte abschütteln. Herunterkommen. Zur Ruhe kommen. Um für Diario aufnahmefähig zu sein. Nach ein paar Liedern gelingt dies, und dann findet man sich auch hier gut aufgehoben.

Denn Diarios Lieder bauen sich in einer nur langsam verändernden Monotonie auf. Da wird ein musikalisches Motiv gefunden, und dieses wird in allen Facetten durchgespielt, bevor es im nächsten aufgeht. Und in bester Schwedenmanier dieser seit 10 Jahren formierten Band wird dieses Motiv mit tausend winzigen Details unterlagert, die die Klänge im Konzertraum dazu zwingt sich aus Platznot immer dichter aneinanderzudrängen, bis man ganz von ihnen eingekapselt ist.

Gegen Ende werden die bis dahin trotz aller Trance und nur langsam voranschreitender Mutation metalig gehaltenen Lieder elektronischer, was mir persönlich nicht liegt, aber auch begeisterte Abnehmer im Publikum findet, die sich in Technotrance schütteln.

Alles in allem also eine sehr schöne und passende Einstimmung auf Ostinato, ein Name der hier bittesehr immer weich auseinandergezogen, die Vokale hell angeschlagen und verträumt gelesen werden sollte.

Ostinato > Schublade: Ostinato
Nachdem ich anfing eine sehr formklare Bauhhaus Metal-Schublade zu zimmern, habe ich im Verlauf, oder eher gleich zu Beginn, aus Ergriffenheit, ob des zufälligen Beiwohnens am letzten, allerletzten Konzert von Ostinato, beschlossen, die Schublade solle so heißen, und so sein, und so aussehen wie die Musik der Band, die es nicht mehr geben soll. Wirkt sie auch von außen nüchtern und klar, und an manchen Stellen sehr kantig, so ist sie innen weich mit Samt ausgepolstert.

Als visueller Mensch hat mich vermutlich das CD-Cover der Chasing the Form dazu gebracht in Ostinatos Musik immer diese klaren, nüchternen Bauhaus-Strukturen zu erkennen. Doch nachdem ich dieses Bild anfänglich mit den 3 Ostinaten live auf der Bühne aufgrund der dort zu sehenden warmherzigen Ausstrahlung nicht in Einklang bringen konnte, fügte sich beides nach und nach doch zusammen. Denn auch Bauhaus erzeugt durch diese eigentlich nüchtern und kalt wirkenden Formen eine Geborgenheit, die wie geschaffen für den Menschen scheint. Unkompliziert. Einfach. Nichts fordernd.

So ist die Musik. Doch die Bandmitglieder sehen natürlich mitnichten so aus. Am ehesten noch der Bassist, der sich anfänglich noch vornehm zurückhält und wie ein nüchterner Techniker wirkt. Aber wie will man als Normalo auch aussehen, neben einem Schlagzeuger der an Magnum oder Rambo erinnert, ein Leopardentop trägt und sich ein Tuch um die Stirn gebunden hat. Und neben einem Gitarristen, der seine blonden Fransen mit einem Stirnband schmückt. Auch er erinnert mich an wen, doch an wen?

Bassist taut also irgendwann auch für zwischen den Liedern auf und stürzt sich in eine Diskussion mit dem Gitarristen ob seines Speckstirnbandes. Und da. Als der Gitarrist seinen Style verteidigt, den er zu Ehren und zum Ruhme der Royal Tenenbaums mimt, ja da wird alles klar. Das Stirnband, die drogenverpeilte knuffige Art, von der er sagt, dass er genauso wirken will. Owen Wilson als Eli Cash wie er gen Ende mit seinem Wagen ins Haus der Tenenbaums donnert. Und genau das ist auch Ostinato.

Und alle drei Virtuosen an ihren Instrumenten. Die Musik. Die sich erst in langsam und zart gewebten Formen aufbaut, bevor sie sich wie in einem plötzlichen hervorbrechenden Gewitter donnernd entlädt. Dabei berückend immer wieder abrupt abbricht, wieder ansetzt, abbricht und weiterschwingt. Beschleunigung und Auflösung.

Zwei Lieder werden von einer Violinistin begleitet — Violinistinnen machen sich auf Bühnen natürlich immer gut. Und irgendwann füllt sich die Bühne mit allen Bands des Abends, und sie steigern sich grandios in einer nicht enden wollenden Session, von dem auch niemand wollen kann, dass es jemals endet. Die drei Schlagzeuger versammeln sich an ihrem Instrument, rühren mit den weichen Klöppeln auf den Hi-Hats, geigen mit einem anderen Klöppel auf einer gerade günstig stehenden Gitarre und tun natürlich vor allem eins. Trommeln. Und zu all diesen nicht oft den Instrumenten entlockten schwirren Tönen klampft Ostinatos Gitarrist auf seiner Gitarre während er am Gitarrenhals mit einer Bierflasche auf und ab streicht, und so einen unglaublichen, dumpf doch wattig, irgendwie bierigen Waberton erzeugt, der durch den Raum schwebt wie ein dieser Welt fremdes Geschöpf.

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